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TerrorismusDeutschland

Franco A.: Soldat unter Terrorverdacht

Andrea Grunau | Ben Knight
23. Februar 2022

Spannung im Prozess: Gegen Franco A., der ein Doppelleben als angeblicher syrischer Flüchtling führte und Terroranschläge geplant haben soll, könnte es neue Beweise geben. Er wurde wegen Fluchtgefahr verhaftet.

Deutschland | Beginn Prozess Franco A.
Vor Prozessbeginn im Mai 2021 sprach der Angeklagte Franco A. mit JournalistenBild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

Es sind schwere Vorwürfe: Terrorpläne, juristisch die "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat", dazu Verstöße gegen das Kriegswaffenkontroll-, Waffen- und Sprengstoffgesetz, Diebstahl, Betrug. Unter dieser Anklage steht der Bundeswehrsoldat Franco A. seit Mai 2021 vor Gericht, an diesem Donnerstag soll dazu ein Zeuge vernommen werden.

Franco A. soll Anschläge auf Politiker und andere Personen geplant haben, die er für "flüchtlingsfreundlich" hielt. Die Ankläger sind überzeugt: Er handelte aus völkisch-nationalistischer Gesinnung, baute sich eine Scheinidentität als syrischer Flüchtling auf, um die Anschläge Asylbewerbern anzulasten.

Spezialeinsatzkräfte der Polizei brachten den Terrorverdächtigen Franco A. zur Vorführung beim HaftrichterBild: Boris Roessler/dpa/picture alliance

Der 33-Jährige war bisher auf freiem Fuß. Mitte Februar aber hat ihn ein Spezialeinsatzkommando der Polizei verhaftet, das teilte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit. Er befindet sich in Untersuchungshaft. Bei einer Personenkontrolle seien "Gegenstände" gefunden worden, die als Beweismittel dienen könnten. Wie Zeit Online berichtete, handelte es sich um Aufzeichnungen, Handys und Nazi-Devotionalien wie eine Armbinde mit Hakenkreuz. Medienberichten zufolge leistete der Terrorverdächtige Widerstand gegen die Beamten.

Flucht- und Verdunkelungsgefahr

Franco A. ist offiziell immer noch Angehöriger der Bundeswehr, seit Beginn der Ermittlungen gegen ihn aber nicht mehr im Dienst. Uniform darf er nicht mehr tragen, die Hälfte seines Gehalts wird einbehalten. Vor seiner Verhaftung musste er sich regelmäßig melden. Derzeit gehen die Behörden davon aus, dass bei ihm Fluchtgefahr besteht.

Franco A. war 2017 schon sieben Monate in Untersuchungshaft, bis der Bundesgerichtshof seine Freilassung anordnete. Die Richter sahen damals einen Anfangsverdacht, aber "keinen dringenden Tatverdacht", dass er eine Straftat gegen den Staat verüben würde. Er hatte zugegeben, illegal mehrere Waffen besessen zu haben, weist aber - auch im Prozess - die Vorwürfe zurück, er habe einen Terroranschlag geplant. Sein Fall löste Untersuchungen zu Netzwerken von Rechtsextremisten in der deutschen Armee aus.

Rechtsextremismus in der Bundeswehr

04:13

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Doppelleben: Flüchtlingsunterkunft und Kaserne

Österreichische Behörden fassten den deutschen Berufssoldaten Franco A. Anfang Februar 2017, als er am Flughafen Wien eine Pistole abholen wollte, die er auf einer Toilette versteckt hatte. Beim Abgleich seiner Fingerabdrücke stellte sich heraus, dass der Sohn eines Italieners und einer Deutschen aus Hessen als syrischer Asylbewerber registriert und in Bayern untergebracht war. Obwohl er kaum Arabisch sprach und Vollzeit-Dienst in einer Kaserne im Elsass zu leisten hatte, war sein Doppelleben in Deutschland offenbar nicht aufgefallen.

Die Österreicher ließen ihn frei und informierten die deutschen Behörden. Die ermittelten verdeckt gegen ihn. Der militärische Geheimdienst MAD wurde informiert. Die Ermittler fanden Hinweise auf rechtsextremes Gedankengut in Aufzeichnungen, Videos und tausenden Nachrichten in Messenger-Diensten. Am 26. April wurde Franco A. festgenommen. Wichtigster Vorwurf der Terrorverdacht: "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat".

Eine Waffe der Wehrmacht und ein Wehrmachtssoldat im Aufenthaltsraum des Jägerbataillons 291 in Illkirch (3.5.2017)Bild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass der Soldat mit der Pistole aus Wien sowie weiteren Waffen und Sprengmaterial - teils aus Bundeswehrbeständen - Anschläge plante auf "das Leben hochrangiger Politiker und Personen des öffentlichen Lebens", die er für besonders "flüchtlingsfreundlich" hielt.

Auf Listen, die man für Feindeslisten hält, fand man unter anderem die Namen des damaligen Justizministers Heiko Maas, der damaligen Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth und der Menschenrechtsaktivistin Anetta Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung. Franco A. drang in die Tiefgarage der Stiftung ein, machte Fotos und Skizzen. Kurz danach absolvierte er ein Schießtraining. Die Anklage vermutet, dass er Anschläge dem von ihm gespielten syrischen Flüchtling zuordnen wollte.

Rechtsextremer Text: Frankreich warnte, Bundeswehr ermahnte

Oberleutnant Franco A. gehörte zum Jägerbataillon 291 in der Deutsch-Französischen Brigade und war stationiert im französischen Illkirch bei Straßburg. Bevor er Berufssoldat auf Lebenszeit wurde, hatte er Ende 2013 an einer französischen Militärakademie eine Masterarbeit mit rechtsextremem Gedankengut vorgelegt, er schrieb über "Durchmischung der Rassen" und "Auflösung eines Volkes".

Die Franzosen warnten vor seiner Gesinnung, ein deutscher Historiker unterstrich ihre Einschätzung. Doch die deutschen Bundeswehr-Vorgesetzten beließen es bei einer Ermahnung, er schrieb eine neue Arbeit. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) wurde seinerzeit nicht informiert. Ein Disziplinarverfahren gegen zwei frühere Vorgesetzte wurde 2018 eingestellt.

3.5.2017: Mit vielen Journalisten reiste die damalige Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen in die Kaserne nach IllkirchBild: Reuters/V. Kessler

Die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sprach 2017 in ihrer Reaktion auf den Skandal um Franco A. von einem "falsch verstandenen Korpsgeist" in der Bundeswehr. Mit Journalisten aus Berlin besuchte sie Franco A.s Kaserne in Illkirch. Dort fand man ein gemaltes Hakenkreuz bei seiner Waffe und Erinnerungsstücke an die Wehrmacht im Nationalsozialismus.

Die Verteidigungsministerin ließ alle Kasernen durchsuchen und beschloss die Überarbeitung des sogenannten Traditionserlasses: Er soll Distanz zum Nationalsozialismus, der Wehrmacht und ihren Kriegsverbrechen wahren. Seit Frühjahr 2018 gilt: Personen aus Vorgänger-Armeen sind nur dann traditionswürdig, wenn sie für die Werte der Bundeswehr stehen.

"Extremisten haben in der Bundeswehr nichts zu suchen"

Seitdem ist die Bundeswehr immer wieder wegen des Vorwurfs von Rechtsextremismus in ihren Reihen in die Schlagzeilen geraten. Im Juli 2020 löste das Verteidigungsministerium eine ganze Kompanie der Elitetruppe "Kommando Spezialkräfte" (KSK) auf, nachdem mehrere rechtsextreme Vorfälle gemeldet worden waren. Es stellte sich auch heraus, dass in der Spezialeinheit Waffen und Munition verschwunden waren.

"Im Zuge des Falls Franco A.", teilte ein Sprecher des Militärischen Abschirmdienstes 2018 der DW mit, "verzeichnete der MAD im Sommerhalbjahr 2017 einen Anstieg des Meldeaufkommens im Phänomenbereich Rechtsextremismus". 379 neue Verdachtsfälle wurden 2017 gemeldet, sechs Personen wurden als Extremisten bewertet.

Beim MAD wie in der Bundeswehr-Führung betonte man, der Anstieg der Meldungen sei "Ausdruck gestiegener Sensibilität". Vorher waren die Meldungen zurückgegangen, wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums mitteilte: "Nach Aussetzung der Wehrpflicht (2011) halbierte sich die Zahl der Verdachtsfälle im Durchschnitt pro Jahr auf ca. 300, von denen im Durchschnitt vier bestätigt wurden." In den Vorjahren waren durchschnittlich 40 Verdachtsfälle bestätigt worden. Seit Sommer 2017 prüft der militärische Geheimdienst auch alle Bundeswehr-Bewerber.

Im Herbst 2021 sagte MAD-Chefin Martina Rosenberg bei einer Anhörung im Bundestag, aktuell würden etwa 1200 Verdachtsfälle auf Rechtsextremismus überprüft. "Extremisten haben in der Bundeswehr nichts zu suchen", betonte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht bei einem Besuch des MAD Anfang 2022.

AfD-Politiker Jan Nolte sagte 2018 der DW, er halte die Vorwürfe gegen seinen Mitarbeiter Maximilian T. für politisch motiviertBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Franco A. war mit vielen anderen vernetzt, nicht nur im KSK. Maximilian T. - Kamerad bei der Bundeswehr und Bruder seiner Lebensgefährtin - hatte eine der Listen mit den Namen von Politikern und Prominenten geschrieben.

Ermittlungen gegen ihn sorgten für politisches Aufsehen: T. arbeitete, mit Genehmigung der Bundeswehr, nebenbei für den AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Nolte, selbst ehemaliger Soldat und Mitglied im Verteidigungsausschuss. Die Ermittlungen gegen T., auch er AfD-Mitglied, wurden zwar eingestellt, nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa wurde er 2020 vom MAD als rechtsextrem eingestuft.

Eklatante Fehler beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)

Der Fall von Franco A. sorgte auch deshalb für so viel Aufsehen und Erschrecken, weil der Soldat sich als syrischer Flüchtling ausgeben konnte: Im November 2015 beantragte Franco A. beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unter dem Namen David Benjamin Asyl. Er gab an, aus der Nähe von Aleppo in Nordsyrien zu stammen.

Seine Anhörung 2016 erfolgte auf Französisch. Er hatte gesagt, er sei Christ, könne besser Französisch als Arabisch und fühle sich bedroht. Er erhielt als Kriegsflüchtling subsidiären Schutz und kassierte in Bayern Leistungen als Asylbewerber - neben seinem Vollzeitjob als Berufssoldat im 300 Kilometer entfernten Elsass.

300 Kilometer Weg zwischen der Kaserne in Illkirch und Erding in Bayern, wo der falsche Asylbewerber untergebracht war

Die BAMF-Leitung sprach im Fall Franco A. von "eklatanten Fehlern" in jedem Verfahrensabschnitt, für "bewusste Manipulationen" durch Mitarbeitende aber habe man keine Anhaltspunkte. Damals setzte das BAMF Personal anderer Behörden nach kurzer Einarbeitung ein. Der Anhörer von Franco A. soll ein Soldat gewesen sein.

Das BAMF führte Nachuntersuchungen bei 2000 Asylbewerbern aus Syrien und Afghanistan durch und gab anschließend Entwarnung für die Sicherheitsstandards. Heutzutage liest das BAMF zur Identitätsprüfung auch Handys aus. Eine elektronische Dialekterkennung soll zusätzliche Hinweise auf die Herkunft geben. Offizielle Devise: "Qualität und Sicherheit vor Geschwindigkeit."

Antisemitismus und Gewaltaufrufe

Der Beginn des Prozesses gegen Franco A. in Frankfurt am Main wurde mehrfach verschoben, weil umstritten war, ob es einen hinreichenden Tatverdacht gibt. Die Beweisführung ist nicht einfach, es gibt Dutzende relevanter Akten mit komplizierten und widersprüchlichen Informationen. Ein fester Entschluss zur Tat ist schwer zu beweisen.

"Antisemitischer Blödsinn" - der Vorsitzende Richter Christoph Koller im Prozess gegen Franco A. Bild: Thomas Lohnes/Getty Images/dpa/picture alliance

Der Angeklagte bestreitet im Prozess wortreich die Mord- und Terrorabsichten, relativierte Holocaust-Leugnungen, im Dezember entzog ihm der Richter das Wort für "antisemitischen Blödsinn". Im Prozess wurden Sprachaufnahmen von seinem Handy abgespielt. Darin sagte er zum Kampf gegen politische Feinde, so berichtet die Zeitung "nd": "Gewalt muss eine Option sein" und "Scheuen wir uns nicht zu töten".

Bei einer Verurteilung drohen Franco A. bis zu 10 Jahre Gefängnis.

Dieser Artikel wurde aktualisiert, er erschien erstmals 2018.

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