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Politik

Frankreich: Zäher Kampf um die Nichtwähler

Doris Pundy
16. Juni 2017

Für viele Franzosen scheint nach dem Präsidentschaftssieg von Emmanuel Macron die Sache gelaufen zu sein. Die laufenden Parlamentswahlen locken nur wenige Wähler an die Urnen. Doris Pundy aus Forbach.

Frankreich Parlamentswahlen Chritophe Arend
Parlamentskandidat Christoph Arend (im Bild hinten rechts) im Gespräch mit potentiellen WählernBild: DW/D. Pundy

Die zwei Kontrahenten treffen aufeinander: Florian Philippot, Kandidat des rechtspopulistischen Front National (FN), geht zielstrebig an einem Café vorbei. Sein Blick ist starr nach vorne gerichtet. Kamerateams folgen ihm. Christophe Arend, der Kandidat für La République En Marche (LREM), spricht mit potentiellen Wählern auf der Terrasse des Cafés. Die beiden Männer trennen nur wenige Meter. Eines Blickes würdigen sie sich nicht.

"Hier in diesem Café hat Philippot letzten Sonntag seinen Wahlsieg in Forbach gefeiert", sagt der liberale Kandidat Christophe Arend. Dass er aber ausgerechnet jetzt mit Gästen in Philippots Stammlokal sprach, sei Zufall gewesen. Beide lokalen Kandidaten für die Stichwahl der Parlamentswahl am kommenden Sonntag werben um Stimmen in der Provinzhauptstadt Forbach. Die Kleinstadt liegt an der deutsch-französischen Grenze, zehn Kilometer von Saarbrücken entfernt.

Wahlbeteiligung von 37,4%

Seit dem Ende des Kohleabbaus kämpft der Wahlkreis Forbach mit einer hohen ArbeitslosigkeitBild: DW/D. Pundy

Im Wahlkreis Forbach könnte der Front National ein Mandat gewinnen. Florian Philippot, der Vize-Präsident der rechtspopulistischen Partei, erhielt vergangenen Sonntag 23,8% der Stimmen. Christophe Arend, Kandidat der Zentrumspartei LREM von Präsident Emmanuel Macron, musste sich mit 22,0% knapp geschlagen geben. Jeder Wahlkreis in Frankreich entsendet einen Abgeordneten in das Pariser Parlament. Landesweit war der erste Wahlgang für den FN eine Enttäuschung. Statt der angestrebten 15 Abgeordneten werden es laut Prognosen nur etwa fünf. Aktuell halten die Rechtspopulisten zwei Sitze.

Das Interesse an der Wahl scheint gering. 37,4% der Wahlberechtigten gingen im Wahlkreis Forbach zur Wahl. In ganz Frankreich lag die Quote bei 48,7%. "Die niedrige Wahlbeteiligung ist das Resultat von dem, was wir in Frankreich seit dreißig Jahren erleben", sagt LREM-Kandidat Christophe Arend. Wegen der politischen Lagerkämpfe zwischen rechts und links hätten die Wähler das Interesse verloren. Arend ist Zahnarzt und engagierte sich im Präsidentschaftswahlkampf für Emmanuel Macron. Nach dessen Wahl wurde Arend von Macrons Partei zum Parlamentskandidaten ernannt. Arends kümmrt sich vor allem um die lokale Wirtschaft. Aktuell liegt die Arbeitslosigkeit im Wahlkreis bei 12,5%.

Der liberale Kandidat Christophe Arend glaubt an seinen Heimvorteil vor der Stichwahl um das ParlamentsmandatBild: DW/D. Pundy

Florian Philippot ist verantwortlich für die politische Strategie des Front National. Philippot kommt aus Frankreichs Norden. Auch ohne Heimvorteil will er in Forbach gewinnen: "Ich bin der bessere Kandidat, weil ich ein echtes Projekt habe", sagt Philippot im Interview mit der DW. Alles was Macrons Partei vorschlage, wäre schlecht für die Franzosen. "Ich will eine Alternative schaffen, gestützt auf soziale Gerechtigkeit, geregelte Einwanderung und eine konkrete Zusammenarbeit mit Deutschland, abseits von dem, was die EU vorschlägt."


Angst vor Enttäuschung

Im Nachbarort Forbachs, in Behren-les-Forbach, erinnert nichts an den laufenden Wahlkampf. Kein einziges Wahlplakat der beiden Kandidaten findet man hier. Die zahlreichen Plattenbauten im Ort wurden in den 1950er Jahren für Gastarbeiter gebaut, die von der Kohleindustrie angeworben wurden. Heute ist vom Wirtschaftsboom der Nachkriegszeit nichts mehr übrig. Die Straßen in Behren-les-Forbach sind verwaist. Die meisten Läden sind geschlossen. Ein letztes Café öffnet noch manchmal.

Behren-les-Forbach hatte eine der niedrigsten Wahlbeteiligungen in ganz FrankreichBild: DW/D. Pundy

Die ehemaligen Kohlearbeiter seien von der Politik enttäuscht und die Jungen wüssten, dass sie hier keine Zukunft haben, sagt Francois Laval, Direktor der Politikinstitut Science Po in Nancy. "Diese Hoffnungslosigkeit in den ehemaligen Industriezonen kann der Front National für sich nutzen", sagt Laval über das gute Abschneiden von Florian Philippot. Bei den Wählern in Behren-les-Forbach hat sich Resignation breit gemacht. Nur 21,2% gingen vergangenen Sonntag hier zur Wahl. "Ich habe nicht gewählt. Aber bei den vielen Nichtwählern hätte meine Stimme auch nichts geändert", sagt Jungwählerin Lucie Kopp. "Ich glaube hier wählen viele rechts, weil sie von der Politik genervt sind."

Nichtwählerin Lucie Kopp glaubt nicht, dass ihre Stimme das gute Abschneiden des FN verhindert hätteBild: DW/D. Pundy

"Die Leute gehen hier nicht wählen, weil sie Angst haben, dass die Kandidaten nur Opportunisten sind, die ins Parlament wollen", sagt Anwohner Tarik Tamaldot. Im ersten Wahlgang ging er nicht wählen. Kommenden Sonntag will er wählen, damit kein Front National-Politiker seinen Wahlkreis vertritt. "Die Politiker in Paris interessieren unsere täglichen Probleme nicht. Die machen nichts für die jungen Arbeitslosen", sagt Gerard Farid. "Ich glaube nicht, dass ich am Sonntag wählen gehe. Warum denn auch, das bringt uns doch nichts."

"Einen nach dem anderen überzeugen"

Eine junge Frau entdeckt Florian Philippot, den Kandidaten des rechtspopulistischen Front National beim Straßenwahlkampf in Forbach. Mit ihrem Handy in der Hand kommt sie auf ihn zu. "Mein Onkel ist gerade dran. Können Sie kurz 'Hallo' sagen?" Philippot tut ihr den Gefallen. "Selbstverständlich habe ich für ihn gewählt. Ich finde ganz einfach, dass er das richtige Programm für Frankreich und die Franzosen hat", sagt Marion Konfler nach dem kurzen Telefonat.

Der Vizechef des Front National Florian Philippot (rechts) im Straßenwahlkampf in ForbachBild: DW/D. Pundy

"Ich glaube nicht, dass der Front National hier gewinnen wird. Das wird sich im zweiten Wahlgang noch ändern", sagt eine Wählerin im Vorbeigehen. Florian Philippot werde es in Forbach so gehen, wie Parteichefin Marine Le Pen in der Stichwahl ums Präsidentenamt. Der Politikexperte Francois Laval gibt ihr recht. Die Parlamentswahlen gewinne meist jene Partei, die auch die Präsidentschaftswahl für sich entscheiden konnte. Der Erdrutschsieg von Emmanuel Macron spielt seinen Parlamentskandidaten in die Hände.

Die niedrige Wahlbeteiligung macht LREM-Kandidat Christophe Arend allerdings zu schaffen. "Wenn wir jetzt mit Nichtwählern reden, glauben viele, es ging uns nur um ihre Stimmen", sagt Arend. Sollte ihm die Aufholjagd tatsächlich gelingen und er am Sonntag ins Parlament einziehen, wolle er ab Montag daran arbeiten, das Interesse der Nichtwähler an der Politik wieder zu wecken. "Die vielen Nichtwähler sind eine Niederlage für die Demokratie", sagt Rechtspopulist Florian Philippot. "Ich muss die Leute überzeugen, am kommenden Sonntag wählen zu gehen, einen nach dem anderen."

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