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Politik

Frankreich: Macron wird EU Impulse geben

8. Mai 2017

Emmanuel Macron hat gestern Abend Geschichte geschrieben. Er ist der jüngste Präsident Frankreichs und regiert nun ohne Partei hinter sich. Er wird es pragmatisch machen, meint Pascal Thibaut im DW-Interview.

Frankreich Präsidentschaftswahl 2017 | Emmanuel Macron
Bild: picture-alliance/Anadolu Agency/C. Nail

DW: Ein deutlicher Sieg für einen Newcomer. Aber die Frage muss gestellt werden: Wie viele Stimmen für Emmanuel Macron waren letztlich Anti-Le Pen-Stimmen?

Pascal Thibaut: Das ist natürlich eine der großen Herausforderungen für den Sieger. Das Ergebnis ist klar, zwei Drittel zu einem Drittel zugunsten von Emmanuel Macron, aber nicht jeder Wähler, der für Macron gestimmt hat, hat dies mit Begeisterung gemacht. Viele wollten Marine Le-Pen vermeiden und viele dieser Wähler werden sich möglicherweise ab heute in der Opposition befinden, angefangen mit den Wählern des linken Kandidaten Jean-Luc Mélenchon.

Pascal Thibaut: Macron hat als Staatspräsident eine gespaltene Gesellschaft geerbt. Hat er ein Konzept, wie er das Land wieder einen will?

Er muss natürlich liefern. Er muss nicht nur für seine Anhänger liefern, sondern auch für die linken Wähler, die ihn als einen Ultraliberalen betrachten und sehr skeptisch sind. Das heißt, er muss nicht nur liberale Reformen angehen, sondern möglicherweise auch soziale Wohltaten begehen. Das hat er am Sonntag auch gesagt: Er will dafür sorgen, dass am Ende seiner Amtszeit in fünf Jahren sich weniger Menschen von den Vorschlägen des Front National begeistern lassen.

RFI-Deutschland-Korrespondent Pascal Thibaut

Ist es von Bedeutung, dass die klassischen politischen Lager - Sozialisten und Konservative - praktisch hinweggefegt wurden?

Das ist in der Tat einmalig: dass ein Präsident gewählt wird, der keiner der etablierten und großen Parteien angehört. Das ist einerseits eine Leistung, dass er es in nur wenigen Monaten geschafft hat mit seiner Bewegung als Sieger dazustehen. Aber natürlich muss er in einem Monat irgendwie dafür sorgen, dass er mit einer Mehrheit in der Nationalversammlung regieren kann.

Eine absolute Mehrheit scheint eher unwahrscheinlich. Wahrscheinlich muss er, wie man es in Deutschland gewöhnlich kennt, eine Koalition bilden. Möglicherweise muss er das mit Kräften die aus dem linken und konservativen Lager tun. Das ist wiederum auch ein Bruch mit der Tradition der fünften Republik, in der wir stets sehr getrennte Lager hatten und in der der Präsident einem Lager angehört und die Opposition dem anderen.

Frankreich schwächelt sowohl politisch als auch ökonomisch - und das schon länger. Wie will Macron Frankreich wieder stark machen machen?

Er will verschiedene Reformen umsetzen, die Frankreichs Wettbewerbsfähigkeit wieder verbessern, zum Beispiel durch eine stärkere Flexibilität in der Arbeitswelt. Die Unternehmen sollen eine größere Flexibilität bekommen, wenn es um die Arbeitszeiten geht. Er will auch einiges vereinfachen für die kleinen Unternehmen die nicht unbedingt - vor allem was den Export angeht - Frankreichs Stärke darstellen. Im Gegensatz zu Deutschland. Was die arbeitsrechtlichen Verhältnisse angeht soll es zukünftig auch Arbeitslosengeld für diejenigen geben, die selbständig waren oder wenn man zurückgetreten ist von seinem Unternehmen. Also, es ist ein großes Bündel an Maßnahmen. Geplant ist, das alles über den Sommer zu verabschieden, damit die Maßnahmen möglichst schnell in der Wirtschaft bemerkbar machen können.

Frankreich ist ein EU-Schwergewicht. Die Wahl stand auch unter dem Eindruck der europäischen Krankheit. Rechnen sie nun mit einem spürbaren EU-Impuls aus Paris für Brüssel?

Von dem proeuropäischen Kurs von Emmanuel Macron ist zu erwarten, dass in der Tat mehr Impulse aus Frankreich kommen. Macron will, dass Frankreich zu seinen Verpflichtungen steht. Er will seine Hausaufgaben machen, um mehr an Glaubwürdigkeit zurück zu gewinnen. Aber er wird mit Sicherheit auch mit Vorschlägen und Forderungen an Brüssel, beziehungsweise Berlin, vorstellig werden. Und es gibt auch Forderungen an Deutschland nach mehr Investitionen, um die Wirtschaft anzukurbeln.Tatsache ist aber, dass Deutschland in Europa in vielen EU-Fragen doch isolierter dasteht als früher. Vielleicht muss man dafür erst die Bundestagswahl abwarten. Vielleicht ist es auch politisch leichter, EU-Reformen durchzusetzen, wenn solche Vorschläge aus Frankreich kommen und nicht aus Deutschland, um bei anderen Partnern den Eindruck einer Deutschen Dominanz zu reduzieren.

Er ist jung, liberal und hat keine Partei hinter sich. Sehr viel mehr wissen wir aber noch nicht über Emmanuel Macron. Was ist er für ein Typ? Für welchen Politikstil wird er stehen? 

Sie sagen es, er ist der jüngste französische Präsident in der neuesten Geschichte. Er steht politisch für wahrscheinlich einen ziemlich pragmatischen Kurs. Er will sich nicht links oder rechts einordnen, sondern manche seiner Vorschläge können in dem eine, aber auch in dem anderen Lager auf Zuspruch stoßen. Er bricht mit der Skepsis gegenüber Europa, die in Frankreich relativ stark verbreitet ist. Er begeistert vor allem junge Akademiker und Leute, die - sagen wir mal - Gewinner einer offenen Gesellschaft und der Globalisierung sind. Er zeigt auch mit seinem ungewöhnlichen Privatleben (er ist mit einer 25 Jahre älteren Frau verheiratet, seiner früheren Lehrerin, Anm. d. Red.), dass er auf diesem Gebiet für ein anderes Lebensmodell steht. Vielleicht ist er in der Lage - durch seine Rhetorik und seinen Optimismus - den doch sehr starken Pessimismus in der französischen Gesellschaft zu reduzieren. 

 

Pascal Thibaut ist Berlin-Korrespondent von Radio France International.

Das Gespräch führte Volker Wagener.

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