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Frankreichs neues Einwanderungsgesetz: Widerstand wächst

Lisa Louis Paris
10. Dezember 2023

Mit härteren Abschiebemaßnahmen will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron das Einwanderungsrecht reformieren. Demonstrierende Migranten und Geflüchtete sehen in der geplanten Reform eine neue Form der Härte.

 Ahmada Siby protestiert mit Sprechtüte
Protest gegen die Einwanderungsreform: Der Malier Ahmada Siby wohnt mit seinem Onkel und einem Cousin auf 15 Quadratmetern in Montreuil.Bild: Lisa Louis /DW

Sonntagnachmittag im südlichen Paris: Tausende Menschen marschieren durch die Straßen in der Nähe des Bahnhof Montparnasse. In den Händen halten sie Banner, auf denen steht: "Gegen das Gesetz (von Innenminister) Darmanin" und "Einwanderung ist kein Problem – Rassismus ist eins".

Mit dabei ist auch der 33-jährige Malier Ahmada Siby. Er ist vor fünf Jahren nach Frankreich gekommen. Seitdem hat er als Putzkraft, Zimmerjunge und Tellerwäscher gearbeitet. Dafür benutzt er die Arbeitsgenehmigung anderer Leute. "So arbeiten die meisten von uns hier. Das heißt, wir zahlen Abgaben und Steuern, ohne im Gegenzug einen Anspruch auf Dinge wie die reguläre staatliche Krankenversicherung zu haben", sagt er der DW. "Die Regierung von Präsident Emmanuel Macron behandelt uns, als seien wir nichts wert, aber wir machen die ganze Drecksarbeit – auf Baustellen, auch für Olympia nächstes Jahr, in Restaurants und als Putzkräfte."

Proteste gegen die geplante Einwanderungsreform in FrankreichBild: Lisa Louis /DW

Siby und andere haben sich daher zusammengetan, um gegen die Gesetzesreform zu demonstrieren, von dem die Regierung Frankreichs sagt, es ein Kompromiss aus politisch linken und rechten Positionen.

Gesetz droht zur Zerreißprobe zu werden

Ab Montag wird der umstrittene Gesetzenwurf in der Nationalversammlung in Paris diskutiert. Die endgültige Version des Gesetzes steht noch nicht fest. Doch einige Punkte, die diskutiert werden, sind bekannt: So soll das Gesetz Asylverfahren beschleunigen und Berufungsfristen verkürzen, Familienzusammenführungen erschweren und die Bedingungen für medizinische Visa verschärfen. So sollen künftig auch Menschen abgeschoben werden können, die bei ihrer Ankunft in Frankreich jünger als 13 waren, oder ausländische Eltern, deren Kinder die französische Nationalität haben. Arbeiter in Bereichen mit Personalengpässen sollten eigentlich eine automatische einjährige Arbeitserlaubnis bekommen können, doch den lokalen Behörden wurden hier ein eigener Ermessensspielraum gelassen. Nach jetzigem Stand könnten sie entscheiden, wer eine Erlaubnis bekommt und wer nicht.

Der französische Innenminister Gérald Darmanin brachte den Gesetzentwurf in den Senat in Paris ein. Der rechts-konservativ geprägte Senat, die zweite Kammer des Parlaments, begann umgehend mit der Debatte darüber. Die Regierung hatte den Entwurf bereits im Februar vorgestellt und dann wieder auf Eis gelegt. Die Vorlage verspricht zu einer Zerreißprobe zu werden, denn das politische Lager von Staatspräsident Emmanuel Macron verfügt im Parlament nicht mehr über eine absolute Mehrheit, um das heftig umstrittene Vorhaben ohne Unterstützung anderer politischer Kräfte, wie die der Konservativen, zu beschließen. 

Innenminister Gerald Darmanin hatte den Entwurf in den Senat eingebrachtBild: LUDOVIC MARIN/AFP/Getty Images

Seit einer Terrorattacke im Oktober auf den Französischlehrer Dominique Bernard durch einen russischen Einwanderer im nördlichen Arras stellt die Regierung das Gesetz vor allem als Bollwerk gegen ungewollte Einwanderung und gegen Terrorismus dar. Migranten, Geflüchtete und Hilfsorganisationen fürchten, die neuen Regeln könnten zu noch mehr Stigmatisierung und Diskriminierung führen.

"Eine ganz neue Dimension der Härte"

All das beunruhigt Lise Faron von dem Pariser Verein Cimade, der Geflüchtete und Einwanderer unterstützt, zutiefst. "Die Regierung hatte ein ausgewogenes Gesetz versprochen, aber jetzt wollen sie die Rechte von Einwanderern noch weiter beschränken und es schwieriger machen, an Arbeitspapiere zu kommen", erklärt sie der DW. "Mit diesem Entwurf würde man eine ganz neue Dimension der Härte erreichen – man will auch ausländische Eltern von Kindern mit französischer Staatsbürgerschaft leichter ausweisen. Das ging vorher nur bei schweren Verbrechen."

Lisa Faron von dem Pariser Verein Cimade ist besorgt über das geplante Einwanderungsgesetz.Bild: Lisa Louis /DW

Für Vincent Tiberj, Professor für politische Soziologie an der Universität Sciences Po Bordeaux, spiegelt das Gesetz einen allgemeinen Rechtsruck in der politischen Debatte wider. "Die meisten Politiker stellen Einwanderer als Last und Bedrohung dar und vergessen völlig, dass Zuwanderer, auch späterer Generationen, viel zu unserer Gesellschaft beitragen", sagt er der DW. Politiker seien auf Stimmenfang in der rechten Ecke. Die Rechtsaußenpartei Rassemblement National soll laut Umfragen bei den Europawahlen nächsten Juni auf Platz eins landen. "Dabei sollten Parteien wie (die Regierungspartei) Renaissance doch wissen, dass eine solche Strategie nicht funktioniert – sie legitimiert nur die Ideen der Rechten und gibt ihnen damit Aufwind."

Wird das Gesetz eine Wirkung haben?

Doch Alexis Izard, Renaissance-Abgeordneter im Département Essonne südlich von Paris sieht das anders. Das Gesetz werde ausgewogen sein, sagt er: "Wir sollten imstande sein, jährlich etwa 4000 illegale Einwanderer, die Verbrechen begangen haben, aus Frankreich auszuweisen – das wird künftig möglich sein. Ausweisungsverfahren werden anstelle von zwei Jahren dauern nur ein Jahr dauern", sagt er der DW. "Gleichzeitig aber wird es für diejenigen, die hier arbeiten wollen, einfacher werden, nach Frankreich zu kommen." So werde das Gesetz höchst wirksam sein.

Frankreich: Zwischen Festung und Freiheit

12:01

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Hervé le Bras, Historiker und Demograph an der Pariser Schule für Hohe Studien in  Sozialwissenschaften (EHESS) hält das für keine belastbare Aussage. Historischen Daten würden eindeutig belegen, dass es keine Wechselwirkung zwischen Politik und Einwanderungszahlen gibt. "Genauso wie die anderen mehr als 100 Einwanderungsgesetze, die Frankreich seit 1945 verabschiedet hat, wird auch dieses nutzlos sein und praktisch keine Auswirkung auf die Zahl der Einwanderer pro Jahr haben", so der Historike. "Es geht nur darum, Politikern eine Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt öffentlich auszudrücken."

Siby will weiterhin für eine bessere Zukunft kämpfen

Alain Fontaine jedoch, Besitzer des Restaurants Le Mesturet im Zentrum von Paris und Präsident des französischen Verbands der Restaurantbesitzer AFMR, hofft auf die automatische einjährige Arbeitserlaubnis: "Ein Viertel der Angestellten von Frankreichs Kneipen und Restaurants sind ausländische Arbeiter - ohne sie kommen wir nicht aus." In seinem Restaurant sind zwölf der 27 Angestellte Ausländer. "Wir brauchen Zuwanderung – auch, weil unsere eigene Jugend es inzwischen vorzieht, in der digitalen Wirtschaft zu arbeiten. Sie wollen die Knochenjobs nicht mehr", sagt er. 

Alain Fontaine, Besitzer des Restaurants Le Mesturet, braucht mehr Menschen, die bei ihm arbeiten wollen und dürfenBild: Christian de Brosses/Studio Le Beaukal

Der Malier Siby war vor fünf Jahren über das Mittelmeer gekommen. Die sei der schwierigste Moment seines Lebens gewesen, er und die anderen auf dem Boot wären beinahe ums Leben gekommen. Siby hält die einjährige Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für keine gute Idee. "Sie würde das Prinzip der modernen Sklaverei im Gesetz verankern", sagt er, während er auf seinem Bett in einem 15 Quadratmeter großen Zimmer im östlichen Pariser Vorort Montreuil sitzt. Das teilt er sich mit einem Onkel und einem Cousin. 

"Man müsste in diesem einen Sektor arbeiten oder würde sonst sein Bleiberecht verlieren. Man wäre seinem Chef ausgeliefert. Wir wollen, dass die Regierung uns alle legalisiert, so dass wir selbst unseren Job wählen können. Wenn man einmal so etwas wie die Flucht über das Meer überlebt habt, gibt man nicht mehr so einfach auf – ich werde für eine bessere Zukunft kämpfen", sagt er.

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