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PolitikIndien

Früherer indischer Premier Manmohan Singh ist tot

Aditya Sharma
27. Dezember 2024

Er hatte den Wandel Indiens vom Sozialismus zur Marktwirtschaft eingeleitet. Nun ist Manmohan Singh im Alter von 92 Jahren gestorben.

Indien: Manmohan Singh im Jahr 2004 (Nahaufnahme)
Der frühere indische Ministerpräsident Manmohan Singh verstarb mit 92 JahrenBild: Harish Tyagi/EPA/picture alliance

Der frühere indische Ministerpräsident Manmohan Singh ist tot. Indien trauere um einen "seiner bedeutendsten Anführer", schrieb Premierminister Narendra Modi, der 2014 auf Singh als Regierungschef gefolgt war, auf der Plattform X. Singh wurde 92 Jahre alt und litt unter altersbedingten Krankheiten.

Singhs Karriere an wichtigen Schaltstellen der indischen Politik umspannt vier Jahrzehnte: Er war Zentralbankchef, Finanzminister und schließlich Ministerpräsident. Geboren wurde er 1932 in einem Dorf namens Gah im heutigen Pakistan. Noch vor der Teilung Britisch-Indiens 1947 zogen er und seine Familie nach Amritsar auf die indische Seite der späteren Grenze.

Nach dem Wirtschaftsstudium an den Universitäten Cambridge und Oxford, welches er mit dem Doktortitel abschloss, arbeitete er zunächst als Universitätsdozent im Ausland und später bei der UN-Handelsorganisation UNCTAD. 1969 kehrte nach Indien zurück und arbeitete auf verschiedenen Regierungsposten als angesehener Wirtschaftsexperte, zunächst als Chefberater für Wirtschaftspolitik, dann als Gouverneur der indischen Zentralbank (RBI) sowie als Berater der Ministerpräsidenten.

Vom Beamten zum Politiker: 1991 als Zäsur

Das Jahr 1991 markierte den Wechsel Singhs vom Karrierebeamten zum Politiker. Damals befand sich Indien in seiner bislang schwersten Wirtschaftskrise. Seine Devisenreserven reichten nur noch für wenige Wochen, um Importe zu bezahlen, und das Land stand vor dem Staatsbankrott.

Unter Singh blühte Indiens Wirtschaft auf (Symbolbild von 2023 in Hyderabad) Bild: Mahesh Kumar A./AP Photo/picture alliance

Ministerpräsident Narasima Rao, gerade ins Amt gewählt, ernannte Singh zum Finanzminister und Retter in der Not. Nach einem Monat präsentierte Singh seinen ersten Haushaltsentwurf und hielt eine Parlamentsrede, die zum Fanal für die Abkehr Indiens von Sozialismus und Protektionismus und die Öffnung für marktwirtschaftliche Liberalisierung wurde. 

Singhs Reformen führten nicht nur zur Bewältigung der Wirtschaftskrise, sondern führten in den Folgejahren zu ungekanntem Wachstum, dank dessen sich Millionen von Indern aus Armut befreien konnten und der Lebensstandard insgesamt angehoben wurde.

Über zehn Jahre nach seiner epochemachenden Rede befand sich Singh erneut im Zentrum der nationalen Politik. Bei der Parlamentswahl 2004 gewann die Kongresspartei, die seit den Tagen der Unabhängigkeit die indische Politik dominierte, aber seit 1989 in der Opposition saß, erneut die Mehrheit. Die aus Italien stammende Parteichefin Sonia Gandhi war eigentlich als neue Regierungschefin ausersehen, aber wegen der ausländerfeindlichen Stimmungsmache gegen sie entschied sie sich für Singh als Ministerpräsidenten. 

Manmohan Singh im Gespräch mit Indiens Premier Narendra ModiBild: Manish Swarup/AP/picture alliance

Der damalige US-Präsident Barack Obama zeigte sich in seinen Memoiren von Singh als einem Menschen von "ungewöhnlicher Weisheit und Anständigkeit" beeindruckt. Er beschreibt ihn als "uneitlen Technokraten, der sich Vertrauen erwarb, nicht indem er die Emotionen der Massen anstachelte, sondern indem er den Leuten zu einem höheren Lebensstandard verhalf und verdientermaßen als nicht korrumpierbar galt."

Im Schatten der Gandhi-Dynastie

Es gab auch kritische Stimmen. So meinten manche, Sonia Gandhi habe ihn nur deswegen zum Ministerpräsidenten gemacht, weil er politisch ein Leichtgewicht war. Tatsächlich hat Singh niemals eine Wahl gewonnen. Einmal, 1999, trat er als Kandidat der Kongresspartei an, und verlor. Von 1991 bis 2019 war Singh Mitglied des indischen Oberhauses, wo die Kongresspartei die Mehrheit stellte. Dieser Posten war jedoch nicht bedeutend genug, um politisch gegenüber Sonia Gandhi ins Gewicht zu fallen, die im Hintergrund das eigentliche Sagen in der Regierung hatte. Das wurde Singh vorgeworfen, dessen Amtszeit als Ministerpräsident von 2004 bis 2014 dauerte.

Sein Image wurde auch durch eine Serie von Korruptionsskandalen innerhalb der Kongresspartei beschädigt, obwohl Singh persönlich in keine von diesen verwickelt war. Man warf ihm aber vor, keinen Einfluss auf seine im Niedergang befindliche Partei ausgeübt zu haben.

Auf einer seiner letzten Pressekonferenzen im Amt des Ministerpräsidenten verteidigte Singh seine Leistung: "Ich denke, ich war kein schwacher Ministerpräsident … Ich bin überzeugt davon, dass die Geschichte ein günstigeres Urteil über mich fällen wird als die heutigen Medien und die Opposition im Parlament. Ich habe angesichts der politischen Zwänge das Beste, was ich tun konnte, getan."

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