Es ist sicher nicht die erste Rückschau auf Werden und Wachsen des Modelabels Christian Dior - aber vielleicht die glamouröseste: Das Pariser "Arts Décoratifs"-Museum lädt zum historischen Catwalk.
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Haute Couture mit Tradition: 70 Jahre Dior
04:33
Schon die erste Modekollektion, die Dior am 12. Februar 1947 in Paris vorstellte, wurde ein großer Erfolg. "Your dresses have such a new look", (Ihre Kleider haben so einen neues Erscheinungsbild!), jubelte anschließend Carmel Snow, die damalige Chefredakteurin von Harbers Bazaar. Und tatsächlich: Etwas völlig Neues bahnte sich für die Frauenmode an: Eher maskuline Formen aus der Kriegszeit mussten langen Kleidern, fließenden Kurven und weichen Schultern weichen. "In seiner Arbeit betonte er Weiblichkeit und Freude. Solche Aspekte waren im Krieg verloren gegangen", blickt Olivier Gabet, Direktor des Museums "Arts Décoratifs", zurück. Diors "New Look" - mit dem Einsatz von hellen Farben und viel Stoff - galt als revolutionär. Er war eine Zäsur. Aber was hatte Christian Dior dazu inspiriert?
Kunst vor Mode
Die Antwort liegt nahe - die Kunst! Das jedenfalls ist das die Botschaft der Pariser Jubiliäumsausstellung. Kaum bekannt ist, dass Dior, nach seiner Kindheit in der kleinen Normandie-Stadt Granville, von 1928 bis 1934 eine Kunstgalerie in der französischen Hauptstadt betrieb. Gemälde und Skulpturen, die der Meister einst selber ausgestellt hatte - auch sie sind jetzt in der Pariser Schau zu besichtigen. Dior hegte eine besondere Vorliebe für Antiquitäten und für Jugendstil, er sammelte und verkaufte aber auch Objekte von Zeitgenossen wie Salvador Dali oder Christian Bérard.
Die Liebe zur Kunst übte direkten Einfluss auf Diors Modeschafffen aus. "Dior hatte zunächst nicht vor, in der Modebranche zu arbeiten," erklärte Gabet. "Bis zur Gründung des Hauses Dior kam er nur nach und nach dazu. Die Kunst, die in seiner Arbeit steckt, war wirklich eine Spezialität von Dior, und sie wurde auch von seinen Nachfolgern übernommen."
Die Ausstellungsräume der Pariser Schau versammeln die Exponate nach Themen sortiert: Üppige oder blumenbedeckte Kleider stehen neben Bildern, die ihre Schöpfung beeinflusst haben könnten. Dabei fällt das "Madeleine"-Kleid besonders auf: Es scheint fast so, als sei es dem Bild "Portrait of Madame R.I." direkt entsprungen.
Auch die weltberühmte, extrem feminine Dior-Silhouette wurde von Gemälden inspiriert. "Klares Vorbild waren Silhouetten aus dem 18. und 19. Jahrhundert", erklärt Gabet. Den Abschluss der Ausstellung bildet schließlich ein Ballraum voller glitzernder Ballkleider, viele davon wurden von Filmstars getragen.
Die Nachfolger huldigten den Meister
Sichtbar wird auch, wie Diors Nachfolger nach seinem Tod im Jahr 1957 das beibehielten, was seine Schöpfungen auszeichneten. Selbst das "Enfant terrible"der Modewelt, John Galliano, der das Haus 1996 übernahm, schaffte er es, seine Punk-Mode mit der sprichwörtlichen Dior'schen Einfachkeit zu verschmelzen.
Galliano, Yves Saint-Laurent, Marc Bohan, Gianfranco Ferré, Raf Simons und Maria Grazia Chiuri sponnen Diors Lieblingsthemen fort - Kunst, Fotographie, Farben, blumengeprägtes Design oder die Faszinination mit fremden Kulturen.
Im Blumenraum fällt ein Kleid besonders auf, das Raf Simons für einen "Miss Dior"-Werbespot schuf. Mit weichen Farben und Wollmusseline-Stoff sieht es fast wie ein impressionistisches Gemälde aus.
70 Jahre später lebt Diors Tradition weiter
Warum sind der Modeschöpfer und sein Nachlass auch heute so wichtig? "Christian Diors Konzept war extrem einfach", sagt Olivier Gabet. "Manchmal werden neue Kollektionen mit aufwändigen Erklärungen vorgestellt. Dior wollte aber einfach Frauen schön machen, damit sie glücklich sein konnten. Das klingt zwar naiv. Anno 1947 war das aber etwas Neues."
Jenes einfache Ziel sowie die "New Look"-Silhouette hinterließen bei anderen Modekünstlern und französischen Modehäusern einen nachhaltigen Eindruck. Ein Raum der Ausstellung stellt Abendkleider und andere Kreationen aus, die von Modeschöpfern wie Jean-Paul Gaultier oder Pierre Cardin geschaffen wurden - auch als Huldigung an Dior.
Nach dem Gang durch 3.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche - die größte Dior-Retrospektive, die je veranstaltet wurde - wird klar, wie erfolgreich Christian Dior darin war, nicht bloß Abendkleider sondern ein ganzes Modeimperium zu schaffen. Überall zeigen Parfumflaschen, Fotos und Zeitschrift-Titelseiten, wie der Designer aus der Normandie ein umfassendes Dior-Universum geschaffen hat, das jeder sofort erkennt.
Nach 70 Jahren verkörpert Dior die "Élégance à la française" - und da "New Look" derzeit ein Comeback auf den Laufstegen feiert, wird das wohl noch lange der Fall sein."Dior, designer of dreams" (Dior, Schöpfer der Träume) wird beim Musée des Arts Décoratifs in Paris vom 5. Juli bis zum 7. Januar 2018 gezeigt.
Christian Dior forever
Der "New Look" von Mödeschöpfer Christian Dior prägte die Mode der Nachkriegsjahre und traf den Nerv der Zeit: Frauen waren voller Verlangen nach seinen üppigen Roben.
Bild: L. Hamani
Die Geburt einer Ikone
Am 12. Februar 1947 präsentierte Christian Dior seine erste Haute-Couture-Kollektion in Paris, die zum "New Look" avancierte. Auffällig waren die abgerundeten Schultern, eine eng geschnürte Taille und ein fülliger Rock in A-Form. Mit seiner klaren femininen Silhouette wurde Diors "Bar-Suit" (siehe Bild) eines der bekanntesten Outfits der späten 1940er und frühen 1950er Jahre.
Bild: L. Hamani
Alle wollen Dior tragen
Diors "New Look" war bei der wohlhabenden Modeschickeria sofort beliebt. Doch auch diejenigen mit mittleren Einkommen wollten seine Kleider. Frauen in Europa und den USA gingen zu Schneiderinnen, um Diors Kreationen nachzuahmen. Um das zu umgehen, wechselte Dior seinen Stil jedes Jahr: Seine Herbstkollektion von 1948 etwa betonte den Ausschnitt und spielte mit Stickereien.
Bild: L. Hamani
Je mehr Glamour, desto besser
Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte der neue Look die überschwängliche Mode des 19. Jahrhunderts und die französische "Belle Époque" wiederbeleben. So wurde Diors Herbstkollektion von der Römischen Mythologie inspiriert. Er verzierte Kleider mit üppigen Blütenblättern, Pailletten, Glitzersteinen und Perlen. Bis heute wird sein "Junon"-Kleid von vielen Modemachern kopiert.
Bild: L. Hamani
Die vertikale Linie
Anfang der 1950er Jahre machte Dior eine Gradwanderung. Er war durch seine USA-Reisen zunehmend begeistert von Smokings. Das Resultat: Er entwarf schnittigere und schlichtere Silhouetten für seine Frühjahrs-Kollektion 1950. Einige Charakteristika des "New Looks" blieben allerdings noch erhalten.
Bild: L. Hamani
Raffinierte Leichtigkeit
Eine neue Leichtigkeit und Schlichtheit machte Diors Kollektion 1951 aus. Zwar hatte er in diesem Jahr die strikte Betonung der Taille durch eine fließende Drappierung ersetzt, aber allein der Ausschnitt mit Kragen wurde von einem ausgeklügelten System unsichtbarer Drähte in Form gehalten.
Bild: L. Hamani
Der Silberfaden
Im Kontrast dazu war Diors Stil 1952 eher rigide. Der Widerspruch zwischen der durchgezogenen Linie und den romantischen Brokatstoffen, hervorgehoben noch durch die Verwendung von Silber- und Goldfäden, führte buchstäblich zu einer atemberaubenden Erfahrung - sowohl für die Trägerin, als auch für den Betrachter.
Bild: L. Hamani
Die Tulpenform
Wenn Dior nicht gerade in seinen Ateliers in Paris arbeitete, reiste er in seine Heimatstadt Granville, wo er seine Zeit mit Gartenarbeit verbrachte. Seine Begeisterung für die Gartenkunst führte zu den von Blumen inspirierten Kollektionen 1953. Es waren einfarbige Looks in üppigen Dimensionen, die wieder einmal den Körper befreien sollten.
Bild: L. Hamani
Dior und das "H"
"H steht für grauenhaft oder himmlisch", schrieb ein Journalist über Diors "H-Linien"-Silhouette. Die schlanke Form mit ihrem geraden, engen Schnitt wurde in die Frühjahrskollektion 1954 eingeführt. Weil jedoch viele wohlhabende Amerikanerinnen nach Paris kamen, um Dior-Kleider zu kaufen, ergänzte er das Angebot mit glamourösen Kleidern für die jungen Frauen und ihre Mütter.
Bild: L. Hamani
Der Blick nach vorne
Ein Wechsel kündigte sich bei Dior Mitte der 1950er Jahre an. Die Alltagskleidung wurde minimalistischer, angeregt wieder einmal durch die männliche Garderobe. Die Abendgarderobe kam ungezwungen daher. Dior ersetzte strenge Unter-Konstruktionen durch handgeformte Konstruktionen. Das hieß aber nicht, dass seine Kreationen an Opulenz verloren.
Bild: L. Hamani
Frisches Blut
Die Veränderung bei Dior hatte seine Ursache zweifellos in seinem neuen Assistenten, dem jungen Yves Saint Laurent, den Christian Dior 1955 angestellt hatte. Von da an driftete Dior weg von seiner "New Look"-Linie. Die Schnitte wurden kastenförmiger, ignorierten Brust, Taille oder Hüften. Wie man allerdings an diesem Kleid von 1956 sieht, war der Anspruch an Dior-Klassiker noch immer hoch.
Bild: L. Hamani
Jung, frisch und neu
Im Mai 1957 erschien Dior als erster Modedesigner auf dem Cover des "Time Magazine". Er war zu einem führenden Modeschöpfer avanciert. Nach seinem plötzlichen Tod im selben Jahr wurde Yves Saint Laurent sein Nachfolger. Obwohl er noch nicht lange bei Dior arbeitete, verlieh er dem Haus einen neuen Esprit. Die Marke Dior schaffte so den sanften Übergang in die "Swinging Sixties".