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Politik

Frankreich: Die One-Man-Show ist vorbei

Catherine Martens
23. Dezember 2018

Im neuen Jahr muss Emmanuel Macron Antworten auf die Fragen seiner Kritiker finden. Und Kritiker hat er viele. Nicht nur die Gelbwesten machen Druck, auch die Wirtschaft. Spätestens jetzt braucht Macron seine Partei.

Frankreich Gelbwestenprotest | Präsident Emmanuel Macron
Die Partei La République en Marche (LRM) hat bislang alles auf eine Karte gesetzt: Emmanuel Macron. Jetzt muss Frankreichs Präsident seine Partei stärken, um den gesellschaftlichen Unfrieden politisch zu überleben. Bild: picture-alliance/AP Photo/I. Langsdon

Mehr Empathie - das hat der Präsident verstanden. Unlängst lud er deshalb Bürgermeister aus ganz Frankreich zu sich in den Elysée-Palast ein. Eine Premiere. Lokalpolitiker treffen den französischen Präsidenten sonst höchstens auf dem schmucklosen Messegelände Porte de Versailles. Das Erdgeschoss des Elysée-Palasts bleibt üblicherweise Diplomaten vorbehalten. Doch trotz dieser versöhnlichen Geste ist die kritische Zeit von Macron nicht ausgestanden. Emmanuel Macron steht unter Druck.

Sozialer Frieden in Gefahr

Ganz gleich, ob es dem französischen Präsidenten gelingt, die Bewegung der Gelbwesten über die Feiertage weiter zu befrieden, längst haben sich die massiven Straßenproteste landesweit zu einer realpolitischen Kraft ausgewachsen - auch wenn die Zahl der Demonstranten inzwischen etwas abnimmt. "Wir haben es hier mit einer außerparlamentarischen Opposition zu tun", ordnet der Politikexperte Jérôme Sainte-Marie der Denkfabrik PollingVox die Bewegung ein. Darauf muss Macron im neuen Jahr politisch reagieren, jenseits der Zugeständnisse an Geringverdiener, die als Notfall-Paket zum Jahresende eilig geschnürt wurden. Die Gelbwesten, so Sainte-Marie, bedeuteten eine Zäsur in Macrons Präsidentschaft.

Verbarrikadierte Geschäfte statt Weihnachtsstimmung: Die Wirtschaft drängt auf eine Lösung im Konflikt mit den Gelbwesten aus Sorge um den Standort FrankreichBild: DW/C. Martens

Das Jahr 2019 wird daher das Prüfjahr für den jungen Präsidenten sein. Er muss den Franzosen zeigen, dass er das oberste Amt des Staates beherrscht. Dafür wird er handwerkliches Geschick beweisen müssen und seine von vielen als autoritär und elitär kritisierte Politik neu auflegen. Premierminister feuern und den Neuanfang verkünden? Dieser politische Kunstgriff, fest verankert in der französischen Verfassung und virtuos eingesetzt durch bislang noch jeden Amtsvorgänger, wird bei Macron nicht reichen, so die Einschätzung politisch Vertrauter. Macron bezahle jetzt, dass ihn nur 24 Prozent der Franzosen aus Überzeugung gewählt haben, so die Meinung vieler Konservativer im Pariser Politikbetrieb. 

Die Erwartungen an den politischen Quereinsteiger sind hoch. "Er wird seine politische Mehrheit ausweiten müssen, wenn er sein Mandat retten will", so Sainte-Marie im Gespräch mit der DW. Bislang vermochten die Proteste es zwar, Emmanuel Macron ordentlich einzuheizen, aus den Angeln gehoben haben sie den Präsidenten nicht. Der konnte sich bislang auf eine absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus verlassen.

Hat sich Macrons Partei verzockt?

Doch inzwischen werden Stimmen aus den eigenen Reihen laut, die ein Umdenken fordern: im Dialog mit den Bürgern, in der Sozialpolitik, im Auftreten. "Macron soll endlich aufhören, wie der Personalchef eines Start-up der Nation zu sprechen", kritisiert der Abgeordnete Patrick Vignal von der Partei La République en Marche (LRM). Jenseits des oft als arrogant kritisierten Benehmens fordern nun auch LRM-Politiker wie Vignal eine neue Sozialpolitik, die besser zu den Bürgen passt. Etwa, dass Geringverdiener keine erhöhten Sozialbeiträge zahlen müssen. Auch die Wiederbelebung der von Macron abgeschafften Reichensteuer bringen viele aus der eigenen Partei wieder ins Gespräch. Macrons Geldgeschenke beunruhigen Ökonomen, alleine durch die Aussetzung der Kraftstoffsteuer fehlen vier Milliarden Euro für den Haushalt im kommenden Jahr. Das Ziel der Regierung, das Defizit unter der erlaubten 3 Prozent Marke auf 2,8 zu drücken, ist hinfällig.

Protest der Gelbwesten: Emmanuel Macron muss seine Partei stärken, um den gesellschaftlichen Unfrieden politisch zu überlebenBild: Getty Images/AFP/Z. Abdelkafi

Dass die Gelbwesten den Präsidenten aus dem Amt jagen, halten politische Beobachter für undenkbar. Kaum eine Verfassung schützt den eigenen Präsidenten so stark, wie die Französische ihren. Das kommende Jahr bringt aus Sicht von Experten eine doppelte Herausforderung für dem Präsidenten mit: nach außen, den Franzosen zugewandt sein, aber auch nach innen hin, zur eigenen Partei. Ungemütlich könnte es werden, sollte der Rückhalt in der eigenen Partei tatsächlich bröckeln. Der Politikwissenschaftler Jérôme Sainte-Marie hält das nicht für unmöglich. So wie viele glaubt er nicht daran, dass Emmanuel Macron seinen liberalen und autoritären Stil gänzlich aufgibt. Auch um auf europäischer Ebene vor den Europawahlen kommendes Jahr nicht seine Glaubwürdigkeit als Reformer einzubüßen.

"Wenn der Druck der Straße nicht abnimmt und gleichzeitig der Unmut in der Partei wächst, kann man nicht ausschließen, dass es zu einem Misstrauensvotum kommt", sagt Sainte-Marie. Dann müsse der Präsident einen Premierminister aus der politischen Opposition holen - die sogenannte Co-Habitation. Eine in Frankreich verhasste Zweck-Regierung der letzten Mittel. Ausgerechnet der selbsterklärte Macher Macron wäre dann ohne politische Macht, und eine politisch zufriedenstellende Antwort auf die Gelbwesten damit noch schwieriger.

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