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SportGlobal

Vettel: Bleibt nur noch der Rücktritt?

Sarah Wiertz
12. Juli 2020

Der viermalige Weltmeister sorgt für Gesprächsstoff: Nicht nur wegen des unglücklichen Ausscheidens beim zweiten Formel-1-Rennen in der Steiermark. Es geht vielmehr um seine Zukunft. Hat der Deutsche zu lange gezögert?

Formel 1 GP von Österreich | Sebastian Vettel, Ferrari
Bild: Imago Images/Hoch Zwei/Colombo Images

Von zwei Seiten umringen sanfte Bergketten, die von dunkelgrünen Bäumen bedeckt sind, die Rennstrecke, die auf der anderen Seite von Wiesen umsäumt ist, so weit das Auge reicht. Wohl kaum eine Motorsportanlage ist so malerisch gelegen wie der Red Bull Ring in Spielberg, Österreich. Doch die Idylle trügt, zumindest aus Sicht von Sebastian Vettel. Und daran allein ist nicht nur sein sportlich miserables Abschneiden bei den bisherigen zwei Saisonrennen schuld.

Bereits nach wenigen Runden des zweiten Rennens in Spielberg war für beide Ferrari-Piloten die Arbeit beendet. Charles Leclerc hatte in der dritten Kurve nach dem Rennstart versucht, von hinten innen an Vettel vorbei zu kommen. "Ich weiß nicht, welche Lücke Charles gesehen hat", sagte Vettel am RTL-Mikrofon: "Ich hatte keinen Platz, woanders hinzufahren. Drei Autos in der Ecke gehen nicht." Vettel musste seinen Wagen mit einem kaputten Heckflügel abstellen, nach er vierten Runde später war auch für Leclerc Schluss. "Die Situation war mein Fehler, Seb hat da nichts falsch gemacht", so Leclerc. "Ich bin schon ins Risiko gegangen, weil ich wusste: Es musste in der ersten Runde etwas Besonderes passieren, damit hier etwas gehen kann. Jetzt sind beide Autos draußen, und ich bin schuld." Teamchef Mattia Binotto war bedient: "Das tut weh, wenn beide Fahrer ausscheiden. Das ist der schlechteste Abschluss eines schlimmen Wochenendes."

Ferrari nicht konkurrenzfähig

Nicht nur sportlich, auch psychologisch ist es derzeit nicht einfach für Vettel: "Ich werde nur noch eine begrenzte Zeit für das Team fahren. Das ist keine leichte Situation." Formel-1-Chef Ross Brawn kennt diese Situation aus seiner eigenen Vergangenheit und kann deshalb mitfühlen. "Wenn ein Fahrer ein Team verlässt, dann wird er anders behandelt als ein Fahrer, der bleibt. Das findet im Unterbewusstsein statt. Da kannst du nichts dagegen tun."

Keine guten Aussichten: Sebastian Vettel beim Qualifying in SpielbergBild: Imago Images/HochZwei

Weiterfahren, Pause einlegen oder ganz aufhören?

Der Vertrag zwischen dem viermaligen Weltmeister und dem italienischen Rennstall endet nach dieser Saison, die coronabedingt verspätet gestartet ist. Wie es mit dem deutschen Fahrer weitergeht, ist derzeit das große Fragezeichen in der Formel 1. "Zuerst einmal muss ich mit mir selbst ausmachen, ob ich weiterfahren, eine Pause einlegen oder ganz aufhören will. Dann muss ich schauen, welche Möglichkeiten es gibt", hatte der Deutsche zuletzt gegenüber der Presse gesagt.

Doch je länger er mit seiner Entscheidung zögert, desto weniger Optionen hat Vettel - hat er sich beim Wandern in der steiermärkischen Bergwelt in dieser Woche darüber Gedanken gemacht? Vermutlich. Ein möglicher Wechsel zu Renault - Vettel gibt zu, dass er Kontakt zum französischen Rennstall hatte - hat sich mittlerweile erledigt: Fernando Alonso kehrt zurück in die Formel 1.

Vettel zurück zu Red Bull?

"Sie haben mit Alonso eine andere Wahl getroffen. Aber das ändert nichts an meinen Plänen." Auch zu Racing Point, das im nächsten Jahr zu Aston Martin wird, hat Vettel sich offenbar einige Gedanken gemacht: "Die haben ein gutes Auto und werden es vielleicht auch 2021 haben, und ich kenne von früher ein paar Leute aus dem Team." Jedoch hatte der 33-Jährige zuletzt mehrmals betont, nur weitermachen zu wollen, wenn er in einem konkurrenzfähigen Auto sitzen würde.

Das beste Auto bietet Mercedes. Daimler-Konzernchef Ola Källenius hatte einem Vettel-Wechsel vor Saisonbeginn jedoch bereits eine Absage erteilt. Bliebe also noch Red Bull, der Rennstall, mit dem Vettel alle seine vier Weltmeistertitel gewann. "Das ist ein Auto, mit dem man Rennen gewinnen kann. Wenn es ein Angebot gäbe, würde ich nicht nein sagen", hatte der Rennfahrer zuletzt bei Servus TV erklärt und damit Wechselgerüchte angeheizt.

Alex Albon ist für Red Bull attraktiver

Allerdings: Mit dem 22-jährigen Max Verstappen hat Red Bull einen jungen, sehr talentierten und sehr hitzköpfigen Topfahrer. Zusammen mit dem oft überehrgeizigen Vettel wäre dies ein explosives Team. Zudem gibt es offenbar ein wirtschaftliches Hindernis, auf das Red-Bull-Sportchef Helmut Marko, ein Freund Vettels, auf Nachfrage der Zeitschrift "auto motor und sport" aufmerksam machte: "Albon ist zur Hälfte Thailänder, und Red Bull gehört zu 51 Prozent Thailändern."

Vettel muss sich selbst jedoch auch ankreiden, nicht mehr als Topfahrer gehandelt zu werden. Seine Leistungen und Ergebnisse waren weder im vergangenen Jahr noch jetzt zu Beginn der diesjährigen Saison überzeugend. Darüber hinaus macht er mit seinen öffentlichen Zweifeln, ob er auch weiterhin im Formel-1-Zirkus mitwirken will, nicht gerade Werbung in eigener Sache.

Es sieht fast so aus, als ob Vettel seine letzte Formel-1-Saison fährt. Zumindest vorerst. Viele Formel-1-Fahrer haben nach ihrem Rücktritt ein Comeback gewagt: Niki Lauda, Nigel Mansell, Michael Schumacher. Und jetzt auch Fernando Alonso. Der Spanier ist immerhin 39 Jahre alt. Da kann Sebastian Vettel sich also ganz schön Zeit lassen.

Dieser Artikel wurde nach dem Ende des Rennens in der Steiermark aktualisiert.

Sarah Wiertz Teamleiterin Sport Online
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