Die Freiheit des Monsieur Hulot
28. August 2018Der französische Umweltminister Nicolas Hulot (63) hat seinen Rücktritt angekündigt und Staatschef Emmanuel Macron massiv unter Druck gesetzt. In den Kreisen der Macht seien Lobbys präsent, kritisierte Hulot unverhohlen im Radiosender France Inter, wo er live - und ohne seinen Chef vorher informiert zu haben - seinen Rückzug ankündigte: "Ich treffe die Entscheidung, die Regierung zu verlassen." Frankreich mache im Umweltbereich kleine Schritte, die nicht ausreichten. Macron absolviert derzeit einen Staatsbesuch in Dänemark.
"Ich will mir nichts mehr vorlügen"
Der aus der Umweltbewegung stammende Hulot war vor 15 Monaten mit der Mitte-Regierung von Premierminister Édouard Philippe angetreten und gilt in der Bevölkerung laut Umfragen als beliebt. Sein offizieller Titel lautet derzeit: "Staatsminister, Minister des ökologischen und solidarischen Übergangs." Hulot könne stolz auf seine Bilanz sein, heißt es lobend aus Élysée-Kreisen. Als symbolischen Sieg konnte Hulot verbuchen, dass die Regierung den geplanten Großflughafen nahe dem westfranzösischen Nantes komplett aufgab.
Regierungssprecher Benjamin Griveaux bedauerte den Schritt Hulots. "Ich hätte seinen Verbleib vorgezogen." Nötig sei in dem Bereich eine langfristige Arbeit, Änderungen seien nicht innerhalb eines Jahres zu erreichen. Hulot teilte nach eigenen Angaben seine Entscheidung weder Macron noch Philippe vorab mit. "Ich hoffe, dass mein Abschied eine tiefgreifende Innenschau unserer Gesellschaft über die Realität unserer Welt auslöst." Er wies dabei auf drängende Umweltprobleme hin - der Planet drohe, sich in einen Ofen zu verwandeln. "Ich will mir nichts mehr vorlügen." Er sei in der Regierung isoliert gewesen und habe eine "Anhäufung von Enttäuschungen" erlebt. "Haben wir angefangen, den Gebrauch von Pestiziden zu verringern?" Die Antwort sei nein. Letzter Auslöser sei ein Treffen mit Jägern am Montag in Macrons Amtssitz gewesen, dabei war demnach auch ein uneingeladener Lobbyvertreter. "Wer hat die Macht, wer regiert?", fragte der angespannt wirkende Hulot.
Macron tut sich mit Energiewende schwer
Der Beschluss Hulots ist ein weiterer Schlag für Macron. Der 40-Jährige hatte vor knapp einem Jahr eine weitreichende EU-Reform vorgeschlagen, die aber wegen Blockaden in der Europäischen Union bisher nicht die gewünschten Erfolge zeigt. Im Sommer hatte die Affäre um einen früheren Leibwächter Macrons den Élyséepalast erschüttert. Macron war bisher auch bemüht, sich als globaler Umweltpolitiker zu zeigen. So hatte er im Dezember vergangenen Jahres einen großen Klimagipfel in der französischen Hauptstadt veranstaltet.
Hulot geißelte erneut die Atomkraft als einen "wirtschaftlich und technisch unnützen Wahnsinn". Bisher kommen über 70 Prozent der französischen Stromproduktion aus dem Atompark des Landes. Paris tut sich mit einer Energiewende schwer, so bereitet sich der Betreiber EDF darauf vor, das umstrittene Atomkraftwerk Fessenheim unweit der deutschen Grenze bis Ende 2019 - und damit länger als ursprünglich geplant - laufen zu lassen. Die Umweltorganisation Greenpeace nannte Hulots Rücktritt nicht überraschend. Er stehe für eine negative Bilanz und für die Schwäche eingeleiteter Maßnahmen. Der deutsche Grünen-Europapolitiker Sven Giegold kommentierte: "Hulot hatte einzelne Erfolge, aber eine ökologische Modernisierung der französischen Wirtschaft hat Präsident Macron blockiert."
In Frankreich ist Hulots Rücktritt Gesprächsthema Nummer eins. Oppositionsführer Laurent Wauquiez von den konservativen Republikanern erklärte, Hulot habe sich "wie viele Franzosen von den starken Versprechen (der Regierung) verraten gefühlt". Der Chef der Linkspartei La France Insoumise (Das unbeugsame Frankreich), Jean-Luc Mélenchon, nannte den Abgang ein "Misstrauensvotum gegen Macron". Hulot ist den Franzosen als ein früherer TV-Moderator bekannt. Unter Macrons Amtsvorgänger François Hollande war er von 2012 bis 2016 Sondergesandter für den Schutz des Planeten gewesen.
sti/rb (dpa, afp)