Die "Roten" verpassen die Wende und erleben den nächsten Doppelerfolg von Mercedes. Vettel und Leclerc können in Schanghai nicht mit den Silberpfeilen mithalten. Besonders der Monegasse schiebt nach dem Rennen Frust.
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"Ich bin glücklich auf dem Podium zu stehen. Es war letzten Endes für uns ein gutes Resultat, aber kein Super-Resultat", versuchte Sebastian Vettel seinen dritten Platz beim Großen Preis von China ein wenig schön zu reden, musste aber zugeben: "Wir haben versucht, an den Mercedes dran zu bleiben, aber wir haben es nicht geschafft. Direkt vom Start waren sie zu schnell für uns."
Dass Ferrari es an keinem Tag dieses Rennwochenendes geschafft hat, die Mercedes in Schach zu halten, war dabei aber nur der eine Grund für Frustration bei der Scuderia. Der andere Grund war hausgemacht: Denn noch bitterer als für Vettel, der immerhin noch einen Pokal für Rang drei mit nach Hause nehmen durfte, verlief der 1000. Grand Prix der Formel-1-Historie für seinen Teamkollegen Charles Leclerc.
Vettel wird vorbeigewunken
Zunächst überholte der Monegasse Vettel beim Start auf der besseren, rechten Fahrbahnseite und schob sich auf Rang drei. Dann fuhr er mehrere Runden lang ungefähr eine Sekunde vor Vettel her, konnte sich aber nicht absetzen, während die Mercedes vorne langsam enteilten. Daher bekam Leclerc in Runde elf die Ansage, Vettel vorbeizulassen. "Ich verstehe Charles' Gefühle und Ansichten", sagte Ferrari Teamchef Mattia Binotto nach dem Rennen. "Aber Sebastian war etwas schneller. Deshalb wollten wir ihn nach vorne bringen, um zu sehen, ob er an die Mercedes ranfahren kann."
Die Tatsache, dass das nicht gelang - auch weil Vettel, vor Leclerc herfahrend, immer wieder kleinere Fahr- und Bremsfehler einbaute, sorgte für zusätzlichen Frust beim jungen Teamkollegen. Er beschwerte sich bei der Teamleitung: "Ich weiß nicht, was wir hier machen, aber ich bin schneller." Er wurde dennoch nicht wieder vorbeigelassen. Im Gegenteil: Ferrari "opferte" Leclerc ein zweites Mal zugunsten Vettels. Max Verstappen hatte sich im Red Bull mittlerweile von hinten an die beiden Ferrari herangeschoben und ging als Erster in die Box, um sie anschließend mit frischen Reifen zu überholen, wenn sie ebenfalls einen Boxenstopp einlegten.
Häufige Strategiewechsel
Ferrari, so unter Druck gesetzt, war recht schnell klar, dass man zügig handeln musste und nur ein Auto vor dem Niederländer im Red Bull zu halten sei. Daher wurde Vettel in der nächsten Runde reingeholt. Er schaffte es, vor Verstappen zu bleiben, musste sich dann aber auf der Strecke eines heftigen Angriffs erwehren und blieb letztlich vorne. Leclerc dagegen bekam den Auftrag mit immer schlechter werdenden Reifen möglichst lange auf der Strecke zu blieben. Damit war schon nach 20 von 56 Runden klar, dass Leclerc mit den vorderen Plätzen diesmal nichts zu tun haben würde.
"Für mich war das im Auto okay", sagte ein diplomatischer Leclerc nach dem Rennen dazu, dass er Vettel vorbeilassen musste. "Aber natürlich ist das frustrierend. Sebastian konnte dann auch nicht wirklich davonfahren." Kritik an der Strategie seiner Vorgesetzten wollte er vor dem Sky-Mikrofon nicht üben, ein echtes Lob klingt aber auch anders: "Die Strategie ist oft geändert worden während des Rennens. Das hat es mir nicht einfach gemacht."
Leclerc erneut viel später an der Box
Vollkommen gelaufen war das Rennen für Leclerc dann, als er auch beim zweiten Boxenstopp viel später an die Box gerufen wurde als sein Teamkollege. Auslöser war erneut Verstappen. Der Niederländer kam in Runde 35 in die Box und ließ sich frische gelbe Pneus draufziehen. Die Scuderia musste reagieren und zitierte Vettel umgehend auch zum Reifenwechsel. Leclerc aber, der mit langsameren, harten Reifen unterwegs war, ließen sie weiterfahren. Erst als Vettel seinen chancenlosen Teamkollegen in Runde 42 wieder überholt hatte, durfte auch er endlich zum Reifenwechsel kommen. Verstappen zog vorbei, während an Leclercs Boliden geschraubt wurde. Der Monegasse hatte damit keine Chance mehr, in den verbleibenden 14 Runden noch einmal gegen den Red Bull anzugreifen. Platz fünf, wo Leclerc am Ende auch landete, war nun das Maximum.
Und die Teamleitung? Die hatten spontan keine Antwort darauf, was genau den großen Unterschied zu Mercedes ausgemacht hatte: "Nein, da haben wir kleine klare Idee", gab Binotto zu. "Wir müssen alle Daten richtig analysieren und das nächste Rennen gescheit vorbereiten." Eine Erklärung für die unterschiedliche Strategie für Leclerc oder gar Trost für den frustrierten Schützling gab es ebenfalls nicht: "Ich bin mir sicher, dass er verärgert ist. Das müssen wir akzeptieren", sagte Binotto und schickte hinterher: "Das ist schade für ihn." Zumindest in diesem Punkt dürfte Charles Leclerc ihm Recht geben.
Formel 1: 70 bewegte Motorsport-Jahre
2020 hat die Formel 1 ihren 70. Geburtstag gefeiert. In der Historie der Königsklasse des Motorsports gab es seit 1950 viele große Sieger, schlimme Unfälle und charismatische Persönlichkeiten.
Bild: Yuri Kochetkov/Reuters
Der erste Sieger
Am 13. Mai 1950 beginnt auf dem Silverstone Circuit in England die Geschichte der Formel 1. Es ist der erste Lauf zur Fahrer-Weltmeisterschaft, die der Automobil-Dachverband FIA ausgeschrieben hat. Premierensieger wird Giuseppe "Nino" Farina (Foto). Der Italiener gewinnt in der Saison, die sieben WM-Läufe umfasst, zwei weitere Rennen und wird erster Formel-1-Weltmeister.
Bild: picture-alliance/AP Images
Der frühe Dominator
Juan-Manuel Fangio prägt die Anfangsjahre der Formel 1 und wird als Pilot für Alfa Romeo, Maserati, Mercedes und Ferrari insgesamt fünfmal Weltmeister (1951, 1954 - 1957). Diesen Rekord hält bis 2003, als Michael Schumacher ihn übertrifft. Unerreicht ist nach wie vor die Erfolgsquote Fangios: 51 Mal geht er bei einem Grand Prix an den Start. 24 Mal fährt er als Erster über die Ziellinie.
Bild: picture-alliance/dpa
Der deutsche Grand Prix
In ihrer zweiten Saison macht die Formel 1 auch in Deutschland Station. Rennstrecke ist anfangs die Nürburgring-Nordschleife. Später wird auch auf der AVUS in Berlin (1959) und dem Hockenheimring gefahren (seit 1970). Seit 1951 ist Deutschland mit vier Ausnahmen immer im Rennkalender dabei. Allerdings steht die Formel-1-Zukunft in Deutschland in den letzten Jahren immer wieder auf der Kippe.
Bild: picture-alliance/dpa
Der tote Weltmeister
Ist er Deutscher oder Österreicher? Der in Mainz geborene Jochen Rindt wächst bei den Großeltern in Graz auf und fährt mit österreichischer Lizenz. Beim Grand Prix in Monza verunglückt er 1970 tödlich. Sein Lotus rast in die Begrenzung und bricht auseinander. Rindt stirbt, hat aber in der WM einen so großen Vorsprung, dass ihn kein Konkurrent mehr einholt. Posthum wird er Weltmeister.
Bild: picture alliance/imagestate/HIP
Die weibliche Seite
Insgesamt gehen in der Formel-1-Historie nur fünf Frauen an den Start. Die erste ist 1958 Maria Teresa de Filippis aus Italien, die erfolgreichste ihre Landsfrau Lella Lombardi (l.), die zwischen 1975 und 1976 an zwölf Formel-1-Rennen teilnimmt und 1975 beim Großen Preis von Spanien Sechste wird. Damit ist sie die einzige Fahrerin, die jemals in die Punkteränge fährt.
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Die längsten Sekunden
Am 1. August 1976 verliert Niki Lauda auf der Nürburgring-Nordschleife die Kontrolle über seinen Ferrari und kracht in eine Felswand. Sein Wagen geht in Flammen auf, und es dauert rund 50 Sekunden, bis Lauda aus dem Wrack geborgen wird. Der amtierende Weltmeister aus Österreich erleidet schwere Verbrennungen und Verätzungen in der Lunge, kehrt aber nur 42 Tage nach seinem Crash ins Cockpit zurück.
Bild: picture-alliance/dpa
Die Mutter aller Rennen
Die Formel 1 hat schon auf vielen Strecken ihre Rennen ausgetragen, doch keine ist so speziell wie der enge Circuit de Monaco in Monte Carlo. Der Stadtkurs durch das Fürstentum gehört seit 1950 zum Rennkalender. Fehler sind hier verboten, Überholen fast unmöglich. Nelson Piquet sagte einst sehr treffend: "Formel 1 fahren in Monaco ist wie Hubschrauberfliegen im Wohnzimmer."
Bild: picture-alliance/Hoch zwei
Das größte Versprechen
Wie oft wäre Ayrton Senna wohl Formel-1-Weltmeister geworden, hätte es den tragischen Unfall von Imola nicht gegeben? Der Brasilianer ist schon zu Lebzeiten eine Ikone des Motorsports: jung, schön und schnell. Am 1. Mai 1994 rast Senna in seinem Williams in Imola in eine Begrenzungsmauer und stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus. Er ist erst 34 Jahre alt und "nur" dreifacher Weltmeister.
Bild: picture alliance/dpa
Der erfolgreichste Fahrer
Sieben Mal sichert sich Michael Schumacher den Fahrertitel. Eine Bestmarke, die Lewis Hamilton in diesem Jahr egalisiert. Nach zwei Weltmeisterschaften mit Benetton prägt Schumacher ab dem Jahr 2000 bei Ferrari eine Ära: Fünfmal in Folge steht er am Saisonende vorne. Nach Rücktritt und Comeback fährt "Schumi" für Mercedes, jedoch in den Jahren, bevor die Silberpfeile beginnen, alles zu dominieren.
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Der leuchtendste Stern
Der prägendste Fahrer der vergangenen Jahre kommt aus Großbritannien. Sieben Fahrertitel hat Lewis Hamilton bereits, der achte - eine neue Rekordmarke - könnte 2021 folgen. Einige andere beeindruckende Bestmarken hat der gereifte Brite bereits aufgestellt. Hamilton, früher ein Selbstinszenierer auf Social Media, ist mittlerweile auch politisch aktiv und kämpft gegen Rassismus und für Tierschutz.
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Das letzte Opfer
Nach langem Koma erliegt Jules Bianchi am 17. Juli 2015 seinen Verletzungen. Der 25-Jährige kommt neun Monate zuvor beim Großen Preis von Japan bei Regen von der Strecke ab und prallt in das Heck eines Bergungsfahrzeugs. Er erleidet schwere Kopfverletzungen. Bianchi ist der 32. Formel-1-Pilot, der bei einem Rennen tödlich verunglückt oder an den Spätfolgen stirbt.
Bild: Getty Images
Die oberste Instanz
Jahrzehntelang gibt Bernie Ecclestone vor, was in der Formel 1 gemacht wird. Der ehemalige Rennfahrer vermarktet die Formel 1 ab Anfang der 70er Jahre an TV-Sender und Werbepartner und macht aus ihr ein Milliardengeschäft. Der 1,59 Meter kleine Brite bestimmt alles und bringt die Rennställe immer wieder gegen sich auf. 2017 heißt es: "Bye bye, Bernie!" Ecclestone verkauft an Liverty Media.
Bild: picture-alliance/epa/D. Azubel
Die merkwürdigste Phase
Ihren 70. Geburtstag begeht die Formel 1 hinter Masken und auf Abstand. Wegen der Corona-Pandemie hat sich der Saisonstart bis in den Juli verschoben, nur unter strengen Hygiene-Auflagen kann überhaupt gefahren werden. Doch egal ob mit Mund-Nasen-Schutz oder ohne: Auf der Strecke dominieren mal wieder Mercedes und Weltmeister Lewis Hamilton (2.v.l.) das Geschehen.
Bild: Imago Images
Abschied als Unvollendeter
Nach sechs Jahren verlässt Sebastian Vettel Ferrari und fährt in der kommenden Saison für Aston Martin. Mit dem erwünschten WM-Titel in Rot klappt es nicht. 2017 und 2018 wird Vettel Vizeweltmeister, die letzten beiden Jahre im unterlegenen Ferrari sind aber frustrierend für den ehrgeizigen Deutschen, der im Aston Martin wieder regelmäßig aufs Podium fahren möchte.
Bild: Imago Images/Hoch Zwei/Colombo Images
Der Mann der Zukunft?
Der erste Schritt ist gemacht: Formel-2-Champion Mick Schumacher hat beim Team Hass einen der begehrten Startplätze in der Königsklasse ergattert. Das soll aber nur der erste Schritt sein. Über kurz oder lang wird der Sohn von Michael Schumacher seinem Vater wohl ins Ferrari-Cockpit folgen und dann - wenn die Scuderia wieder ein konkurrenzfähiges Auto hat - mit um die WM fahren.