Berliner Zoologen haben es geschafft, aus eingelagerten Spermien Nördlicher Breitmaulnashörner lebende Nashorn-Embryonen zu erzeugen. Der Durchbruch nährt die Hoffnung, die ausgestorbene Art wieder zum Leben zu erwecken.
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Der letzte Bulle des Nördlichen Breitmaulnashorns namens "Sudan" war im März dieses Jahres in Kenia gestorben. Derzeit leben dort nur noch zwei Weibchen der einst in Zentral- und Ostafrika verbreiteten Unterart. Beide sind Nachkommen von Sudan, gelten allerdings als unfruchtbar. Dennoch keimt nun neue Hoffnung auf, das Aussterben der Art noch umkehren zu können.
Einem Team um den Tierarzt Thomas Hildebrandt vom Leibniz-Institut für Zoo-und Wildtierforschung (IZW) in Berlin ist es gelungen, aus eingefrorenen Spermien des Nördlichen Breitmaulnashorns und Eizellen von Südlichen Breitmaulnashörnern lebende Embryonen im Labor zu erzeugen.
Aus solchen Zellen können zwar keine reinen Nördlichen Breitmaulnashörner werden, aber die Forscher konnten erstmals zeigen, dass die Erzeugung von Nashorn-Embryonen grundsätzlich möglich ist. Der Versuch gelang den Forschern rund 20 Mal.
Sudan war eine Legende. Als "begehrtester Junggeselle" machte er in der Dating-App Tinder Schlagzeilen. Denn er war das letzte Männchen einer Nashorn-Unterart. Jetzt ist er tot und die Hoffnung auf Reproduktion sinkt.
Bild: DW/Andrew Wasike
"Last Man Standing"
"The Last Man Standing" ist tot, schreibt das Ol Pejeta Conservancy in einem Nachruf auf seiner Homepage. In dem Naturschutzgebiet in Kenia lebte der Nördliche Breitmaulnashorn-Mann Sudan die letzten Jahre seines Lebens. Die Trauer ist groß, denn mit Sudans Tod sinkt die Hoffnung, die Nashorn-Unterart vor dem Aussterben retten zu können.
Bild: DW/Andrew Wasike
Langes Nashornleben
Sudan war schon ein Nashorn-Opa. 1973 wurde er in der Wildnis Sudans geboren. Zwei Jahre später folgte die Gefangenschaft: 33 Jahre lang lebte Sudan im Dvůr Králové Zoo in der Tschechischen Republik. Im Dezember 2009 wurden er und drei weitere Nördliche Breitmaulnashörner dem Ol Pejeta Conservancy übergeben.
Bild: Reuters/T. Mukoya
Sudan hinterlässt zwei Frauen
Die Hoffnung war groß: Sudan oder Suni (das zweite Männchen aus dem Zoo, es starb im Jahr 2014) würden sich in natürlicher Umgebung vielleicht mit den Weibchen Fatu (Mitte) und Najin (links) paaren. Doch die natürliche Reproduktion wollte einfach nicht klappen. Fatu und Najin zeigten kein Interesse und Sudan wurde immer älter und schwächer.
Bild: picture-alliance/AP Photo/S. Alamba
Tochter und Enkelin
Ein weiteres Problem: Najin ist Sudans Tochter, Fatu seine Enkelin. Auch deshalb entschied man sich früh, mehr im Bereich der künstlichen Befruchtung zu forschen. Die Wissenschaft sollte einen Ausweg aus der prekären Situation finden.
Bild: DW/Andrew Wasike
Schwacher Sudan
Im Jahr 2015 mussten Tierpfleger Sudan beim Grasen helfen. Natürliche Paarung war mittlerweile fast ausgeschlossen. Doch Sudans Spermien hatte man eingefroren.
Bild: Reuters/T. Mukoya
Junggeselle auf Tinder
Im vergangenen Jahr machte Sudan Schlagzeilen: Tinder setzte sein Bild prominent in der Dating-App ein. Sie bewarben eine große Spenden-Kampagne, um Geld für die Forschung zur künstlichen Befruchtung bei Nashörnern zu sammeln. 85.000 US-Dollar kamen auf diese Weise zusammen.
Bild: picture-alliance/dpa/F. Kraufmann
"Die letzten Drei"
Erst vor wenigen Tagen wurde in New York die Statue "The Last Three" ("Die letzten Drei") der Künstler Gillie und Marc Art enthüllt. Auch sie wollten Bewusstsein für die aussichtslose Lage von Sudan, Najin und Fatu schaffen. Dass der Nashorn-Mann kurze Zeit später sterben würde, konnten sie nicht wissen.
Bild: Getty Images/AFP/T. A. Clary
Unsichere Zukunft
Forschungseinheiten wie das des Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung versuchen weiterhin, Nördliche Breitmaulnashörner zu erhalten. Und es gibt Hoffnung: In einem komplizierten Verfahren wollen die Forscher Najin und Fatu Eizellen entnehmen und die Embryos von einem Südlichen Breitmaulnashorn austragen lassen.
Die Wissenschaftler haben ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift "Nature Communications" veröffentlicht.
Nun planen sie im Herbst dieses Jahres, den noch lebenden - aber leider unfruchtbaren - Nördlichen Nashornweibchen Eizellen zu entnehmen und diese mit dem eingelagerten Sperma derselben Art zu befruchten. Danach ist der Plan, diese Eizellen zeugungsfähigen Südlichen Nashornweibchen einpflanzen. Von dieser Unterart gibt es in freier Wildbahn noch mehr als 20.000 Tiere.
Ein Problem der Forscher war, dass die eingefrorenen Spermien der männlichen Nordnashörner von eher schlechter Qualität sind. Trotzdem gelang ihnen die Befruchtung durch direktes Einspritzen in die Eizelle, diese Methode heißt im Fachjargon "Intrazytoplasmatische Spermieninjektion" (ICSI).
Unterstützt wurden die Forscher durch ein italienisches Fachunternehmen, das auf die Befruchtung von Rindern und Pferden spezialisiert ist. Diese Methode findet auch in der Humanmedizin Anwendung.
Ob die Art - selbst bei der Zeugung gesunder Nashorn Babys - langfristig zu retten ist, ist unklar. Die Spermien stammen von nur wenigen Nashornbullen. Somit wäre die genetische Vielfalt der Nördlichen Breitmaulnashorn-Nachkommen extrem gering, ihre Vitalität, Gesundheit und Überlebensfähigkeit eher schlecht.
In der freien Natur wären diese Nashörner kaum überlebensfähig, sie könnten höchstens gehegt und gepflegt in Zoos gehalten werden.
Deshalb arbeiten die Wissenschaftler parallel an Stammzelltechniken, um aus erhaltenen Nashorn-Körperzellen Spermien und Eizellen zu züchten.
Auch hier ist der Erfolg keineswegs sicher. Wie beim Klonen könnte es zu Fehlgeburten und Todesfällen kommen. Ein vergleichbarer Versuch mit der Nachzucht des 2000 ausgestorbenen Iberiensteinbocks scheiterte. Ein geborenes Jungtier starb nur wenige Minuten nach der Geburt an einer Missbildungen der Lunge.
dpa (fs/jh)
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