Für den "Hangar 5" des stillgelegten Flughafens Berlin-Tempelhof hat Intendant Chris Dercon den Architekten Francis Kéré verpflichtet. Jetzt stellten beide den Entwurf vor: eine kreative Baustelle.
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Noch ist das Ganze eher ein Provisorium, aber damit setzt der neue Intendant der berühmten "Volksbühne" Chris Dercon einen ersten konkreten Pfeiler in die Berliner Kulturlandschaft. Dercon hatte den afrikanischen Architekt Francis Kéré (Artikelbild) mit einem Entwurf für eine temporäre Bühne auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof beauftragt. Am Montag (04.09.2017) stellten die beiden den ersten Teil dieser Bühnenarchitektur der Presse vor.
Im Hangar 5 des stillgelegten Flughafengeländes ließ Kéré eine Tribüne für 400 Zuschauer errichten. Kunstvoll gestaltet, wie ein Gesamtkunstwerk aus Holz und Stoffbahnen. "Wir stehen hier auf einer Baustelle, aber es ist doch ein guter Beginn", sagte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. Der Architekt aus Burkina Faso lebt seit 20 Jahren in Berlin. Bekannt wurde er - auch international - mit seinem Entwurf für das Operndorf des 2010 gestorbenen Regisseurs Christoph Schlingensief.
Ein Meister der Einfachheit - der Architekt Francis Kéré
Für den verstorbenen Theatermann Christoph Schlingensief hat Francis Kéré ein Operndorf in seiner Heimat Burkina Faso gebaut. Seine Entwürfe bestechen mit Einfachheit und großer kultureller Tiefe.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Balk
Meister der Einfachheit
Mit seiner nachhaltigen Bauweise gilt Kéré als einer der wichtigsten Vertreter einer sozialen Architektur. In seiner Heimat hat er Schulen gebaut, ein Krankenhaus und das Operndorf des 2010 gestorbenen Regisseurs Christoph Schlingensief. Seine Entwürfe bestechen durch Einfachheit und große kultureller Tiefe.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Balk
Erstlingswerk
Schon mit seinem ersten Werk, der Grundschule in seinem Heimatort Gando, gewann Kéré 2004 den renommierten "Aga Khan Award for Architecture". Die gepressten Erdblöcke absorbieren die Hitze und senken die Raumtemperatur. Ein großes, überhängendes Dach, das auf einer Konstruktion aus Stahlstäben und Betonbalken ruht, spendet Schatten und lässt die Luft zwischen Dach und Raumdecken zirkulieren.
Bild: Gran Horizonte Media/D. Schwartz
Das Lycée Schorge
Auch das "Lycée Schorge", eine weiterführende Schule in Burkina Faso, folgt Kérés Idee vom ökologischen Bauen. Er setzt dabei auf ländertypische Materialen und Techniken. Er beschäftigt heimische Arbeiter mit einfachen Werkzeugen. So verwurzelt er seine Bauten in der vorherrschenden Kultur. 350 Schüler drücken im Lycée Schorge die Schulbank.
Bild: Gran Horizonte Media/D. Schwartz
Ein sichtbares Zeichen
Bildung ist in Burkina Faso, einem der ärmsten Länder der Welt, ein teures Gut. Analphabetismus ist weit verbreitet. Auch deshalb hat Kérés Schulneubau des Lycée Schorge in Burkina Faso ein weithin sichtbares Zeichen gesetzt.
Bild: Gran Horizonte Media/D. Schwartz
Deutsch-afrikanisches Wissen
Noch eine Ansicht des Lycée Schorge. Schulkinder verbringen die Unterrichtspause im sonnenbeschienenen Hof, den ein zum Halbkreis geschwungener Gebäuderiegel bildet. Erkennbar auch hier: das schattenspendende, vorgestreckte Dach. Die Konstruktion verbindet deutsche Ingenieurskunst mit afrikanischer Handwerkstechnik. Kéré hat in Berlin Architektur studiert.
Bild: Gran Horizonte Media/D. Schwartz
Erweiterungsbau
Erst kürzlich erhielt Francis Kérés Schule in Gando einen Erweiterungsbau. Auch dieses Gebäude begegnet der afrikanischen Hitze mit einer luftigen Dachtechnik. Heute betreut der Architekt Projekte auf der ganzen Welt - von Burkina Faso bis Indien. Auch in Europa ist Kéré zunehmend gefragt. In Berlin soll er einen Flugzeughangar in ein mobiles Theater umbauen.
Bild: Gran Horizonte Media/D. Schwartz
Kérés dritter Weg
Francis Kéré versucht einen "dritten Weg" auf dem Feld der Architektur - aus den kulturellen Prägungen seines Geburtslandes Burkina Faso und seinen Studienerfahrungen an der TU Berlin. Die Münchener Ausstellung "Radically Simple" würdigt den 52-Jährigen denn auch als "außergewöhnliches Talent" unter den Architekten der Gegenwart.
Bild: Gran Horizonte Media/D. Schwartz
Operndorf Afrika
Das Projekt "Operndorf Afrika" war dem Aktionskünstler und Regisseur Christoph Schlingensief eine Herzensangelegenheit, bevor er 2010 einem Krebsleiden erlag. Kéré baute das interkulturelle Zentrum unweit von Ouagadougou, der Hauptstadt des westafrikanischen Burkina Faso. Unser Bild zeigt die Krankenstation.
Bild: Gran Horizonte Media/D. Schwartz
Der Architekturtempel
Das Architekturmuseum der Technischen Universität München hat ihr Domizil in der Pinakothek der Moderne - krasser könnte der architektonische Gegensatz zu Francis Kérés Entwürfen kaum sein. Der Afrikaner gilt als Meister der Einfachheit. Die Ausstellung "Radically Simple" dauert noch bis 26. Februar 2017.
Bild: Neue Pinakothek
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Neuanfang für etablierte "Volksbühne"
Als "flexibel und radikal einfach" bezeichnete Intendant Dercon die Arbeit von Francis Kéré. Das neu in "Volksbühne Berlin" umbenannte Theater soll sich mit dieser Satelliten-Spielstätte, wie Dercon sie nennt, der Stadt weiter öffnen. Unter seiner Leitung soll die Volksbühne jedes Jahr im Herbst und langfristig vielleicht auch im Sommer Theater- und Tanzstücke in diesem mobilen Theater zeigen, quasi als Satellit der Bühnen am Rosa-Luxemburg-Platz. Derzeit fehle aber noch das Geld für die endgültige Fertigstellung, so Chris Dercon gegenüber dpa.
Premiere feiert der neue Theaterraum im Hangar 5 am 14. September 2017 mit der Uraufführung des Tanzstückes "A Dancer´s Day" des Choreographen Boris Charmatz. Der Franzose eröffnet mit seinem Tanzspektakel "Fous de Danse" auch offiziell die erste Spielzeit von Chris Dercon in Berlin. Premiere ist am 10. September 2017. Der Belgische Museums- Und Kunstexperte ist Nachfolger des langjährigen Volksbühne-Intendanten Frank Castorf. Sein Berufung ist in Berlin bis heute umstritten. Gegen geplante Entlassungen gibt es bereits eine Petition, die heute Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) übergeben wurde.