1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Familie liefert DNA

Klaus Deuse18. September 2015

Ein Institut an der Universität Witten/Herdecke nimmt die Besonderheiten von Familienunternehmen unter die Lupe. Studienergebnisse liefern Hilfestellung bei der Lösung von Problemen in den Unternehmen.

Logo Schild Dr. Oetker Konzern Bielefeld Deutschland
Bild: picture-alliance/dpa

Mittelständische Unternehmen gelten als die Säule der deutschen Wirtschaft. Auf ihr Konto gehen gut 45 Prozent des deutschen Gesamtumsatzes. Außerdem stehen 53 Prozent aller Beschäftigten auf der Gehaltsliste eines mittelständischen Unternehmens. Und es gibt noch ein besonderes Merkmal: In rund 90 Prozent der etwa 2,7 Millionen Unternehmen haben Familien als Eigentümer das Sagen. Dennoch spielten Familienunternehmen in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung lange Zeit keine Rolle. In Anbetracht des wirtschaftlichen Potenzials zu Unrecht, stellt Prof. Tom Rüsen von der Uni Witten/Herdecke fest, die seit jeher auf eine enge Verzahnung von Wissenschaft und Praxis setzt. Darum fiel die Entscheidung zur Gründung eines Institutes für Familienunternehmen nicht schwer.

Man habe sich vor 18 Jahren nur einmal in der direkten Nachbarschaft umsehen müssen, erinnert sich der geschäftsführende Direktor des Institutes Tom Rüsen. “Vorwerk ist ein Riesenfamilienunternehmen in der unmittelbaren Umgebung. Dazu Aldi und Deichmann. Da haben wir gesagt, das muss man mal systematisch erforschen.“ Und zwar die Besonderheiten der Unternehmensstruktur von Familienunternehmen. Dazu gehören Aspekte wie “ Wer sitzt denn da an Eigentümerfamilie wo im Unternehmen, in einem Aufsichtsgremium? Wie sind die Anteile verteilt? Welche Rollen kommen Töchtern zu, was ist mit angeheirateten Familienmitgliedern?“ Erst wenn man untersucht habe, wie die jeweilige Unternehmerfamilie “tickt“, könne man, betont Tom Rüsen, auch die DNA des Unternehmens verstehen. Heraus kristallisiert habe sich immer wieder eine Erkenntnis: “Wenn die Familie sich gut versteht, dann ist sie die Kraftquelle des Unternehmens. Leider ist die Familie auch die größte Achillesferse.“

Instituts-Leiter Tom RüsenBild: Universität Witten/Herdecke

Praxistaugliche Untersuchungen

Nach einer Anschubfinanzierung durch die Deutsche Bank wird das Institut inzwischen von einer gemeinnützigen Trägerstiftung finanziert, hinter der 74 namhafte deutsche Unternehmerfamilien stehen. Jedes Mitglied der Stiftung verpflichtet sich, für fünf Jahre einen Beitrag von mindestens 25.000 Euro pro Jahr zu zahlen. Damit ist die Grundfinanzierung des Institutes mit vier Lehrstühlen gesichert. Die Forschungsergebnisse stellt das Institut den Unternehmen regelmäßig zur Verfügung. Und zwar in praxistauglichen Theorien, aus denen die Unternehmerfamilien jeweils ihre eigenen Schlüsse ziehen können. Ob für die Regelung der Nachfolge oder mit Blick auf neue strategische Ausrichtungen.

Die Nähe zur Praxis schätzt auch Stefan Grave von der Industrie- und Handelskammer Mittleres Ruhrgebiet, die knapp 30.000 Unternehmen vertritt. So hat die IHK zusammen mit dem Wittener Institut den "Club der Familienunternehmer" initiiert, der zweimal im Jahr zusammenkommt. “In diesem Kreis“, sagt Grave, “können sich die Teilnehmer über typische Familienthemen wie Unternehmensnachfolge oder Mitwirkung von Beiräten austauschen.“ Lösungen, weiß IHK-Vertreter Grave aus Erfahrung, gibt es für kein Familienunternehmen von der Stange. Darum sucht im Jahr über die IHK ein gutes Dutzend Unternehmer Hilfestellung bei den Wittener Wirtschaftswissenschaftlern.

Internationales Interesse

Neben den regelmäßigen Informationen für die Mitgliedsunternehmen halten die Mitarbeiter des Institutes auch Vorträge vor Unternehmerfamilien und bieten Schulungen u.a. über die Mitwirkungsmöglichkeiten von Beiräten in Familienunternehmen an. Außerdem führt man, so Prof. Rüsen, regelmäßig Befragungen durch, welche Probleme die Unternehmer bewegen. "Ich habe immer wieder die Frage gehört, wie können wir eigentlich unsere Gesellschafter auf die Gesellschafterrolle vorbereiten? Also diejenigen, die Anteile am Unternehmen erben, aber vielleicht gar nicht in die operative Rolle hineingehen.“ Folgerichtig hat das Institut dazu inzwischen eine bundesweite Studie durchgeführt. Dabei kamen die Wittener Wirtschaftswissenschaftler zu dem Ergebnis, dass es entscheidend sei, eine emotionale Bindung der Gesellschafter an das Unternehmen zu erhalten. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass sich eine kühl kalkulierende Investorenmentalität herausbilde. Für funktionierende Familienunternehmen könne es nur individuelle Lösungen geben, stellt Tom Rüsen klar. Dazu reichten weder ein betriebwirtschaftlicher, noch ein juristischer Blick allein. “Deshalb haben wir hier in Witten zusätzlich die familienpsychologische Perspektive eingeführt. Und dadurch sind wir weltweit auch tatsächlich einzigartig aufgestellt.“

Blick ins Uni-Foyer bei einem der regelmäßigen FamilienkongresseBild: Universität Witten/Herdecke

Die praxisnahen Ergebnisse haben sich mittlerweile auch international herumgesprochen. So kommen seit zwei Jahren regelmäßig Delegationen aus China nach Witten, die das Erfolgsmodell des deutschen Familienunternehmertums verstehen wollen. Das heißt, warum Unternehmen über mehrere Generationen hinweg in der Familie bleiben. “Weil die Chinesen jetzt am Ende der ersten Generation, am Anfang der zweiten Generation mit den klassischen Nachfolgefragen beschäftigt sind. Und da scheint deutsches Familienunternehmertum ein Exportschlager für chinesische Familienunternehmen zu sein.“

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen