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PolitikFrankreich

Frankreichs Macron fährt eigenen Kurs im Gaza-Krieg

4. Dezember 2023

Emmanuel Macron verlässt die gemeinsame europäische Linie, die einen Waffenstillstand zwischen Israel und Hamas nicht vorsieht. Er stellt Israels Kriegsziel in Frage.

Frankreich, Paris, vor dem Elysee-Palast | Präsident Macron
Präsident Macron vor dem Elysee: Haltung zu Israel und Palästinensern ändert sich (Archiv)Bild: Tomas Stevens/abaca/picture alliance

Das Ziel des französischen Präsidenten Emmanuel Macron ist es, eine erneute Feuerpause zwischen der Terrororganisation Hamas und der israelischen Armee zu erreichen, die dann in einen länger dauernden Waffenstillstand münden sollte. So formulierte es Macron am Wochenende bei einer Kurzvisite der Weltklimakonferenz COP28 in Dubai. Er wolle sich bei Gesprächen in Katar dafür einsetzen, dass die Bemühungen um einen Waffenstillstand intensiviert würden, meinte das französische Staatsoberhaupt.

Großen Eindruck machte er mit seinen Vorschlägen nicht. Die Hamas feuert weiter Raketen auf Israel ab. Die israelische Armee hat ihren Vormarsch auf Hamas-Stellungen auf den gesamten Gazastreifen ausgeweitet. Die Hamas hält weiter Geiseln gefangen. Die Lage der Zivilbevölkerung in Gaza ist nach Angaben der Vereinten Nationen katastrophal.

Mitgefühl: Am 24. Oktober besuchte Macron Angehörige der Hamas-Geiseln in Tel AvivBild: Christophe Ena/Pool/REUTERS

Macron zweifelt an Zerstörung der Hamas

Emmanuel Macron stellte auch die Kriegsziele Israels erstmals öffentlich in Frage. "Was bedeutet totale Zerstörung der Hamas und glaubt jemand, dass das möglich ist? Selbst wenn es möglich wäre, würde der Krieg zehn Jahre dauern", sagte Frankreichs Präsident in Dubai. Die indirekte Antwort aus Jerusalem kam prompt. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu sagte, die Fortsetzung der Bodenoffensive im Gazastreifen sei der einzige Weg, die Hamas "total zu besiegen". "Wir werden all unsere Kriegsziele weiterverfolgen", unterstrich Netanjahu im israelischen Fernsehen.

Die Präsidenten Macron (re.) und Abbas: Ein Ohr für die Anliegen der Palästinenser - trotz allem (Archiv)Bild: Christophe Ena/dpa/picture alliance

Präsident Macron hatte in Dubai verlangt, die israelische Führung müsse "ihre Absichten und das angestrebte Endziel präziser fassen." Ein Sicherheitsberater des israelischen Premiers sprach am Wochenende vage von "Sicherheitszonen", die auf dem Territorium des Gazastreifens an den Grenzen zu Israel eingerichtet werden sollten. So werde verhindert, dass Terroristen erneut die Grenzen überschreiten könnten. Eine komplette Besetzung des Gazastreifens und eine Verwaltung durch Israel ist nicht vorgesehen. Wer diese Aufgabe nach Ende des Krieges übernehmen soll, ist unklar.

Die Führung der Hamas-Terroristen machte klar, dass der Krieg weiterlaufen werde, bis ein Waffenstillstand erreicht sei. Bis dahin sei eine Freilassung von Geiseln ausgeschlossen.

Abseits des EU-Pfades

Der französische Präsident entfernt sich mit seinen Äußerungen vom offiziellen gemeinsamen Standpunkt der Europäischen Union, der beim letzten Gipfeltreffen Ende Oktober festgelegt wurde. Da plädierten die Staats- und Regierungschefs für kurze "Waffenpausen", um Geiseln zu befreien und die Bevölkerung zu versorgen. Von einem Waffenstillstand war nicht die Rede, da man Israel nicht zu sehr unter Druck setzen wollte.

Neben Frankreich zeigen auch Spanien und Belgien mehr Verständnis für die Belange der Palästinenser als etwa Deutschland, das sich klar hinter Israels Vorgehen stellt. Beim nächsten EU-Gipfel in der kommenden Woche wird über die gemeinsame Haltung der Union im Nahostkonflikt noch einmal zu sprechen sein.

EU-Ratspräsident Michel, Kanzler Scholz: Ein dauerhafter Waffenstillstand wäre nicht weiseBild: Fabrizio Bensch/REUTERS

Olaf Scholz, der deutsche Bundeskanzler, widerspricht Macron entschieden. Er sagte schon bei einer Diskussionsveranstaltung am 12. November in Heilbronn: "Aber ich gebe gerne zu, dass ich die Forderung, die einige aufstellen, nach einem sofortigen Waffenstillstand oder einer langen Pause - was ja quasi das Gleiche ist - nicht richtig finde." Auch mit Blick nach Frankreich fuhr Scholz fort, ein Waffenstillstand bedeute am Ende, "dass Israel die Hamas sich erholen lassen soll und wieder neue Raketen anschaffen lassen soll. Damit die dann wieder schießen können. Das wird man nicht akzeptieren können."

Gleicher Abstand zu beiden Seiten?

Emmanuel Macron scheint im Moment wieder einen gleich großen Abstand zu Israel und den Palästinensern anzustreben. Schon der französische Präsident Charles de Gaulle hatte versucht, Frankreich nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 in der Mitte zu positionieren. Israel besiegte damals Ägypten, Jordanien und Syrien und erlangte Kontrolle über das Westjordanland, Ost-Jerusalem, den Gazastreifen, die Golanhöhen und den Sinai.

Unmittelbar nach dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober hatte sich der französische Präsident solidarisch an die Seite Israels gestellt, ohne Wenn und Aber. Schließlich war auch Frankreich in den letzten Jahren mehrfach Opfer islamistischer Attacken. Das Abschlachten unschuldiger Besucher eines Musikfestivals durch Hamas-Terroristen erinnerte viele Franzosen an den Terroranschlag die Konzerthalle Bataclan in Paris 2015. Macron reiste, wenn auch als letzter Repräsentant einer großen europäischen Demokratie, nach Israel und sprach dort von einer internationalen Koalition gegen den Terror.

Frankreichs Angst vor Terror und Gewalt

05:31

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Als die massive Bombardierung des Gazastreifens durch die israelische Armee begann, und mehr und mehr palästinensische Zivilisten starben, änderte sich Macrons Haltung jedoch. In einem ungewöhnlich scharfen Interview mit der BBC am 10. November warf der Präsident Israel vor, Zivilisten zu bombardieren. Dafür gebe es keine Rechtfertigung und keine Legitimation. Israels Regierung reagierte empört. Macron ruderte zurück und ließ wissen, das Interview sei missverständlich. Er habe Israel nicht zu einem einseitigen Waffenstillstand aufgefordert. Es folgte ein Telefonat mit dem israelischen Staatspräsidenten Isaac Herzog, um den Zwist beizulegen.

Emmanuel Macron will verhindern, dass der Nahost-Konflikt auf die Gesellschaft in Frankreich überspringt. So hat er es in einer Fernsehansprache angekündigt. Im Land lebt eine sehr große jüdische Gemeinde und sehr viel größere muslimisch geprägte Gemeinschaft. Der islamistisch motivierte Mordanschlag auf Passanten in Paris am Samstag war bereits das zweite Attentat seit Beginn des Krieges zwischen Hamas und Israel. Die Gefahr, die Macron beschwört, ist also real.

Sprunghafte Haltung?

Die französische Zeitung "Le Figaro" vergleicht Macrons außenpolitische Aktivitäten mit einem Wirbelwind. Seine Haltung sei wild hin- und herspringend, schnell wechselnd, unstet und deshalb verwirrend. Beobachter halten es für ein eingeübtes politisches Rezept Macrons, viel zu reden, durchaus auch etwas Überraschendes zu sagen und ungewöhnliche Vorschläge zu machen.

Israels Armee rückt im Gazastreifen gegen die Hamas vor: Welches Ziel hat der Krieg?Bild: IDF/Xinhua/picture alliance

Was in der Europapolitik oder der Innenpolitik manchmal funktioniere, müsse in der Außenpolitik nicht unbedingt stimmig sein, meint Agnès Levallois, Vizepräsidentin des Forschungsinstituts für das Mittelmeer und den Nahen Osten, im Radiosender Franceinfo. "Es hängt alles von der Botschaft ab, die der französische Präsident senden möchte, aber ich finde, es gibt Verwirrung in der Botschaft, die er sendet." Es sei nicht klar, welche Haltung er habe.

Macron steht nicht allein

Schützenhilfe bekam Emmanuel bei seinem jüngsten Vorstoß für einen Waffenstillstand und eine Verschonung der zivilen Bevölkerung von diesem Wochenende aus den USA. Ebenfalls auf der Klimakonferenz in Dubai, auf der auch Macron sich eingelassen hatte, sagte US-Vizepräsidentin Kamala Harris, zu viele unschuldige Palästinenser seien getötet worden. "Offen gesagt, das Ausmaß des Leidens, die Bilder und Videos, die aus Gaza kommen, das ist einfach niederschmetternd", sagte Harris.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin mahnte bei einer Veranstaltung in Kalifornien, Israel habe eine moralische Verpflichtung, die zivile Bevölkerung zu schützen. Seine Erfahrung im Krieg gegen den Islamischen Staat im Irak habe ihm gezeigt, dass man auch im Häuserkampf die Bevölkerung schonen müsse. "Wenn du sie in die Arme der Feinde treibst, erreichst du vielleicht einen taktischen Sieg, aber du erleidest eine strategische Niederlage."

Frankreich: gemeinsam gegen Antisemitismus und Islamophobie

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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