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Politik

Francois Fillon als Putins Wunschkandidat?

Roman Goncharenko
29. November 2016

Medien in Russland freuen sich über die Kandidatur Francois Fillons bei der Präsidentenwahl in Frankreich 2017. Dem Politiker wird ein enges Verhältnis zu Putin nachgesagt. DW sprach mit Experten, ob das stimmt.

Frankreich Russland  Vladimir Putin und Francois Fillon
Bild: picture alliance/AP Photo/RIA-Novosti/A. Druzhinin/Presidential Press Service

Kein Jubel und doch spürbare Freude. In Russland stößt der Sieg von Francois Fillon bei den Präsidentschaftsvorwahlen der Konservativen auf ein positives Echo. Die führende staatliche Nachrichtenagentur "Ria Nowosti" beschreibt ihn als den "am meisten prorussischen Kandidaten". Sogar die Kreml-kritische "Nowaja gaseta" meint, Russlands Präsident Wladimir Putin hätte einen "noch näher stehenden Kandidaten" in Frankreich derzeit kaum bekommen. Dmitrij Peskow, Pressesprecher des Kremlchefs, äußerte sich betont distanziert. Moskau mische sich in innenpolitische Angelegenheiten anderer Länder wie Wahlkämpfe nicht ein.

Bereits im ersten Wahlgang vor einer Woche hatte Fillon überraschend die meisten Stimmen auf sich vereinigt und seinen früheren Boss, den ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy, aus dem Rennen geworfen. Bei der Stichwahl am Sonntag triumphierte er über seinen Kontrahenten Alain Juppé. Nun wird Fillon Kandidat der oppositionellen Partei "Die Republikaner" bei der Präsidentenwahl in Frankreich im April 2017.

Kritiker der EU-Sanktionen

Die Russland-Politik dürfte für den Sieg Fillons bei den Vorwahlen kaum eine Rolle gespielt haben, doch viele Medien hoben sie hervor. Während Juppé für einen eher harten Ton gegenüber Moskau plädierte, sprach sich Fillon für Verständnis und die Einbindung Moskaus bei der Lösung globaler Probleme aus. Von Russland gehe keine Gefahr aus, sagte er in einem Interview. Die Russland-Politik des amtierenden Präsident Francois Hollande von den Sozialisten sei absurd, so Fillon. Die Sanktionen der Europäischen Union, eingeführt wegen des russischen Vorgehens in der Ukraine, seien gescheitert.

Juppé sagte in TV-Duell, als Staatspräsident würde er Putin sagen, dass er die Krim-Annexion nicht akzeptiereBild: picture-alliance/dpa/E. Feferberg

Im Frühling war Fillon einer der Abgeordneten der Nationalversammlung, die eine Aufhebung der Sanktionen in einer Resolution forderten. Während der Fernsehdebatten hat Fillon zwar nicht versprochen, die annektierte Krim als Teil Russlands anzuerkennen, sagte aber, dass auch "die Frage der Unabhängigkeit des Kosovo umstritten" gewesen sei. Den russischen Präsidenten beschrieb er als "schwierigen Gesprächspartner", mit dem er jedoch erfolgreich zusammengearbeitet habe. 

Kriegsschiffe, Autos, Trägerraketen

Experten beschreiben Fillon als "russlandfreundlich" und führen sein gutes Verhältnis zu Putin auf seine Zeit als Ministerpräsident zurück. Als Fillon zwischen 2007 und 2012 Premier war, reiste er oft nach Moskau und empfing Putin in Paris. Es war eine Zeit, als Russland und Frankreich ihre Geschäftsbeziehungen intensivierten: ob es um den Kauf von zwei Hubschrauberträgern für die russische Armee, die Modernisierung des angeschlagenen russischen Autoherstellers AvtoVAZ mit der Hilfe von Renault oder den Verkauf von russischen Trägerraketen vom Typ "Sojus" an Frankreich ging.

2011 kam Fillon nach Deutschland, um bei der Eröffnung der Gaspipeline North Stream dabei zu sein – eines Projekts, an dem auch der französische Energiekonzern Engie beteiligt ist. Vor dem NATO-Gipfel 2008 positionierte sich Fillon gegen eine Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die Allianz, um das Gleichgewicht mit Russland nicht zu stören. Nach dem russisch-georgischen Krieg noch im selben Jahr sprach er sich für einen Dialog mit Russland aus, gab jedoch zu, dass sich Moskau im Kaukasus "vielleicht etwas brutal" verhalten habe.

Besondere Wertschätzung für Putin

Auch nach seiner Zeit als Ministerpräsident blieben Fillons Kontakte nach Moskau bestehen. 2013 war der französische Politiker einer der westeuropäischen Ehrengäste des "Waldai-Klubs", einer jährlichen Expertenkonferenz, an der auch der russische Präsident teilnimmt. 

Putin hat 2013 Fillon und den ehemaligen italienischen Regierungschef Romano Prodi als Ehrengäste auf Waldai-Treffen eingeladenBild: picture-alliance/dpa

Putin und Fillon sind fast Altersgenossen, der russische Präsident ist zwei Jahr älter. Wenn es um das enge Verhältnis zwischen den beiden geht, nennt Ronja Kempin, Frankreich-Expertin bei der Berliner Stiftung Wissensschaft und Politik (SWP) zwei Beispiele. "Francois Fillon spricht vom 'cher Vladimir', dem lieben Wladimir, es ist eine sehr persönliche, sehr wertschätzende Anrede, die im politischen Alltag in Frankreich selten benutzt wird", sagte Kempin der Deutschen Welle. Außerdem habe Putin nach dem Tod von Fillons Mutter ihm einen Jahrgangswein von 1931 geschickt – dem Jahr ihrer Geburt.  Als Putin vor einigen Tagen nach Fillon gefragt wurde, nannte er den französischen Politiker beim Vornamen, Francois, und sagte, sie hätten "persönliche, sehr gute Beziehungen".    

Die Grundlage dafür seien teilweise ähnliche Ansichten, meint Ronja Kempin. Fillon habe ein "vergleichsweise konservatives Gesellschaftsbild mit einer stark religiös ausgeprägten Komponente" und wolle die Familie als "Keimzelle der Gesellschaft" stärken. Außerdem sei Fillon ein Kritiker einer multikulturellen Gesellschaft und nehme sich Russland "ein Stück weit zum Vorbild". "Und er hat eine ähnliche Vorstellung von der internationalen Politik wie Putin: Er glaubt an eine Staatenwelt, nicht so sehr an internationale Organisationen", so Kempin. 

Anerkennung der Krim-Annexion?

Thomas Gomart, Russland-Experte und Direktor des Französischen Instituts für Internationale Beziehungen (IFRI) in Paris, glaubt, dass Medien das "Prorussischsein" von Fillon überbewerten. "Ja, es gibt eine Russland-Zuneigung, aber das bedeutet nicht, dass er pro-Putin ist", sagte Gomart in einem DW-Gespräch. Fillon habe sich auch kritisch über Russland geäußert. Der Politologe erinnerte daran, dass die französische Regierung unter Fillon 2011 in Libyen militärisch interveniert ist. Putin kritisiert diesen internationalen Einsatz bis heute scharf.

Ob Fillon sich für ein Ende der Russland-Sanktionen einsetzen oder die Krim als Teil Russlands anerkennen würde, wagen die Experten nicht vorauszusagen. Das könne die neue Haltung Frankreichs sein, doch sicher sei das nicht, glaubt Ronja Kempin. Thomas Gomart bezweifelt ein solches Szenario. Er sagt, dass eine einseitige Aufhebung der Sanktionen ein Schlag gegen die gemeinsame europäische Haltung wäre. Und die Anerkennung der Krim würde der Resolution der UN-Generalversammlung widersprechen. "Es scheint mir unwahrscheinlich", so der Experte.

Berlins Schüsselrolle

De IFRI-Direktor glaubt, dass vieles von der Haltung der neuen US-Administration unter Donald Trump abhängen durfte. Noch wichtiger seien die Ansichten in Berlin. "Frankreich kann es sich nicht leisten, eine gesonderte Russland-Politik zu betreiben, ohne die Meinung in Berlin zu berücksichtigen", glaubt Gomart. "Wenn Fillon sein Wirtschaftsprogramm umsetzen möchte, ist das nur bei guten Beziehungen zu Berlin möglich." Vor diesem Hintergrund werde die Bundestagwahl im Herbst 2017 eine entscheidende Rolle spielen.           

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