1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikFrankreich

Frankreich-Wahl: Mehr als 200 Kandidaten treten Rückzug an

3. Juli 2024

Vor der Stichwahl am Sonntag machen Kandidaten Platz für jene, die eigentlich ihre Gegner sind - um den gemeinsamen Feind zu schwächen: den rechtspopulistischen Rassemblement National.

Frankreich | Wahlen
Nein zu den Rechtspopulisten: Taktische Absprachen sollen deren Kandidaten in der Stichwahl schwächen (Archivbild)Bild: Matthieu Rondel/AFP/Getty Images

Wenige Tage vor der entscheidenden Runde der Parlamentswahl in Frankreich haben sich mindestens 214 Kandidaten zurückgezogen, um eine Machtübernahme der Rechtspopulisten zu verhindern. Das ergab eine Zählung der Nachrichtenagentur AFP nach Ablauf der Registrierungsfrist am Dienstagabend.

Wegen der hohen Wahlbeteiligung hatten sich im ersten Wahlgang am Sonntag in mehr als 300 von 577 Wahlkreisen je drei Kandidaten für die Stichwahl qualifiziert. In knapp der Hälfte lag dabei der Kandidat der rechtsnationalen Partei Rassemblement National (RN) vorn. Mit dem Rückzug eines Drittplatzierten verringern sich in der Stichwahl die Chancen der RN-Kandidaten.

Ausschließlich Direktmandate

Im Gegensatz etwa zur Bundestagswahl in Deutschland werden bei der Wahl zur französischen Nationalversammlung nur Direktmandate vergeben. Wer mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen in seinem Wahlkreis erhält, bekommt den Parlamentssitz, sofern dies mindestens einem Viertel der dort eingeschriebenen Wähler entspricht. Das war nur 76 Kandidaten im ersten Anlauf gelungen - unter anderem die RN-Spitzenpolitikerin Marine Le Pen.

"Ziele nicht zu eigen machen": Premierminister Gabriel Attal (hier bei einem Auftritt am Dienstag in Paris)Bild: Geoffroy van der Hasselt/AFP/Getty Images

In die Stichwahl am kommenden Sonntag zieht ein, wer - gerechnet nach der Zahl der Wahlberechtigten im Wahlkreis - mindestens 12,5 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte - gegebenenfalls also auch ein Drittplatzierter. Die beiden Erstplatzierten kommen in jedem Fall weiter. In der zweiten Runde gewinnt die Person mit den meisten Stimmen. Dazu reicht die relative Mehrheit - was bei drei Kandidaten auch weniger als die Hälfte der abgegebenen Stimmen sein kann.

Premierminister Gabriel Attal forderte die Franzosen dazu auf, die rechtsnationalen Kandidaten zu schwächen, indem sie gegebenenfalls für einen politischen Mitbewerber votieren, der mehr Chancen hat als der Vertreter des eigenen Lagers. Dies bedeute aber nicht, das man sich damit auch dessen Ziele zu eigen mache, sagte Attal bei einem Wahlkampfauftritt.

"Franzosen entscheiden nach ihrem Gewissen"

Die taktische Absprache soll dazu führen, dass Anhänger des Mitte-Lagers von Präsident Emmanuel Macron für Bewerber des Linksbündnisses stimmen und umgekehrt - sofern sich der eigentlich bevorzugte Kandidat aus dem Rennen zurückgezogen hat. Ein ungenannter Berater Macrons sagte AFP, am Ende entschieden die Franzosen nach ihrem Gewissen und nicht nach Wahlempfehlungen. "Aber rein rechnerisch verringert sich das Risiko einer absoluten Mehrheit für den RN."

Gewagtes Manöver: Präsident Emmanuel Macron (hier mit seiner Frau bei der Stimmabgabe am Sonntag in Le Touquet) hatte die Neuwahlen nach dem Erstarken der Rechtspopulisten bei der Europawahl im Juni ausgerufenBild: Yara Nardi/AFP/Getty Images

Dessen Parteichef Jordan Bardelle hatte erklärt, er wolle das Amt des Premierministers nur mit einer absoluten Mehrheit im Rücken übernehmen. Ex-Parteichefin Le Pen rückte am Dienstag von dieser Linie ab.

"Wenn wir etwa 270 Sitze haben und noch 19 Abgeordnete brauche, dann werden wir auf die anderen zugehen", sagte Le Pen dem Sender France Inter. "Mehrere rechte, aber auch linke Abgeordnete haben eine Nähe zu unseren Positionen gezeigt." Der RN werde das tun, wofür er gewählt worden sei. Für eine absolute Mehrheit im Parlament sind 289 Mandate erforderlich.

Schirmmütze mit Hakenkreuz

Unterdessen mehren sich Berichte über Kandidaten des Rassemblement National, an deren charakterlicher, gesundheitlicher oder fachlicher Eignung Zweifel bestehen. So zog eine RN-Bewerberin aus Calvados in Nordfrankreich ihre Teilnahme an der Stichwahl zurück, nachdem ein Foto von ihr mit einer Schirmmütze der nationalsozialistischen Luftwaffe samt Hakenkreuz bekannt wurde.

"Wir werden tun, wofür wir gewählt wurden": Ex-RN-Chefin Marine Le Pen am Dienstag in ParisBild: Dimitar Dilkoff/AFP/Getty Images

Ein Kandidat aus dem Jura im Osten des Landes kann im Falle eines Wahlsiegs in der zweiten Runde sein Mandat womöglich nicht antreten, da er wegen psychischer Probleme einen gesetzlichen Betreuer hat. Eine weitere Vertreterin des RN hatte einem Medienbericht zufolge vor einigen Jahren mit einer bewaffneten Geiselnahme im Rathaus der Gemeinde Ernée im Département Mayenne für Aufsehen gesorgt.

jj/AR (dpa, afp)