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Politik

Franziskus' Suche nach Frieden in Kairo

Martin Gehlen
28. April 2017

Papst Franziskus will in Kairo den christlich-muslimischen Dialog beleben und Solidarität mit den Kopten zeigen. Die ägyptische Regierung nutzt den Besuch vor allem, um ihren Ruf aufzubessern. Aus Kairo Martin Gehlen.

Ägypten vor dem Papst Besuch Plakat in Kairo
Bild: Reuters/A. Abdallah Dalsh

Für die jungen muslimischen Theologen war es eine Lebenspremiere. Seit vier Jahren studieren sie islamische Theologie und Deutsch an der Kairoer Al-Azhar-Universität. Die meisten wollen nach dem Examen in Deutschland oder Österreich als Imame arbeiten.

Am vergangenen Sonntag saßen sie zum ersten Mal in ihrem Leben in den vordersten drei Bänken der kleinen Evangelischen Kirche an der vielbefahrenen Galaa-Straße in Kairo. Jeder der 14 Studenten hatte ein deutsches Gesangbuch vor sich, neugierig schweiften die Blicke durch das ockergelb getünchte Kirchenschiff, während der deutsche Pfarrer Stefan El Karsheh den seltenen Gästen die Bedeutung des Taufbeckens und des Altares erläuterte.

Zum ersten Mal in der Kirche

Was in Deutschland mittlerweile an Tagen der offenen Moschee oder bei Dialogtreffen zwischen Christen und Muslimen zum interreligiösen Alltag gehört, ist in Ägypten eine absolute Rarität. Zehn Prozent der 93 Millionen Einwohner sind Christen, 90 Prozent Muslime.

Zum Auftakt seines Kairo-Besuchs will der Papst mit dem Chef der Al-Azhar Universität (links) zusammentreffen Bild: picture alliance/AP Photo/A. Nabil

Abdelwakeed Abou Rehab gehört zur Mehrheit der Muslime. Aufgewachsen ist der 23-Jährige allerdings unter Christen. Sein Elternhaus im oberägyptischen Sohag ist der einzige muslimische Haushalt in der Straße, erzählt er, wo ansonsten nur Kopten wohnen. Im Studium las er zum ersten Mal die Bibel und wühlte sich durch ein dickes Jesusbuch eines deutschen Theologen, eine Kirche jedoch hat er bisher noch nie von innen gesehen.

Genauso wie Mahmoud Salem, der bei dem anschließenden Rundgespräch mit der deutschen Gemeinde freimütig bekannte, wie tief ihn der Gesang, die Orgelmusik und die Gebete berührt haben. "Ich hatte bisher nur ein paar seltsame Phrasen aus der Bibel im Kopf. Dass man den christlichen Glauben so intensiv leben kann, hätte ich mir nicht vorstellen können", sagt er, der im Norden Kairos aufwuchs.

Solche Kontakte hat Papst Franziskus vor Augen, wenn er für bessere muslimisch-christliche Beziehungen wirbt. Seine zweitägige Kairoreise beginnt deshalb an diesem Freitag mit einem Treffen des Vorsitzenden der Al-Azhar-Universität, der ältesten und bedeutendsten Lehranstalt des sunnitischen Islam. Für deren Chef Ahmed al-Tayyeb ist der Besucher aus Rom "eine Person, die in ihrem Herzen den Respekt für andere Religionen trägt".

Trauer und Verzweiflung: Bei dem Terroranschlag auf eine koptische Gemeinde in Tanta kamen 21 Menschen ums LebenBild: Reuters/M. Abd el Ghany

Beten für Christen

Doch die Visite des katholischen Oberhauptes fällt in aufgewühlte Zeiten. Nie zuvor haben islamische Gewalttäter ihre Religion so systematisch in Verruf gebracht. Noch nie waren Existenz und Überleben der christlichen Minderheiten im Orient so gefährdet wie heute. In Kairo, Tanta und Alexandria töteten Selbstmordattentäter in einer bisher beispiellosen Terrorserie 75 Gottesdienstbesucher. Zusammen mit dem koptischen Papst Tawadros II. will Franziskus zur St.-Peter-und-Paul-Kirche gehen, um für die 29 Christen zu beten, die im Dezember 2016 kurz vor Weihnachten von einer Bombe zerfetzt wurden.

Dagegen bezweifeln viele in Ägypten lebende Christen, dass engere offizielle Kontakte zwischen Al-Azhar und Vatikan ihr Zusammenleben mit den Muslimen verbessern könnten. "Das Ganze ist nur ein formelles Treffen - nicht mehr und nicht weniger", urteilt der koptische Publizist Kamal Zakher. Greifbare Ergebnisse erwarte er von einem solchen Protokolltermin nicht.

Seiner Meinung nach sollte Al-Azhar erst einmal ihren religiösen Diskurs von Grund auf erneuern, bevor sie mit anderen Religionen Gespräche aufnehme. Dagegen sehen Kairoer Ordensbrüder des Papstes, wie der Jesuit Bimal Kerketta, die Lage etwas positiver. Der Besuch von Franziskus sei ein gutes Zeichen, weil er die Kontakte zum Islam neu belebe, sagt er. "Was jedoch die tägliche Praxis im Umgang miteinander angeht, das ist noch ein sehr langer und schwieriger Weg."

Ägyptens Präsident al-Sisi traf Papst Franziskus erstmals bei seinem Besuch im November 2014 im VatikanBild: picture-alliance/dpa/ANSA/AFP/G. Bouys

Kreuz und Halbmond

Wegen der Terrorgefahr gilt in den kommenden Tagen die höchste Sicherheitsstufe am Nil, auch wenn sich der unorthodoxe Pontifex aus Argentinien weigert, in einem Papamobil mit schusssicheren Scheiben durch die ägyptische Hauptstadt zu fahren. "Darin fühle ich mich wie in einer Sardinenbüchse", sagte der 80-Jährige. Das tonnenschwere Gefährt hindere ihn daran, mit den normalen Leuten in Kontakt zu kommen.

Höhepunkt des Besuchs ist am Samstagmorgen ein Open-Air-Gottesdienst im so genannten Stadion der Luftwaffe, welches am Stadtrand auf einem Militärgelände liegt. "Der Papst des Friedens im Ägypten des Friedens", lautet das offizielle Motto des Besuches. Das Logo zeigt den winkenden Franziskus mit einer Friedenstaube vor dem Nil, den Pyramiden und der Sphinx. Im Zentrum aber stehen Kreuz und Halbmond, um die Hoffnung auf eine friedliche Koexistenz von Christentum und Islam zu symbolisieren.

So wie auch die Initiative der 14 Al-Azhar-Studenten, die am vergangenen Sonntag an dem Gottesdienst in der deutschen Gemeinde teilnahmen. Für die Radikalisierung unter Muslimen machen sie auch die Zustände im eigenen Land verantwortlich. Islamistische Gewalttäter seien deshalb so leicht zu indoktrinieren, sagen sie, weil es in Ägypten keine Meinungsfreiheit gebe und keine Möglichkeit, offen zu diskutieren, auf andere einzuwirken und sie so von ihrem Irrweg abzubringen.

Auch ihr Gastgeber, Pfarrer Stefan El Karsheh, ist draußen vor der Kirchentür wieder zurück in der rauen Realität. Nach den Selbstmordanschlägen in Tanta und Alexandria am Palmsonntag will die ägyptische Polizei jetzt auch über dem Eingang seiner deutschen Kirche zwei Überwachungskameras installieren.

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