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Politik

Die Höhen und Tiefen Emmanuel Macrons

Marina Strauß
19. Mai 2020

Auf der EU-Bühne läuft es für Macron gut: Gerade hat er mit Angela Merkel das Comeback des deutsch-französischen Motors verkündet. Doch im Land sieht es düsterer aus: Er verliert seine Mehrheit. Marina Strauß, Brüssel.

Coronavirus Impfstoffforschung Geberkonferenz Frankreich Präsident Macron
Emmanuel Macron Anfang Mai 2020Bild: picture-alliance/dpa/AP/Reuters/G. Fuentes

Emmanuel Macron wartet strahlend darauf, dass Angela Merkel sich auf das Rednerpult zubewegt und in der gemeinsamen Online-Pressekonferenz die frohe Botschaft verkündet: Der deutsch-französische Motor stottert nicht mehr, sondern läuft wieder an.

Macron hat allen Grund, sich an diesem Montag gut gelaunt zu präsentieren. Die deutsche Kanzlerin und er haben ein gemeinsames Konzept für einen Wiederaufbaufonds vorgelegt. Wenn es nach Merkel und Macron geht, soll die EU Kommission 500 Milliarden Euro Schulden aufnehmen und damit die am stärksten von der COVID-19-Krise geplagten EU-Staaten unterstützen.

Es ist ein Kompromiss zwischen den beiden mächtigsten Ländern der Europäischen Union, mit dem der Franzose zufrieden sein kann. Und es ist ein europapolitischer Erfolg, mit dem Macron sich gerne schmückt, vor allem, weil es bei ihm innenpolitisch gerade alles andere als rund läuft.

Macron und Merkel geben am 18. Mai 2020 eine gemeinsame Pressekonferenz - in Paris und in BerlinBild: Reuters/F. Mori

Neue Fraktion in der Nationalversammlung schwächt Macron

Seine Partei La République en Marche (LREM) hat soeben ihre absolute Mehrheit im französischen Parlament, der Nationalversammlung, verloren, weil einige Abgeordnete nicht mehr mitmachen wollten und deswegen zusammen mit anderen eine neue Fraktion namens "Ecologie, Démocratie, Solidarité" (EDS) gründeten. Deren Sprecher, Hubert Julien-Laferrière, erklärte auf Twitter, dass sich die Regierung und ein großer Teil von LREM von den ursprünglichen Werten der Partei entfernt hätten, etwa was den Einsatz für den ökologischen Wandel angeht oder den Kampf gegen soziale Ungleichheit.

Statt der für die absolute Mehrheit erforderlichen 289 Sitze in der französischen Nationalversammlung, besetzt Macrons LREM nun nur noch 288. Zu Beginn seiner Amtszeit 2017 waren es noch 314.

Philippe Moreau Defarges sagt, es gebe in der Krise gerade niemand, der Macron ersetzen könne - oder wolleBild: IFRI

"Eine vorhersehbare Entwicklung", nennt dies der frühere Diplomat Philippe Moreau Defarges. Macron habe die traditionelle politische Landschaft - hier die Sozialisten, dort die konservativen Gaullisten - zerschlagen wollen. Also habe er sich einzelne Stücke zusammengesucht, um eine Mehrheit bilden zu können. "In schwierigen Zeiten zerbrechen diese Stücke", so Moreau Defarges, heute Politikwissenschaftler am Französischen Institut für internationale Beziehungen (IFRI) in Paris. Oder drastischer ausgedrückt: "Die Ratten verlassen das sinkende Schiff."

Keine größeren Folgen

Sophie Pornschlegel: "Der außenpolitische Macron ist anders als der innenpolitische."Bild: Privat

Sophie Pornschlegel von der Brüsseler Denkfabrik European Policy Centre (EPC) hält die verlorene absolute Mehrheit von Macrons LREM für halb so wild. Tatsächlich ist es wahrscheinlich, dass ein LREM-Abgeordneter bald einen der Abtrünnigen ersetzt, weil dieser einen Bürgermeisterposten antritt. In naher Zukunft könnten es also wieder 289 "Marcheurs" sein, wie die Mitglieder von Macrons Partei betitelt werden.

Der französische Präsident muss auch keine größeren politischen Folgen fürchten: Wenn es darum geht, Mehrheiten im Parlament zu finden, kann LREM weiter auf die Abgeordneten der Fraktionen Mouvement Démocrate (MoDem) und Agir bauen.

Der innenpolitische Druck auf Macron wächst

Trotzdem: Dass einige ehemalige LREM-Treue, Macron nun den Rücken kehren, erhöht den Druck auf den Präsidenten. Im vergangenen Jahr legten die gegen Macrons Politik gerichteten Gelbwesten-Proteste monatelang ganz Frankreich lahm. Erst kürzlich gingen Hunderttausende Franzosen auf die Straße, um gegen die umstrittene Rentenreform zu demonstrieren. Auch jetzt, in der Corona-Krise, schlägt dem französischen Präsidenten Kritik entgegen.

Mai 2017: Unterstützer feiern in Paris den Wahlsieg von Emmanuel MacronBild: Getty Images/D. Ramos

Seine Reaktion in der Krise sei verspätet gewesen, sagt Sophie Pornschlegel vom EPC. Und: Es habe keine gute Koordination gegeben. Philippe Moreau Defarges von IFRI bezeichnet Macrons Kommunikation als "verbeux", was so viel wie "weitschweifig" oder "wortreich" bedeutet. Der französische Präsident werde als arrogant wahrgenommen, benutze viele große Redewendungen - so wie sein bekanntes "Wir befinden uns im Krieg". Damit versuchte er zu Beginn der COViD-19-Krise seine Mitbürger einzuschwören. Die Frage, die sich viele Franzosen stellten, sei, was Macron dann tatsächlich in die Tat umsetze, so Moreau Defarges.

"Für Macron sieht es innenpolitisch sehr schlecht aus." Das hindere ihn allerdings nicht daran, sich europapolitisch zu positionieren und dies als Erfolg an die Wähler daheim zu verkaufen. Laut Sophie Pornschlegel gibt es zwei Versionen von Macron, einen innenpolitischen und einen außenpolitischen: "International wird er als starke Persönlichkeit gesehen."

Doch auch wenn es für den französischen Präsidenten im eigenen Land alles andere als gut läuft: Emmanuel Macron hat einen Vorteil, die nächsten Wahlen sind erst 2022. Im Moment gebe es niemand, der ihn ersetzen könne, sagt Moreau Defarges. Oder wolle. Während der Coronakrise die Macht zu übernehmen sei "nicht sehr angenehm".

 

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