Die Bilder von Andreas Mühe spielen mit Realität und Fiktion. Aber eine Angela Merkel im Ruhestand? Die Dresdner Schau des Kanzlerfotografen macht neugierig.
Anzeige
Merkel zwischen Realität und Fiktion
Andreas Mühe hat sowohl die Kanzlern auch auch ein Double Angela Merkels fotografisch in Szene gesetzt.
Bild: Andreas Mühe/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Im Kanzlerinnenbüro
Hier verbrachte Angela Merkel in den zurückliegenden Jahren viel Zeit. Im Kanzlerinnenbüro des Jahres 2009 dominieren Schatten, während Tageslicht den Bereich des Schreibtisches ausleuchtet. Vor der Wand stehen die Fahnen Deutschlands und Europas. Reale und inszenierte Fotos von Andreas Mühe zeigen die Staatlichen Kunstsammlungen derzeit im Dresdner Lipsiusbau.
Bild: Andreas Mühe/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Auf dem Bett
Im Bonner Kanzlerpavillon, im einstigen Zentrum der Macht, sitzt eine Frau auf dem Bett. Frisur, Haltung und Jacket passen zur scheidenden Kanzlerin Angela Merkel. Doch es ihr Double, das dem Fotografen den Rücken zuwendet.
Bild: Andreas Mühe/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Im Schwimmbad
Die Frau, die Angela Merkel sein könnte, steigt in das Schwimmbad des einstigen Kanzlerpavillons in Bonn. Die Szene ist inszeniert. Doch so könnte es in Merkels politischem Ruhestand zugehen. Nicht mehr lange, dann scheidet sie nach 16 Jahren aus dem Amt.
Bild: Andreas Mühe/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Unter der Tanne I
Schatten fallen auf die Frau, die die scheidende Kanzlerin darstellt. Andreas Mühe hat als Merkel-Double seine 70-jährige Mutter Annegret Hahn in Merkel-Posen abgelichtet. Ein Spiel mit Realität und Fiktion.
Bild: Andreas Mühe/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Unter der Tanne II
Vorbild für das Foto mit Double war dieses Bild Angela Merkels, mit dem Andreas Mühe 2008 für Aufsehen sorgte. Er fotografierte die Bundeskanzlerin unter einem Baum.
Bild: Andreas Mühe/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Auf der Terrasse
Das Merkel-Double auf der Terrasse des einstigen Kanzlerbungalows: Die Haltung, die Frisur und der allzeit präsente Blazer sind vertraute Merkmale der Politikerin Angela Merkel, die der Fotokünstler schon jetzt als "historische Figur" sieht.
Bild: Andreas Mühe/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Im Fotostudio
Wie die Ruhe selbst wirkt Angela Merkel bei dieser Aufnahme in einem Porträtstudio. Das Bild entstand 2011, ein offizielles Kanzlerbild des Fotografen Andreas Mühe. Neben Fotos mit Merkel-Double ist es jetzt in der Dresdner Schau zu sehen.
Bild: Andreas Mühe/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
7 Bilder1 | 7
Nach 16 Jahren Regierungszeit zieht Angela Merkel im Herbst aus dem Kanzleramt aus. Eine Zäsur auch für Annegret Klinker, Kuratorin an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Ihr halbes Leben lang hieß ihre Kanzlerin Merkel. Zusammen mit Marion Ackermann, der Generaldirektorin des Museums, hat Klinker im Dresdner Lipsiusbau eine Fotoausstellung mit Werken des gebürtigen Chemnitzers Andreas Mühe arrangiert, die von Merkel erzählt - auch wenn die Politikerin nicht immer höchstpersönlich im Fokus steht.
Die Kuratorin sagt denn auch: "Wir zeigen keine Angela-Merkel-Schau, sondern eine Andreas-Mühe-Ausstellung." Sie fungiert unter dem etwas kryptischen Satz: "Alles, was noch nicht gewesen ist, ist Zukunft, wenn es nicht gerade jetzt ist", ein Merkel-Zitat aus dem Jahr 2012. Damals äußerte sich die Kanzlerin zu den Aussichten für Deutschland.
Der Lichtbildhauer: Der deutsche Fotograf Andreas Mühe - euromaxx highlights
Die Mutter als Merkel-Double
Neun Jahre später steht sie vor dem Ende ihrer Regierungszeit und findet sich auf den Fotos Andreas Mühes als politische Ruheständlerin wieder. Doch nicht sie ist auf den Fotos die Hauptfigur: Der 41-jährige Fotograf hat seine Mutter als Double von Kanzlerin Merkel eingespannt, gekonnt in Szene gesetzt und im längst ausrangierten Bonner Kanzlerbungalow abgelichtet.
Anzeige
So begegnet uns die Frau, die Angela Merkel sein könnte, aber nicht ist, im einstigen Machtzentrum der Bonner Republik. An der Wirkungsstätte ihrer Kanzler-Vorgänger -Helmut Kohl wohnte am längsten dort - sitzt die Merkel-Darstellerin mal auf dem Bett, mal am Küchentisch, steht auf der Terrasse oder sinnierend unter der Tanne im Garten. Dazu gesellen sich Fotos der wirklichen Merkel, wie sie unter einer Tanne steht und das Gesicht abwendet oder auch entspannt im Stuhl sitzt - immer erkennbar an drei vertrauten Merkmalen: Haltung, Frisur, Blazer.
Merkel - "schon jetzt eine historische Figur"
Als Satire möchte der Fotokünstler seine Arbeiten nicht verstanden wissen, im Gegenteil: Andreas Mühe nennt Kanzlerin Merkel "schon jetzt eine historische Figur". Seine Fotoserie sei der Versuch, "einen Umgang zu finden mit einer Frau, die unser Land geprägt hat und dadurch wohl jeden von uns mit", so Mühe in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".
Als Merkel-Doppelgängerin fungiert die 70 Jahre alte Theaterregisseurin Annegret Hahn. Andreas Mühe ist ihr ältester Sohn, sein Vater der Theaterschauspieler Ulrich Mühe (1953-2007). Andreas Mühe arbeitet als freier Fotograf in Berlin, im Jahr 2009 hat er Bundeskanzlerin Merkel ganz offiziell fotografiert. Seine neuen Bilder zeigen eine Frau, die sich zurückgezogen hat aus dem politischen Trubel, die das Alleinsein zum Nachdenken nutzt. Auch die gestellten Bilder könnten echt sein. "Ich mag Mühes Spiel von Realität und Fiktion", sagt Kuratorin Annegret Klinker, "denn es fühlt sich sehr aufgeladen an, sehr überzeugend."
Die Kanzlerin als Kunstobjekt
Ob in Öl gebannt oder als Graffito - die verschiedenen Ansätze künstlerischer Interpretation beweisen vor allem eins: die Relevanz und Macht der Bundeskanzlerin - auch jenseits der deutschen Grenzen.
Bild: picture-alliance/NurPhoto/G. Georgiou
Im Dialog
Bulgarische Kunststudenten haben die Hauswände im Dorf Staro Zhelezare verziert - anfangs mit Porträts der Einwohner. Später kamen Politiker hinzu, die mit den Einheimischen im Dialog zu stehen scheinen, wie hier die Bundeskanzlerin. Inzwischen sind die Wände auch mit Kopien von Kunstwerken aus dem New Yorker Museum of Modern Art bemalt.
Bild: picture-alliance/NurPhoto/H. Rusev
Politische Street Art
Kunst beginnt auf der Straße: In der Tradition der Murales - südamerikanischer Wandgemälde mit politischer Aussage - hat der italienische Street-Art-Künstler Jupiterfab Angela Merkel auf Tuchfühlung mit dem ehemaligen griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras auf einer Hauswand in Athen abgebildet.
Bild: picture-alliance/NurPhoto/G. Georgiou
Satirische Ölgemälde
Politische Kunst kann auch im Museum hängen: Hier sitzt der frühere französische Präsident Nicolas Sarkozy mit einem Napoleonshut bekleidet auf dem mütterlichen Schoß der nackten Angela Merkel. Der britische Künstler und Satiriker Kaya Mar setzt bei seinen Motiven bevorzugt auf Politikerinnen und Politiker; auch Theresa May, Donald Trump oder den Papst hat er in kritischen Kontexten dargestellt.
Bild: picture-alliance/Photoshot/B. Strenske
Humanitäre Heldin
"Wir kennen viele Bilder von ihr, in denen sie eher nichtssagend und kalt aussieht, aber ich wollte darüber hinausgehen und ihre humanitäre Haltung darstellen", so der nordirische Künstler Colin Davidson 2015 über sein Merkel-Porträt, das später das Time-Cover zierte. Zur "person of the year" wurde Merkel unter anderem wegen ihrer humanitären Haltung in der Flüchtlingskrise auserkoren.
Bild: picture-alliance/AP Photo/Time Magazine
Pop-Ikone
US-Künstlerin Elizabeth Peyton malte 2017 ein Porträt der deutschen Kanzlerin für die Modezeitschrift "Vogue". In ihrer stilisierten Darstellung lässt sie die Politikerin aussehen wie ein junges Mädchen. Peyton malt kleinformatige Porträts von Popstars, historischen und zeitgenössischen Persönlichkeiten europäischer Monarchien, üblicherweise mit heller Haut und feinen Gesichtszügen.
Bild: Elizabeth Peyton
Teil der Bundeskunstsammlung
Kunst, die uns allen gehört: Das repräsentiert die Bundeskunstsammlung, die seit 1970 deutsche Nachkriegskunst sammelt. Themen wie kulturelle Aneignung, Machtsymbolik oder auch Fragen nach der nationalen Zugehörigkeit finden sich hier wieder. Diese Zeichnung von Angela Merkel mit rotem Mund und kritischem Blick stammt vom niederländischen Maler Erik van Lieshout.
Bild: Erik van Lieshout
Der Maler und das Model
Nicht nur namhafte Künstler, auch Laien haben sich natürlich an Angela Merkel versucht. Einer der prominentesten: George W. Bush. Der ehemalige US-Präsident verewigte insgesamt 30 Regierungschefs in Gemälden - darunter auch Angela Merkel.
Bild: picture-alliance/dpa/L. W. Smith
Eine von vielen
Auch in Form von Skulpturen gibt es von der Kanzlerin so einiges, darunter Umstrittenes wie die Skulptur "European Citizenship" von Alexander Nikolic und Michael Kalivoda, die Merkel beim Verrichten der Notdurft zeigt. Ebenfalls provokant: die nackten "Global Players" von Peter Lenk mit nackter Merkel. Vergleichsweise brav: Georg Korners Installation "Transit" mit Merkel als eine von 2600 Figuren.
Bild: Courtesy Georg Korner
Die Bürde des Amtes
Die Fotografin Herlinde Koelbl hat die Kanzlerin in ihrer Serie "Spuren der Macht" verewigt - wie auch zuvor Gerhard Schröder und Joschka Fischer. Die Langzeitstudie untersucht die "Verwandlung des Menschen durch das Amt": Von 1991 bis 1998 fotografierte und interviewte sie 15 Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft.
Bild: Herlinde Koelbl
Postergirl für Hipster
Der israelische Illustrator Amit Shimoni inszeniert in seiner Bildreihe "Hipstory" die Mächtigen und Einflussreichen als jugendliche Hipster. Da trägt Trump ein Hawaiihemd und Obama Dreadlocks. Und Angela Merkel? Schwarz-roten Lippenstift, einen lässigen Hut, Mantel und ein Nasenpiercing.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler
Ein Fest für Karikaturisten
Es sind wohl ein paar Sorgenfalten mehr geworden, die Karikaturisten aus aller Welt der Kanzlerin rund um Augen und Mund verpasst haben. Die schiere Masse an Verballhornung, die ihr Zeichner auf der ganzen Welt zuteil werden lassen, beweist die Bedeutung Angela Merkels. Immerhin belegte sie jahrelang den ersten Platz auf der Liste der 100 mächtigsten Frauen der Welt.