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Politik

"Die Täter sind überwiegend männlich"

Friedel Taube
25. Oktober 2019

Jeder elfte Deutsche ist laut einer Studie schon einmal am Arbeitsplatz sexuell belästigt worden. Die Opfer sind meistens Frauen. Hilfsangebote existieren, sind aber oft unbekannt, sagt Bernhard Franke im DW-Interview.

Sexuelle Belaestigung am Arbeitsplatz, sexual harassment
Bild: picture-alliance/blickwinkel/mcphotos

Ein abfälliger Kommentar hier, eine intime Berührung da: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist vielfältig. Und sie kommt wohl häufiger vor, als bislang gedacht. Es sind alarmierende Zahlen, die die Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes am Freitag präsentiert hat: Laut ihrer Studie hat fast jeder elfte Deutsche in den vergangenen drei Jahren sexuelle Belästigung erlebt. Mal kommen die Täter aus dem eigenen Kollegenkreis, mal sind es Kunden oder Geschäftspartner. Die Studie "Strategien im Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz - Lösungsstrategien und Maßnahmen zur Intervention" wurde von Juni 2018 bis Mai 2019 durchgeführt. Befragt wurden 1531 Personen. Mit den tatsächlich Betroffenen - rund neun Prozent der Befragten - wurden Vertiefungsinterviews geführt, die große Missstände ans Licht brachten. Die DW sprach jetzt mit dem kommissarischen Leiter der Anti-Diskriminierungsstelle, Bernhard Franke, über die Ergebnisse.

Deutsche Welle: Herr Franke, wer sind bei sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz denn mehrheitlich die Täter und wer Opfer? Lässt sich das sagen?

Bernhard Franke: Es gibt einen erheblichen Unterschied zwischen Frauen und Männern. Der Anteil der Frauen war bei den Opfern mit 13 Prozent fast dreimal so groß wie der Anteil der Männer, der bei fünf Prozent lag. Und was die Verursacher der Belästigungen angeht: da kann man ganz klar sagen, dass die Täter überwiegend Männer waren - nämlich 82 Prozent.

Wo beginnt denn sexuelle Belästigung? Wie haben Sie das definiert?

Wir haben die Definition zu Grunde gelegt, die das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gesetzlich vorschreibt. Das verbietet sexuelle Belästigungen und definiert sie als ein unerwünschtes sexuell bestimmtes Verhalten, das bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Das klingt natürlich sehr abstrakt, das Gesetz bietet aber auch eine Reihe von Beispielen. Dazu können auch verbale Äußerungen fallen. Schon die können eine sexuelle Belästigung darstellen, zum Beispiel die Aufforderung zu sexuellen Handlungen oder anzügliche Bemerkungen. Dazu kommen natürlich körperliche Annäherungen und nonverbale Belästigung.

Welche Folgen hat diese sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz für die Betroffenen?

Die Betroffenen, insbesondere die Frauen, haben sexuelle Belästigung sehr stark als abwertend und erniedrigend erlebt. Es ging auch einher mit zum Teil starken psychischen Belastungen. Und sie empfanden die Situationen zum Teil bedrohlich. Außerdem kam die Studie zu dem Ergebnis, dass Belästigungen meistens nicht nur auf einen Fall beschränkt waren. Viele Menschen, die eine Belästigung angegeben haben, haben solche Situationen auch mehrfach erlebt.

Wie wehren sich denn die Betroffenen? Ganz konkret in der Situation, aber auch langfristig?

Die Betroffenen haben sich in der konkreten Situation sehr häufig gewehrt, indem sie natürlich erstmal das Verhalten angesprochen haben gegenüber dem Belästiger. Das haben immerhin 66 Prozent der Befragten getan. Weitere 47 Prozent haben Kollegen oder Kolleginnen angesprochen und 36 Prozent ihre Vorgesetzte. Relativ selten werden Beratungsstellen oder therapeutische Einrichtungen in Anspruch genommen - das waren nur elf Prozent der Betroffenen.

Eigentlich sind doch alle Arbeitgeber in Deutschland verpflichtet, eine betriebsinterne Beschwerdestelle für solche Fälle einzurichten. Wieso helfen denn diese betriebsinternen Beratungsstellen nicht?

Einmal ist die Frage, ob es diese Stellen wirklich, wie es das Gesetz vorschreibt, flächendeckend gibt. Darüber haben wir nicht überall Kenntnisse. Zweitens, diese Vermutung legt unsere Studie nahe, werden diese Stellen in den Betrieben nicht hinreichend transparent bekanntgemacht und man weiß einfach nicht, wo man sie finden kann. 

Bernhard Franke leitet die Antidiskriminierungsstelle des BundesBild: Ingo Heine

Die Frage an Ihre Gesprächspartner lautete, ob sie innerhalb der vergangenen drei Jahre sexuelle Belästigungen erlebt haben. Nun platzte mitten in den abgefragten Zeitraum die #metoo-Debatte, in der es um sexualisierten Machtmissbrauch geht. Konnten Sie feststellen, dass die Debatte bereits etwas zum Positiven verändert hat?

Die #metoo-Debatte ist sicher ein Meilenstein gewesen. Sie hat nämlich dazu geführt, dass überhaupt über dieses Thema in der Öffentlichkeit gesprochen wurde und dass sich Frauen, die belästigt wurden, nicht allein gefühlt haben. Sie haben gesehen, dass es auch anderen so geht. Man kann  schon sagen, dass die Debatte ein Katalysator für die Bewusstseinsbildung zum Thema sexuelle Belästigung war. Die Untersuchung haben wir aber unabhängig von der #metoo-Debatte durchgeführt. Es gehört zu unseren Aufgaben, sich mit Diskriminierung auseinanderzusetzen. Und da gehören sexuelle Belästigungen eben dazu.

Was fordern Sie von Arbeitgebern im Zusammenhang mit den Ergebnissen der Studie?

Wir haben zeitgleich mit der Studie heute eine große Informationskampagne unter dem Hashtag #betriebsklimaschutz gestartet mit Anzeigen in großen Zeitungen, insbesondere auch wirtschaftsnahen Publikationen. Wir weisen auf unser Hilfsangebot hin und darauf, dass sich Arbeitgeber informieren können, wie sie ihren Schutzpflichten nachkommen können und wie sie sexueller Belästigung vorbeugen können. Fach- und Führungskräfte müssen über sexuelle Belästigung informiert werden, und zwar so, dass man diese im Keim ersticken kann und klare Kante zeigen kann, wenn sie vorkommen. Insgesamt brauchen wir ein offensives Vorgehen der Arbeitgeber gegen dieses Thema. Wir hoffen, dass Arbeitgeber das in den Arbeitsschutz einbinden können, denn vor sexueller Belästigung muss man genauso geschützt werden wie vor anderen Gefahren am Arbeitsplatz. Wir wollen Arbeitgeber mobilisieren, dass sie das Thema offensiver und proaktiv aufgreifen.

Bernhard Franke ist kommissarischer Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Aufgabe dieser Stelle ist es, Personen vor Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft, Religion, Weltanschauung, sexueller Identität, Geschlecht, Lebensalter oder Behinderung zu schützen.

Das Interview führte Friedel Taube.

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