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"Früher war mehr los"

Jens Thurau25. April 2008

In der vergangenen Parlamentswoche machten zwei alte Haudegen der rot-grünen Ära von sich reden. Für Jens Thurau war das ein Anlass, die Politikstile gestern und heute zu vergleichen.

Fernschreiber Berlin
Bild: DW

Seit zweieinhalb Jahren regiert in Deutschland die Große Koalition – Ewigkeiten in der Politik. Wenn die notorisch geschwätzigen Hauptstadtkorrespondenten sich auf eines einigen können, dann auf das: Ein bisschen langweilig sind sie, die Vertreter des Kabinetts Merkel-Steinmeier. Früher war mehr los, unter Rot-Grün. Das heißt ja nicht, dass bessere Politik gemacht wurde. Aber die handelnden Personen waren lauter, frecher, witziger. Ist ja immer gut für Journalisten, so etwas.

In der vergangenen Woche war es ein bisschen so wie früher. Zwei von den Lauten und Frechen machten mal wieder Schlagzeilen – was sie für ihr Leben gern tun, aber so nie zugeben würden.

Der kugelrunde Fischer

Joschka Fischer wurde 60 Jahre alt und gab einen großen Empfang: Kugelrund und gut gelaunt nahm er die Glückwünsche der politischen Weggefährten und Gegner von einst entgegen. Sein Nachfolger als Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, gehörte ebenso dazu wie FDP-Chef Guido Westerwelle, von dem es bislang hieß, er und Fischer würden nicht einmal allein auf der berühmten einsamen Insel wissen, was sie miteinander reden sollen. Aber man wird ja älter und milder.

Fischer betonte, nichts ziehe ihn zurück in die Politik – aber er lobte seine grüne Partei für ihre Annäherung an die CDU, mit der sie in Hamburg erstmals koalieren wird demnächst. Das gab sofort ein paar Eilmeldungen – fast wie damals, als Fischer noch wichtig war.

Der felsenfeste Otto

Damals – 1998. Da kam das rot-grüne Bündnis zustande, und Fischer soll bei der Vereidigung dem SPD-Innenminister Schily zugeraunt haben: "Otto, kneif mich mal, ich kann es immer nicht glauben, wir regieren wirklich!"

Dieser Otto wurde dann ein felsenfester Verteidiger von Recht und Ordnung, wie er konservativer nicht sein konnte. Jetzt muss Schily ein Bußgeld zahlen, 22.000 Euro, weil er sich weigert, im Internet genau aufzulisten, von wem und wieviel er als Anwalt nebenbei verdient. Das Gesetz über den gläsernen Abgeordneten, dass auch Schily zur Offenlegung zwingt, hat zwar sogar das Bundesverfassungsgericht für rechtens erklärt, aber das ist Schily egal.

Eitelkeit schlägt Recht

Das haben sie gemeinsam, Fischer und Schily: Wenn sie etwas für richtig halten, dann ist es richtig, egal, was der Rest der Welt sagt – oder das höchste deutsche Gericht. Schily legt jetzt Berufung ein, auch wenn sie aussichtslos ist. Fischer geht auf Empfänge und mischt sich dabei ganz nebenbei ein die aktuelle Politik – und freut sich heimlich über die Reaktionen. Das ist es, was den jetzigen Regierenden fehlt – diese Übermaß an Eitelkeit. Deutschland wird jetzt sachlicher regiert – aber früher hat es mehr Spaß gemacht.