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PolitikFrankreich

Macron bedauert bei Rentenreform nichts

22. März 2023

Emmanuel Macron weist im TV-Interview jede Kritik zurück. Er bietet den Sozialpartnern Dialog an und will weitere Reformen voranbringen. Für Donnerstag sind bereits neue Proteste angekündigt. Bernd Riegert berichtet.

Frankreich Rentenreform Streik
Keine Alternative: Emmanuel Macron will Kurs halten, auch wenn die Mehrheit gegen ihn istBild: LUDOVIC MARIN/AFP

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will die umstrittene Rentenreform bis zum Ende des Jahres in Kraft setzen. Laut Umfragen in Frankreich lehnen bis zu 70 Prozent der Menschen aber genau diese Reform ab. Die Zustimmungsrate zur Politik von Präsident Emmanuel Macron ist so niedrig wie seit Jahren nicht mehr und liegt bei 28 Prozent.

Das beeindruckt den Präsidenten in seiner zweiten Amtszeit allerdings wenig. "Ich kann in vier Jahren nicht wiedergewählt werden. Ich schaue nicht auf die Popularitätswerte, sondern ich tue das, was für das Land nötig ist", sagte er am Mittwoch in einem live aus dem Elysee-Palast übertragenen Interview. Die Erhöhung des Rentenalters auf 64 Jahre durchzudrücken gegen die Mehrheit der Französinnen und Franzosen, "macht mir keinen Spaß, aber es musste getan werden", beteuerte der Präsident.

"Ich bedauere nichts"

Die umstrittene Rentenreform, Symbol für den Sozialstaat, war von Macrons Regierung ohne förmliche Abstimmung durchs Parlament gebracht worden. Die Regierung überstand anschließend nur mit knapper Mehrheit zwei Misstrauensvoten. In vielen Städten Frankreichs gibt es nach wie vor teilweise gewalttätige Proteste und Streiks gegen die Reform und den Präsidenten.

"Ich finde es schade, dass wir nicht in der Lage waren, alle zu überzeugen. Ich bin darüber nicht glücklich, aber ich bedauere nichts", sagte Emmanuel Macron auf mehrfache Nachfragen der Journalistin und des Journalisten, die ihn für die Fernsehsender France2 und TF1 in die Zange nehmen sollten. "Ich stehe zu unserem Vorgehen. Ich mache, was getan werden muss", so Macron. Er hätte auch wie seine Vorgängern handeln können, Reformen verschleppen und einfach die Probleme unter dem Teppich kehren können, argumentierte der Präsident.

Emmanuel Macron: "Die Leute wollen die Wahrheit nicht hören"Bild: LUDOVIC MARIN/AFP

Macron kritisiert Gewalt der Demonstrationen

Die Gewerkschaften haben bereits für diesen Donnerstag zu landesweiten Streiks und Protesten aufgerufen, weil sie die "soziale Demokratie" in Gefahr sehen. Der Präsident äußerte Verständnis für die Proteste und die Wut vieler Menschen. Das Demonstrationsrecht zu nutzen, sei völlig legitim. "Wir werden zuhören und weiter vorangehen, aber wir werden uns niemals der Gewalt beugen", sagte Emmanuel Macron mit Blick auf die gewalttätigen nächtlichen Ausschreitungen und das Abfackeln von Müllcontainern und Fahrzeugen in den vergangenen Tagen und Wochen.

"Extreme Gewalt gehört nicht zu dieser Republik." Seit Montag waren nach Ausschreitungen einige hundert Menschen vorübergehend festgenommen worden. Der Vorsitzende der französischen Menschenrechtsliga, Patrick Baudouin, kritisierte im französischer Sender France Info die "beunruhigende Situation der Demokratie" und die zunehmende Polizeigewalt. Ein Sprecher der Pariser Polizei wies die Vorwürfe, es gebe willkürliche Verhaftungen, zurück. Für Donnerstag sind 5000 Polizeikräfte im Einsatz geplant, um die Proteste der Gewerkschaften zu begleiten. Im ganzen Land werden es 12.000 sein.

Für den 23. März hat die Gewerkschaft zu Protest aufgerufen - in der Hoffnung, dass sie so groß werden wie im Mai 1968Bild: Yves Herman/REUTERS

Wie geht es weiter?

Vom Elysee-Palast aus lud Emmanuel Macron die Sozialpartner, Gewerkschaften und Unternehmerverbände ein, über weitere Reformen, höhere Mindestlöhne, eine Absenkung der Arbeitslosigkeit, mehr Arbeitsplätze in der Industrie und soziale Probleme zu sprechen. Macron kündigte außerdem eine neue Steuer auf Übergewinne in der Industrie an. Er versprach, für mehr Gerechtigkeit in der Arbeitswelt und gesundheitlich unbedenkliche Arbeitsbedingungen für ältere Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer sorgen zu wollen. Der Dialog mit den Gewerkschaften solle "in den nächsten Wochen" beginnen.

Eine Rücknahme der Rentenreform, eine Umbildung der Regierung, die Auflösung der Nationalversammlung, Neuwahlen oder ein Referendum seien nicht vorgesehen. Der Präsident sagte, er werde weitermachen wie bisher, weil "die Realität anerkannt werden müsse." Frankreich könne sich das bisherige Rentensystem auf Dauer nicht mehr leisten.

Die Alternative zur Anhebung des Rentenalters wären höhere Rentenbeiträge, niedrigere Renten oder noch höhere Steuern gewesen. "Wollen Sie das?", fragte Macron rhetorisch. "Die Leute wollen die Wahrheit nicht hören." Die linke Opposition hatte vorgeschlagen, mehr Staatsschulden aufzunehmen. Auch das, eine Rente auf Pump, lehnte Emmanuel Macron entschieden ab.

Es geht auch gegen Macron persönlich: Demonstranten legten eine Präsidenten-Puppe auf EisenbahngleiseBild: VALERY HACHE/AFP

Kritik nach dem Interview

Ob die Gewerkschaften Macrons Angebot zum Dialog annehmen werden, ist im Moment höchst fraglich. In einer ersten Reaktion erklärte der Chef der Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez, der Präsident "verachtet die Tausenden Menschen, die bisher protestiert haben." Die grüne Parlamentsabgeordnete Sandrine Rousseau kritisierte das dem Präsidenten oft unterstellte imperiale und arrogante Gehabe. Es sei unglaublich, dass Emmanuel Macron am Sonntag mit dem britischen König Karl III. im Schloss Versailles zu dinieren gedenke, während auf den Pariser Straßen die Menschen demonstrierten.

Emmanuel Macron war 2017 als Reformer und europäischer Erneuerer in den Elysee-Palast gewählt worden. Mittlerweile sind viele Menschen in Frankreich von seiner Politik enttäuscht. Allerdings wurde Macron erst im vergangenen Jahr wiedergewählt. Dadurch wurde eine Machtübernahme durch die rechtspopulistische Oppositionspolitikerin Marine Le Pen verhindert.

 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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