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Frankreichs zentrale Rolle bei Europas Verteidigung

Lisa Louis
10. April 2025

Der Verteidigungssektor Frankreichs ist einer der stärksten Europas und könnte eine wichtige Rolle auf dem Weg zu einer militärischen Autonomie des Kontinents spielen. Doch auf diesem Weg gibt es noch einige Hürden.

Französische "Rafale"-Kampfjets, die auch Atomwaffen tragen können, einsatzbereit auf dem Flugdeck eines Trägers unter der Tricolore.
"Rafale"-Kampfjets, hier auf einem Flugzeugträgerdeck, gehören zum französischen AbschreckungspotentialBild: PUNIT PARANJPE/AFP/Getty Images

Dem Konzept der sogenannten strategischen Autonomie hatte sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schon 2017 verschrieben. "Was Verteidigung angeht, müssen wir Europa die Fähigkeit verleihen, autonom zu handeln, ergänzend zur NATO", sagte er damals in einer Europa-Rede in der Pariser Universität Sorbonne.

Sein Aufruf stieß zunächst auf taube Ohren. Doch das hat sich inzwischen geändert - mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine seit Februar 2022 und vor allem kürzlich der Wiederwahl von US-Präsident Donald Trump, der sagt, er wolle nicht länger bedingungslos Europas Sicherheit garantieren.

Stolz der Marine: Der atomgetriebene Flugzeugträger Charles de Gaulle verlässt den Hafen von ToulonBild: Marine Nationale/abaca/picture alliance

Die Europäische Union (EU) hat kürzlich ihr sogenanntes "Rearm-Europe"-Paket beschlossen. Bis 2030 will man rund 800 Milliarden Euro in den europäischen Verteidigungssektor investieren. Mehrere EU-Länder haben angekündigt, ihre Militärbudgets erhöhen zu wollen. Frankreich könnte dabei eine zentrale Rolle spielen - jedoch nicht im Alleingang, sagen Experten.

Frankreichs Einsatzerfahrung

Frankreichs jährliches Militärbudget soll sich bis 2030 verdoppeln. Zurzeit beträgt es rund 50 Milliarden Euro, etwa zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die erhöhten Militär-Ausgaben könnten zu etwa 1,5 Prozent zusätzlichem Wirtschaftswachstum führen, schätzen Ökonomen.

Mit seinen rund 20.000 Unternehmen, die etwa 200.000 Mitarbeiter beschäftigen, sei Frankreichs Verteidigunggssektor das Rückgrat der EU in Sachen Verteidigung, erklärt Fanny Coulomb, Verteidigungsökonomin an der Universität Sciences Po Grenoble.

Die Fremdenlegion - hier bei einer Parade in Neu Delhi - garantiert Frankreichs weltweite EinsatzbereitschaftBild: Raj K Raj/Hindustan Times/Sipa USA/picture alliance

"Frankreich ist in praktisch allen Produktionssegmenten präsent", sagt sie zur DW. "Anders als andere Länder haben wir diese Kenntnisse weitgehend aufrechterhalten seit den 1960er Jahren. Nach Ende des Kalten Krieges in den 1990er Jahren hatte man die Ausgaben zwar gesenkt. Aber nach den Anschlägen auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 und dem darauffolgenden Krieg gegen den Terrorismus hat sich dieser Trend wieder gedreht. Frankreich hat zudem immer Auslandsmissionen durchgeführt, zum Beispiel in Libyen oder der Sahelregion."

Systeme statt Kugeln

Dadurch habe das Land eine regelrechte Kriegskultur beibehalten, fügt Sylvie Matelly dem hinzu. Die ebenfalls auf den Verteidigungssektor spezialisierte Ökonomin ist Direktorin der Pariser Denkschmiede Institut Jacques Delors. "Man muss eine genaue Vorstellung der Bedrohung haben, um zu wissen, welche Waffen gebraucht werden. Diese Analysefähigkeiten hat Frankreich beibehalten - anders als zum Beispiel Deutschland", sagt die Expertin im Gespräch mit der DW.

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Dabei sei Frankreich Vorreiter in sogenannten Systemen der Systeme, also Hochtechnologien wie dem Kampfflugzeug Rafale oder auch dem Flugzeugträger Charles de Gaulle. "Die Produktion leichter Waffen und von Munition haben wir indes drastisch gesenkt. Wir dachten, die Herstellung dieser weniger komplexen Produkte könne man leichter wieder hochfahren", detailliert Matelly.

Geld und Rohstoffe

Andererseits könnte die Wiederaufnahme der Produktion von leichten Waffen und Munition doch nicht ganz problemlos sein, so Coulomb. "Man wird große Mengen an Rohstoffen brauchen, die seit dem Inkrafttreten der Sanktionen gegenüber dem Rohstoff-Lieferanten Russland wegen der Invasion der Ukraine schwerer zu beschaffen sind", sagt die Ökonomin. "Außerdem müssen wir mehr Ingenieure und Spezialisten ausbilden. Frankreichs industrielle Wirtschaftsbereiche sind in die vergangenen Jahrzehnten stetig geschrumpft."

Und da ist die Frage nach dem Geld. Das Land hat hohe Staatsschulden und muss drastisch sparen, um sein Haushaltsdefizit zu senken. Das wird sich dieses Jahr wohl auf über fünf Prozent des BIPs belaufen. Der Staat hat daher einen Verteidigungsfonds durch die öffentliche Investitionsbank BPIFrance angekündigt, durch den 450 Millionen Euro zusammenkommen sollen. Auch andere speziell auf Verteidigung ausgerichtete Finanzprodukte sind im Gespräch, um die Ersparnisse der Franzosen anzuziehen.

Emmanuel Macron begrüßt Wolodymyr Selenskyj vor dem Pariser Elysee-Palast am 27. März 2025Bild: Tom Nicholson/Getty Images

Die Pariser Agentur Defense Angels, die auf die Finanzierung von Start-ups im Verteidigungsbereich spezialisiert ist, rechnet auch mit mehr Zulauf. Das Investoren-Netzwerk hat seit seiner Gründung Ende 2021 bereits 23 Unternehmen finanziell unterstützt. Die Agentur, zu der 90 Investoren gehören, könnte allein dieses Jahr knapp 30 Jungunternehmen fördern.

Game Changer Trump

"Der Streit im Weißen Haus zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Ende Februar war ein Game-Changer", sagt François Mattens, Vize-Präsident von Defense Angels, zur DW. Das Treffen der beiden Staatschefs endete ohne eine geplante Einigung auf einen Rohstoffdeal und entfachte Ängste, die USA könnten der Ukraine die Unterstützung ganz entziehen.

"Seitdem rufen mich viele vorher zögerliche Geldgeber an und wollen investieren." Für Mattens spielen Start-Ups dabei eine wichtige Rolle. "Wir brauchen Innovation und State-Of-The-Art-Technologie im Verteidigungssektor. Dynamische Startups können das besser als große, träge Unternehmensgruppen", sagt Mattens.

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Konkurrenz zu Musk

Vermehrtes Investoren-Interesse nach dem Krach im Weißen Haus hat auch Cailabs gespürt. Das 2013 gegründete Start-Up stellt sogenannte Sonnen-Optik-Stationen her, die über Laser mit Satelliten kommunizieren. Die Stationen können Internetverbindungen, aber auch sichere Kommunikationsleitungen etablieren und sie sind ein Konkurrenzprodukt zu den Satellitenschüsseln Starlink des US-Milliardärs Elon Musk.

"Unsere Stationen sind erheblich schwieriger zu orten, weil sie nicht auf Radiosignalen basieren, sind aber bisher zu groß, um sie an der Front einzusetzen", erklärt Geschäftsführer Jean-François Morizur gegenüber der DW.

Der Militärtransporter Airbus A400M ist ein Beispiel für europäische Zusammenarbeit im RüstungsbereichBild: AP

Dennoch stamme die Hälfte des Umsatzes aus militärischen Anwendungen der Technik. Dieser Anteil sollte in Kürze auf 80 Prozent steigen. "Bisher exportieren wir den größten Teil unserer Produkte vor allem in die USA. Aber das könnte sich bald ändern, auch durch die EU-Gelder."

Europa braucht Frankreich - und umgekehrt

Das Pariser Start-Up Kayrros hat vor Kurzem seine ersten Verträge mit Verteidigungsfirmen unterschrieben. Das Unternehmen analysiert Veränderungen auf Satellitenbildern mithilfe Künstlicher Intelligenz. Das könnten bald auch Truppenbewegungen sein.

"Frankreich wird eine wichtige Rolle mit seiner Kompetenz in Sachen Weltall spielen im Zuge der Aufrüstung, weil es hier ein Mini-Silicon-Valley in dem Bereich und viele sehr gute Forschungsinstitutionen gibt", sagt Antoine Halff, Mitgründer von Kayrros, zur DW.

Dennoch sollte Frankreich Bescheidenheit an den Tag legen, sagen einige Experten und Expertinnen wie etwa Delphine Deschaux-Dutard, Politikwissenschaftlerin und stellvertretende Leiterin des Grenobler Forschungszentrums für Internationale Sicherheit und Europäische Kooperationen: "Frankreich kann die USA als neuer Anführer in Sachen Sicherheit nicht ersetzen - es geht um Kooperation mit anderen Ländern wie Deutschland oder Italien", sagt sie zur DW. "Wir brauchen europäische Champions, um Skaleneffekte zu erzielen. Da sollte Frankreich diplomatischer und nicht zu hochnäsig auftreten."

Deutsch-Französische Brigade

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