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Fordo – Irans geheime Atomanlage im Fadenkreuz

17. Juni 2025

Erklärtes Ziel der israelischen Angriffe auf den Iran ist die Zerstörung des Atomprogramms. In Natans und Isfahan wurden Anlagen bereits schwer beschädigt. Nun rückt auch die unterirdische Anlage in Fordo ins Visier.

Satellitenbild zeigt die Anreicherungsanlage Fordo in Iran
Ein Satellitenbild zeigt die Anreicherungsanlage Fordo in Iran - der Komplex befindet sich allerdings zum größten Teil unter einem Felsmassiv Bild: Maxar Technologies/AP/picture alliance

Seit Tagen fliegt Israels Luftwaffe Angriff um Angriff auf den Iran. Besonders im Visier: die iranischen Atomanlagen. Israel verdächtigt das Regime in Teheran, eine Atombombe entwickeln zu wollen. Die iranischen Machthaber bestreiten dies. Dennoch haben sie in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ihre nuklearen Anlagen weit im ganzen Land verstreut. Von mehreren nuklearen Forschungskomplexen wird gemutmaßt, dass sie auch große unterirdische Einrichtungen beherbergen, in denen heimlich weit über eine zivile Nutzung von Atomenergie hinaus geforscht werden soll.

Schwere Schäden in Natans und Isfahan

Im zentraliranischen Natans etwa wurde bislang im großen Stil Uran angereichert - nach Einschätzung der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA auf bis zu 60 Prozent. Für den Betrieb eines zivilen Atomkraftwerkes genügt eine Anreicherung auf drei bis fünf Prozent, für den Bau einer Atombombe würden rund 90 Prozent benötigt.

Nun aber sollen die oberirdischen Zentrifugen, die für eine derartige Anreicherung nötig wären, nahezu vollständig zerstört worden sein, berichtete IAEA-Chef Rafael Grossi der BBC. Zwar ist unklar, ob auch der unterirdische Teil der Anlage getroffen wurde, allein der durch die israelischen Angriffe verursachte Stromausfall könne aber dort für beträchtliche weitere Schäden gesorgt haben. Innerhalb der Anlage, so Grossi, gebe es möglicherweise eine "gefährliche Strahlenverseuchung", bislang sei davon jedoch noch nichts in die Außenwelt vorgedrungen.

Auf einem aktuellen Satellitenbild der Atomanreicherungsanlage in Natans werden die schweren Schäden durch die jüngsten israelischen Angriffe deutlichBild: Maxar Technologies/AP/picture alliance

Auch am Nukleartechnologiezentrum im nahegelegenen Isfahan gebe es Schäden an mindestens vier Gebäuden. Hier wurde bislang in Minen abgebautes Uranoxid, der sogenannte Yellowcake, in Urantetrafluorid und Uranhexafluorid umgewandelt - eine nötige Vorstufe zur späteren Urananreicherung.

Wichtiger Geheimkomplex: die Nuklearanlage Fordo

Neben Natans besitzt der Iran noch eine zweite bedeutende Nuklearanlage zur Urananreicherung. Der Komplex Fordo liegt südlich von Teheran. Auf einem ehemaligen Militärgelände nahe der Stadt Ghom hatte das iranische Regime Anfang des Jahrtausends heimlich eine Nuklearanlage errichten lassen. Auch dort soll es in den vergangenen Tagen israelische Angriffe gegeben haben. Berichte über signifikante Schäden gibt es bislang jedoch nicht.

Dies könnte daran liegen, dass der Komplex in Fordo größtenteils tief unter der Erde liegt. Wohl um ihn vor den Kontrollen der IAEA und vor möglichen Angriffen oder Sabotageakten zu schützen, wurde ein Tunnelsystem 60 bis 90 Meter tief in einen Gebirgszug getrieben. 2009 machten westliche Geheimdienste erstmals ihre Erkenntnisse über die Atomanlage öffentlich. 2012 gab die IAEA bekannt, dass iranische Wissenschaftler in Fordo damit begonnen hätten, Uran "für medizinische Zwecke" auf bis zu 20 Prozent anzureichern. Seitdem sollen in der unterirdischen Anlage insgesamt rund 3000 Zentrifugen zur Urananreicherung installiert worden sein. Damit ist die Anlage zwar kleiner als der Komplex in Natans. Dafür soll es hier möglich sein, Uran auf höhere Reinheitsgrade anzureichern, was die Anlage für militärische Zwecke bedeutender macht. 

Iranische Zentrifugen zur Urananreicherung in Natans (Archivbild von 2019)Bild: SalamPix/abaca/picture alliance

Stand der Iran kurz vor der Atombombe?

Was exakt in der Atomanlage Fordo passiert, ist nicht bekannt. Zwar wird der Komplex auf dem Papier von der IAEO kontrolliert, doch hat der Iran in der jüngeren Vergangenheit, insbesondere seit der Aufkündigung des internationalen Atomdeals, den Zugang der internationalen Inspekteure eingeschränkt und mehrere Überwachungsgeräte demontiert.

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Erst Ende Mai hatte die IAEA Teheran vorgeworfen, verstärkt Uran auf 60 Prozent angereichert zu haben. Mehr als 400 Kilogramm dieses Materials soll Iran zuletzt besessen haben. Eine weitere Anreicherung auf waffenfähige Prozentsätze sei danach vergleichsweise schnell möglich. Das Institute for Science and International Security warnte in einem kurz vor den israelischen Angriffen veröffentlichten Bericht, mit den bekannten Kapazitäten in Fordo könne der Iran innerhalb von drei Wochen 233 Kilogramm waffenfähiges Uran gewinnen, was für die Fertigstellung mehrerer Atomsprengköpfe ausgereicht hätte.

Schwer zu treffendes Ziel

Vor diesem Hintergrund dürfte auch die Anlage in Fordo ein Ziel künftiger israelischer Angriffe sein. "Am Ende dieser ganzen Operation muss Fordo ausgeschaltet sein", sagte Yechiel Leiter, der israelische Botschafter in Washington, dem Sender Fox News.

Die tief unter einem Felsmassiv liegende Anlage zu zerstören, dürfte jedoch besonders schwierig werden. Der Militäranalyst Cedric Leighton erklärte im US-Sender CNN, dass der Iran in Fordo einen speziell gehärteten Beton zum Schutz vor Luftangriffen verbaut habe. Zwar besitzt Israels Luftwaffe auch bunkerbrechende Waffen, trotzdem seien wohl zahlreiche Angriffswellen nötig, um den Schutzpanzer der Anlage zu durchdringen.

Der US-amerikanische Tarnkappenbomber B-2 wäre in der Lage, eine ausreichend große bunkerbrechende Bombe abzuwerfen. Doch derzeit deutet nichts auf seinen Einsatz im Iran hin.Bild: picture-alliance/dpa

Die einzige bunkerbrechende Bombe aller westlichen Staaten, die schwer genug wäre, deutlich schneller zum Ziel zu gelangen, ist im Besitz der USA. Die präzisionsgelenkte GBU-57 wiegt knapp 14 Tonnen und wurde speziell für tief unter der Erde liegende Ziele entwickelt. Sie ist jedoch zu groß und schwer, als dass sie von der israelischen Luftwaffe an ihr Ziel gebracht werden könnte. Hierfür wären US-amerikanische B-2- oder B-52-Bomber notwendig. Ob aber die USA sich direkt in den Konflikt zwischen Israel und dem Iran hineinziehen lassen werden, ist derzeit zumindest noch fraglich.

Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik