Fotografien mit Tiefgang: Die Düsseldorferin Ursula Schulz-Dornburg stellt im Berliner Aedes Architekturforum aus. Titel: "Verschwundene Landschaften".
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Fotos "verschwundener Landschaften"
Ursula Schulz-Dornburg fotografierte auf ihren Reisen die Schönheit untergehender Kulturlandschaften. Nun stellt sie im Berliner Aedes Forum aus.
Bild: Ursula Schulz-Dornburg
Vor der Austrocknung
"Garten Eden" nannten die Menschen im Irak das fruchtbare Gebiet am Ufer des Schatt al-Arab, dem Zusammenfluss von Euphrat und Tigris. Hier lebten die Marsch-Araber, auch Maʿdan genannt. Sie gingen dem Fischfang nach und betrieben Reis- und Melonenanbau. Schulz-Dornburg fotografierte den Landstrich 1980, kurz vor der von Diktator Saddam Hussein angeordneten Trockenlegung.
Bild: Ursula Schulz-Dornburg
Aufstand der Marsch-Araber
Ihre Häuser bauten die Marsch-Araber aus Schilf, ebenso ihre Boote. Unter Staatschef Saddam Hussein wurden sie wegen ihres schiitischen Glaubens verfolgt. Im ersten Golfkrieg noch als Kämpfer umworben, erhoben sich die Marsch-Araber 1991 gegen das Regime Saddams, doch die erhoffte Schützenhilfe durch die USA blieb aus. Darauf schlugen irakische Truppen den Aufstand brutal nieder.
Bild: Ursula Schulz-Dornburg
Erinnerung an altes Kulturvolk
Um das Rückzugsgebiet von schiitischen Rebellen zu zerstören, ließ Saddam die Sümpfe und Flussarme im Siedlungsgebiet der Marsch-Araber systematisch trockenlegen. Die Bewohner wurden hingerichtet oder vetrieben, Flora und Fauna über weite Strecken vernichtet. Die Fotos von Ursula Schulz-Dornburg halten die Erinnerung an eines der ältesten Kulturvölker wach.
Bild: Ursula Schulz-Dornburg
Leben im Reisspeicher
Zur Architektur des Toraja-Volkes auf der Insel Sulawesi gehörten solche Reisspeicher mit ausladenden Dächern, unter denen die Ernte gelagert wurde. Mitglieder der Dorfgemeinschaft trafen sich hier, um zu reden. Die "Lumbung", wie die Indonesier solche Pfahlbauten nennen, hat Ursula Schulz-Dornburg bereits 1983 fotografiert. Nun werden sie auch Thema der nächsten Documenta in Kassel.
Bild: Ursula Schulz-Dornburg
Lumbung als Wertesystem
Nach indonesischer Lesart steht Lumbung für Gemeinschaftsleben, getragen vom Geist der Zusammenarbeit. Die Macher der Documenta 15, die Künstlergruppe Ruangrupa, wirbt für Lumbung als Wertesystem, das kapitalistische Produktionsweisen in Frage stellt. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Ursula Schulz-Dornburg bewegen sich an der Grenze zwischen Reportage- und Dokumentarfotografie.
Bild: Ursula Schulz-Dornburg
Gegen das Vergessen
Bewohner eines Dorfes sitzen zu Füßen eines Lumbungs. Auch dieses Bild belegt die Funktion des Reisspeichers als kommunikativem Ort. Die Spurensuche der inzwischen 83-jährigeb Ursula Schulz-Dornburg gilt den "verschwundenen Landschaften" verschiedener Kulturen, die die auf ihren Reisen kennengelernt hat. Ihre Ausbeute: Fotos gegen das Vergessen.
Bild: Ursula Schulz-Dornburg
Orte der Stille
Auf einsame Landschaften und archaische Orte hat es die Fotografin abgesehen. Fündig wurde sie etwa an der georgisch-aserbaidschanischen Grenze, wo sie die Felsenhöhlen syrischer Mönche erkundete, die hier vor Jahrhunderten von verfolgten Christen in die schroffen Gebirgswände gehauen wurden. Ursula Schulz-Dornburg, Tochter eines Architekten, fotografiert zumeist in Schwarz-Weiß.
Bild: Ursula Schulz-Dornburg
Stelen in der Wüste
Reiseziel von Ursula Schulz-Dornburg war auch der Jemen. Heute ist das arabische Land ein Schlachtfeld im Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und Iran - und weitgehend verwüstet. Auf ihrer Expedition von Sanaa nach Mar’ib im Jahr 1987 begegnete die Düsseldorfer Fotografin karger Natur und Zeugnissen vergangener Kulturen, so auch dieser Anlage steinerner Stelen in der Wüste.
Bild: Ursula Schulz-Dornburg
Bedrohte Altstadt von Sanaa
Ausgang der Reise war Sanaa, das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Jemen. Die Stadt residiert 2200 Meter über dem Meeresspiegel, am Fuß des für seine Eisengruben berühmten Bergs Nokum, unweit des Roten Meeres. Durch ein Fenster erhascht Schulz-Dornburgs Kamera einen Blick auf die historische Altstadt mit ihren einzigartigen Turmhäusern, heute bedrohtes Welterbe.
Bild: Ursula Schulz-Dornburg
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Mächtige Säulen tragen das ausladende Holzschindeldach des Pfahlbaus, in dem die Ernte des Dorfes lagert. Zwei Frauen sitzen mit ihren Kindern in einem Lumbung: einem Reisspeicher, wie es sie überall im ländlichen Indonesien gab und bisweilen auch noch gibt. Ein traditionell sozialer Ort, den die Macher der nächsten Kunst-Documenta in Kassel zum Sinnbild für die globale Vernetzung unserer Tage kürten. Ursula Schulz-Dornburg hat den Lumbung schon vor 40 Jahren auf die Platte gebannt. Und nicht nur ihn.
Die Düsseldorfer Fotografin ist viel herumgekommen. Ihre Aufnahmen, von denen das Aedes Architekturforum jetzt eine Auswahl zeigt, sind eine Mischung aus Reportage- und Dokumentarfotografie ihrer Reisen rund um die Welt.
Keine Unbekannte
Manches war schon anderswo ausgestellt, im Frankfurter Städel etwa oder im Kölner Museum Ludwig. Und Ursula Schulz-Dornburg hat viele Fotobücher veröffentlicht. Die Feuilletons hatten Grund, sie zu feiern. In der Szene ist die mittlerweile 83-Jährige keine Unbekannte.
Die fotografische Ausbeute ihrer Reisen hat Ursula Schulz-Dornburg nun in fünf Werkgruppen sortiert. Was alle Bilder gemeinsam haben: Sie handeln von Orten, die es heute nicht mehr gibt. Da sind etwa die Marschlandschaften am Unterlauf des Tigris, die Ursula Schulz-Dornburg im Jahr 1980 fotografiert hat, bevor sie den Staudammbauten in der Türkei wie im Irak zum Opfer fielen. Fotos zeigen die Felsenhöhlen syrischer Mönche an der georgisch-aserbaidschanischen Grenze oder dokumentieren unbekannte Landstriche im Jemen. Und nicht zu vergessen: Schulz-Dornburgs Momentaufnahmen aus Indonesien.
Rückkehr ins verlorene Paradies
12:08
Die Ausstellung ist vom 17. Juli bis zum 9. September im Aedes Architecture Forum in Berlin zu sehen.