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Schmeken: "Meine Ausstellung ist ein Gedenken"

Gero Schließ
11. Juli 2018

Kurz nach dem Urteil im NSU-Prozess zeigt die Schau "Blutiger Boden" in München Regina Schmekens beklemmende Bilder von den NSU-Tatorten. Der DW erzählte die Fotografin, wie sie durch ihre Arbeit den Opfern näher kam.

Deutschland Ausstellung NSU-Tatorte in Berlin
Bild: Regina Schmeken, 2015

Insgesamt zehn Morde werden dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) zur Last gelegt - vor allem türkischstämmige Mitbürger fielen dem rechten Terror zum Opfer. Der fünfjährige Prozess gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe versuchte, Licht ins Dunkel zu bringen. Am Mittwoch, 11.7.2018, wurde sie des zehnfachen Mordes schuldig gesprochen. Die 43-Jährige muss lebenslang in Haft. 

Jahrelang beschäftigen die NSU-Morde die Gerichte. Im Frühjahr 2013 begann die bekannte Bildjournalistin und Fotokünstlerin Regina Schmeken, die einstigen Tatorte zu fotografieren. Entstanden ist der Bildband "Blutiger Boden. Die Tatorte der NSU". Die Schwarz-Weiß Fotos waren 2017 im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen, nun sind sie ab dem 17. Juli Gegenstand einer Ausstellung in der Rathausgalerie Kunsthalle in München. Wir haben mit der Fotografin 2017 anlässlich der Ausstellungseröffnung in Berlin gesprochen.

Deutsche Welle: Frau Schmeken, der NSU Prozess ist zur Zeit wieder sehr präsent in den Medien. Wie nehmen Sie das wahr, zumal Sie ja an den Tatorten waren. Ist das Ende des Prozesses eine Art Erlösung – gerade auch für die Opfer?

Regina Schmeken: Das ist eine schwierige Frage. Die Ausstellung ist ja wie eine Inszenierung. Jeder Tatort bekommt ein Triptychon, und den Abschluss bildet die Tür zum Gericht. Diese Tür, die eigentlich sehr schäbig aussieht, ist eine starke Metapher. Die Angeklagte ist durch diese Tür gegangen. Und alle warten darauf, dass sich da jetzt etwas öffnet. Die Frage ist: Kriegen wir jetzt einen Blick auf die Wahrheit?

Die Bildjournalistin und Fotokünstlerin Regina Schmeken gilt als Chronistin der deutschen GegenwartBild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Die Opfer waren ja alles Leute, die ein sehr positives Verhältnis zu Deutschland hatten. Wenn man durch die Ausstellung geht, sieht man, das waren ganz normale Orte. Warum wurden an diesen Orten gerade diese Menschen ermordet? Diese Willkür belastet die Familien der Opfer stark. Sie wünschen sich endlich diese Erlösung, von der Sie sprechen. Sie wollen, dass endlich Licht ins Dunkel kommt.

Was hat Sie damals an die Tatorten geführt?

Ursprünglich was das ein Auftrag der Süddeutschen Zeitung. Die Kollegin Annette Ramelsberger sagte mir, ich solle vor Beginn des Prozesses alle Tatorte bereisen und sie fotografieren. Mir war gleich klar, dass das wichtig ist. Und dann fand ich das alles so ungeheuerlich, dass ich es zu meinem eigenen Projekt gemacht habe.

Das war ein Risiko. Ich dachte, hoffentlich führt das jetzt nicht zu Kitsch oder zu einem falschen Pathos. Ich hatte ja keinen Kontakt zu den Opfern und den Familien. Und ich hatte große Angst, dass es peinlich werden könnte. Aber da bin ich jetzt versöhnt. In Dresden war der Sohn des ersten Opfers dabei. Er sagte mir, er finde die Ausstellung gut, weil so der Vater und die anderen Opfer nicht vergessen würden. Die Ausstellung ist so etwas wie ein Gedenken geworden.

Ideologie von "Blut und Boden"

"Blutiger Boden – Die Tatorte der NSU" heißt Ihre Ausstellung ja. "Blutiger Boden" – das spielt auf die Blut- und Boden-Ideologie der Nazis an. Ist der Titel ein bewusster Hinweis auf die ideologische Nabelschnur zwischen den Tätern und der Ideologie der Nazis?

Ja, das wollte ich damit schon betonen. Und dann sind die Leute ja regelrecht hingerichtet wurden. Sie sind alle in einer Blutlache, in ihrem eigenen Blut am Boden gefunden worden. Deswegen auch die Bodensicht in meinen Fotografien.

Es ist die Sicht eines Menschen, der zu Boden gegangen ist. Es hat mich immer weiter nach unten gezogen im Laufe meiner "Ermittlungen". Ich habe das als angemessen empfunden. Und ganz klar: Das ist schon diese Ideologie, zu meinen, dass die Ausländer nicht hier hin gehören, weil sie hier nicht geboren sind und Einflüsse reinbringen, die nicht deutsch sind. Das passt leider ziemlich gut zur Ideologie von Blut und Boden.  

In Ihren Fotos von den Tatorten zeigen Sie weder Täter noch Opfer. War das eine Herausforderung oder eher eine Bedingung für das, was Sie vorhatten?

Es war eine große Herausforderung, irgendwo hinzufahren, wo nichts mehr zu sehen ist. Es war ja Jahre nach den Taten, als ich an den Tatorten dann auftauchte. Es fehlen die Menschen, die da mal waren. Es sind zwar teilweise andere Menschen eingezogen, aber da sind schon Leerstellen entstanden. Und eine Leerstelle so zu fotografieren, dass sie jemand anders interessieren könnte, ist nicht so einfach.

Wie hat Ihre Arbeit Ihre eigene Sicht auf die Verbrechen beeinflusst oder auch verändert?

Ich bin den Opferfamilien und auch den Menschen, die hier Migrationshintergrund haben, nähergekommen. Ich habe mich darauf eingelassen. Was mich besonders bedrückt: Man will ja gar nicht so genau hinschauen eigentlich. Ich fand zwar alles ganz furchtbar, was passiert ist. Aber so genau wollte ich es nicht wissen. Und jetzt musste ich mich damit sehr intensiv auseinandersetzen. In Cottbus ist vor kurzem eine ägyptische Studentin angefahren worden. Und dann haben sie ihr noch hinterher geschrien, sie wäre ja selber schuld als Migrantin, die hier nichts zu suchen hätte. Sie ist später dann gestorben. Das ist wirklich schwer zu ertragen. Die Gesellschaft darf nicht wegschauen. Sie muss gegen solche Umtriebe etwas unternehmen.

Die Ausstellung "Regina Schmeken. Blutiger Boden. Die Tatorte der NSU" ist vom 17. Juli bis zum 14. Oktober 2018 in der Rathausgalerie Kunsthalle München zu sehen. Zuvor wurde sie im Martin Gropius Bau in Berlin und im Militärhistorischen Museum in Dresden gezeigt.  

 

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