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GesellschaftGlobal

Franziskus, ein Papst für die Armen

21. April 2025

Er wusch Flüchtlingen die Füße, kritisierte Kapitalismus und Umweltzerstörung und predigte Barmherzigkeit und religiösen Dialog. Hat der verstorbene Pontifex aus Argentinien die Erwartungen des globalen Südens erfüllt?

Papst Franziskus auf einer Bühne in einem Stadion mit Blick auf Tausende Menschen auf auf der Innenfläche und den Tribünen
Die Jugend war für Papst Franziskus die "lebendige Hoffnung" für die Kirche - hier bei einem Treffen mit jungen Menschen in der Demokratischen Republik KongoBild: EV Vatican Media/ABACAPRESS.COM/IMAGO

Der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff war sich sicher: "Dieser Papst wird die Kirche verändern", erklärte er kurz nach der Wahl von Franziskus im Juli 2013 in einem Interview mit der Deutschen Welle

Boff hatte Recht. Franziskushat die Kirche verändert. Aber die Veränderungen haben nicht die Hoffnungen erfüllt, insbesondere im globalen Süden, die mit der Wahl des ersten Papstes aus Lateinamerika verbunden waren. Insgesamt fällt die Bilanz sehr ambivalent aus.

Hoffnung, den Papst zu sehen: Tausende Menschen warten in Kinshasa am Straßenrand auf die Ankunft von Franziskus im Januar 2023Bild: REUTERS

Kritik am Kapitalismus

Dabei fing das Pontifikat des bis dahin weitgehend unbekannten Jorge Bergoglio, Erzbischof aus Buenos Aires, sehr vielversprechend an. Millionen Gläubige jubelten dem Papst auf dem Weltjugendtag 2013 in Rio de Janeiro zu, als er von der "Option für die Armen" sprach, Gefangenen in einer Jugendhaftanstalt die Füße wusch und den Kapitalismus geißelte.

"Der Papst hat sich schon während seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires für die Armen in seiner Diözese eingesetzt", erklärt der argentinische Journalist Miguel Hirsch gegenüber der DW. Hirsch ist Autor des Porträt-Buches "Jorge. Begegnungen mit einem, der nicht Papst werden wollte".

"Wir brauchen Versöhnung": Einer seiner jüngsten Reisen führte Franziskus im Januar dieses Jahres in den Südsudan Bild: Vatican Media/abaca/picture alliance

Für den Papstkenner ist es dieser Einsatz für die Armen, der das Pontifikat prägt. "Er hat schon sehr viel in Bewegung gesetzt, auch mit seinen rund 40 Reisen, die ja überwiegend in Entwicklungsländer gingen", so Hirsch. "Und er hat immer wieder das kapitalistische System angeprangert."

Blick nach Fidschi

Für das katholische Hilfswerk Misereor gehört zu den Verdiensten des Papstes auch der Einsatz für Klimaschutz. Der Kampf gegen Armut und Umweltzerstörung müssten zusammen betrachtet werden. Dies sei die Kernaussage der 2015 veröffentlichen Enzyklika "Laudato si".

"Der Papst hat mit 'Laudato si' den Mächtigen ins Gewissen geredet", erklärt Pirmin Spiegel, ehemaliger Hauptgeschäftsführer von Misereor. "Mir hat der Erzbischof von Suva auf Fidschi, Peter Loy Chong, gesagt, dass für die Bevölkerung Vorort Klimawandel und Migration die wichtigsten Fragen sind", so Spiegel.

Leonardo Boff interpretierte die Enzyklika in einem Beitrag für die deutsche, links-alternative "Tageszeitung". "Es ist das erste Mal, dass ein Papst das Thema Ökologie ganzheitlich behandelt", schwärmte er. Viele Aussagen knüpften an die lateinamerikanische Befreiungstheologie an.

Befreiungstheologe Leonardo Boff 2013: Dieser Papst wird die Kirche verändernBild: Fabio Guinalz/Fotoarena/imago images

Europas Einfluss schwindet

Der Einfluss der Region, in der mit knapp 40 Prozent die meisten Katholiken auf der Welt leben, hat im Vatikan zugenommen. Franziskus wolle "eine Dynastie von Päpsten aus der Dritten Welt gründen", prognostizierte Boff 2013 im DW-Interview.

Die Entwicklung ist in vollem Gange. Nach Angaben des US-Forschungsinstitutes Pew Research Center hat die Ernennung neuer Kardinäle durch den Papst dazu geführt, dass die Mehrheit der 132 Wahlberechtigten im Konklave, dem Kardinalsgremium, das den Papst wählt, nicht mehr aus Europa stammt.

Von den 83 neu ernannten wahlberechtigten Kardinälen sind zwar immer noch 34 Prozent aus Europa, aber insgesamt 66 Prozent entfallen mittlerweile auf die Regionen Asien-Pazifik-Region (22%), Lateinamerika (21%), Afrika (13%), Nordamerika (8%) und den Nahen Osten (2%).

Bischof Peter Ebere Okpaleke aus Nigeria gehört zu den 20 neuen Kardinälen, die Franziskus am 27. August 2022 ernannteBild: Andrew Medichini/AP Photo/picture alliance

Allerdings ist der alte Kontinent angesichts der weltweiten Verteilung von Katholiken immer noch überrepräsentiert. Denn nur noch knapp ein Viertel (24%) aller Katholiken lebt in Europa. In Lateinamerika liegt der Anteil laut Pew Research bei 39 Prozent, im asiatisch-pazifischen Raum bei zwölf Prozent, in Sub-Sahara Afrika bei 16 Prozent, in Nordamerika bei acht Prozent und im Nahen Osten bei einem Prozent.

Reformen, nein danke

Doch auch wenn sich die regionalen Gewichte verschieben - die Strukturen der katholischen Kirche hatte Papst Franziskus nicht einschneidend verändert. Besonders deutlich wurde dies bei der Amazonassynode im Oktober 2019.

In dem anschließend veröffentlichten Apostolischem Schreiben "Querida Amazonia" wurden alle Hoffnungen auf Reformen in der durch extremen Priestermangel gekennzeichneten Region zunichte gemacht.

Nicht nur die Zulassung von verheirateten Männern, die sich in der Gemeinde verdient gemacht haben (Viri probati) als Priester wurde abgelehnt. Auch die Weihe von Frauen zu Diakoninnen, die in der Praxis bereits Gottesdienste zelebrierten, wurde verworfen.

Er feiert Gottesdienste, darf aber nicht Priester werden: Laienprediger Antelmo Pereira aus Santa Rosa im AmazonasBild: picture-alliance/AP Photo/F. Vergara

Misereor-Geschäftsführer Pirmin Spiegel, der an der Amazonassynode teilgenommen hat, kann sich die Entscheidung des Papstes bis heute nicht erklären. "Zwei Drittel der Bischöfe auf der Synode waren für die 'Viri probati' und das Diakonat der Frauen", erinnert er sich. "Der Ball lag vorm Tor, und er hat ihn nicht rein-, sondern rausgeschossen. Warum? Ich habe keine Ahnung."

Chiles Bischofskonferenz tritt zurück

Große Enttäuschung auch beim Thema sexueller Missbrauch. Das 1989 in den USA gegründete Netzwerk für von Priestern missbrauchten Katholiken SNAP (Survivors Network of those Abused by Priests) fragt sich, wo nach den starken Worten von Franziskus die Taten blieben.

"Warum hat er die schlimmsten Übeltäter nicht exkommuniziert?", fragt der stellvertretende SNAP-Vorsitzende David Clohessy im National Catholic Reporter vom 29. März dieses Jahres. "Und warum stuft er Bischöfe, die von Missbrauchstaten gewusst, aber geschwiegen haben, nicht zurück, sondern verabschiedet sie in den Ruhestand?".

In Chile waren die Bischöfe schneller als der Papst. Im Zuge des Missbrauchsskandals bot die gesamte Bischofskonferenz 2018 während des Papstbesuches ihren Rücktritt an. Ein bis dahin einmaliger Vorgang in der katholischen Kirche.

Der katholische Bischof und Friedensnobelpreisträger Carlos Filipe Ximenes Belo aus Osttimor soll in den 1980er und 1990er Jahren Minderjährige missbraucht haben. Erst 2020 verhängte der Vatikan Disziplinarmaßnahmen Bild: Firdia Lisnawati/AP/picture alliance

Späte Ehrung für Oscar Romero

Der Kolumnist und Dominikaner Bruder Bento zieht eine widersprüchliche Bilanz:  "Dieser Papst hat es geschafft, alle zu enttäuschen", schreibt er in der portugiesischen Zeitung Publico. "Die Laien, die auf Reformen drängen genauso wie die Traditionalisten, die zur Vergangenheit zurückkehren wollen".

Die größte Zustimmung habe Franziskus immer noch bei den Armen und denjenigen, die jahrzehntelang wegen ihrer Treue zum Evangelium in Rom angefeindet wurden. Zu ihnen gehörte auch Oscar Romero. Der Erzbischof von El Salvador, der für eine Landreform in seiner Heimat eintrat, wurde 1980 ermordet.

Erst 24 Jahre nach dem Beginn des Seligsprechungsprozesses 1994 wurde der lateinamerikanische Volksheld und Heilige Oscar Romero auch vom Vatikan als Heiliger anerkannt. Die Heiligsprechung erfolgte am 14. Oktober 2018 in Rom - durch Papst Franziskus.

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