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Eher sterben als untertauchen

Maximiliane Koschyk
20. Juli 2019

Mit dem Attentat auf Adolf Hitler gingen die Männer des 20. Juli 1944 in die Geschichte ein. Zu verdanken ist das Frauen wie Clarita von Trott zu Solz. Als Überlebende haben sie die Ereignisse aufgeschrieben.

Adam und Clarita von Trott zu Solz
Adam und Clarita von Trott zu Solz
Bild: Privatbesitz/Reproduktion Gedenkstätte Deutscher Widerstand

An dem Tag, an dem ihr Mann in die Geschichte eingeht, tut Clarita von Trott zu Solz etwas in ihren Augen sehr Ungewöhnliches: "Ich habe meinen Mann niemals angerufen, ohne das ich einen konkreten Anlass hatte. Und da hab ich ihn ausgerechnet am 20. Juli frühmorgens angerufen."

Ungewöhnlich, weil Deutschland im Juli 1944 seit knapp fünf Jahren Krieg führt. Telefone sind eine Seltenheit. Ihr Mann aber ist Diplomat in Berlin. Im ländlichen Imshausen haben sie ein Telefon im Schlafzimmer, mit der die Eheleute sich trotz der Entfernung austauschen können.

Ungewöhnlich, weil von Trotts Mann Adam Teil eines politischen Komplotts ist, die das Regime der Nationalsozialisten stürzen will. Die Freunde treffen sich heimlich. Aus Angst abgehört zu werden, stülpen Clarita und Adam bei Gesprächen zuhause schon mal einen Kaffeepott-Wärmer über das Telefon.

"Er hat es überlebt": Das Attentat auf Hitler

Am 20. Juli wagt von Trott aus dem Nichts heraus das Ungewöhnliche. Es wird das letzte Mal sein, dass sie und ihr Ehemann Adam an diesem Sommermorgen 1944 miteinander sprechen. Fünf Tage später wird er verhaftet werden. Einen Monat danach ist er tot. Hingerichtet von den Nationalsozialisten als Volksverräter. "Ich hab mir eher zugetraut zu sterben als unterzutauchen", sagt Clarita von Trott zu Solz. Auch sie muss zeitweise ins Gefängnis, ihre beiden Töchter werden währenddessen verschleppt.

Als sie nach dem Telefonat mit ihrem Mann ins nahe gelegene Dorf geht, ist es schon passiert. "Da kam ein Dorfbewohner und sagte: Haben Sie schon gehört? Auf den Führer ist ein Attentat verübt worden. Er hat es aber überlebt", beschreibt von Trott den Moment, als sie von dem missglückten Attentat auf den NS-Diktator erfährt. Um 12.42 ist im ostpreußischen Führerhauptquartier "Wolfschanze" während einer Besprechung mit Adolf Hitler eine Bombe explodiert.

Mit den Ereignissen des 20. Juli 1944 verbindet man vor allem den Namen des Offiziers, der diese Bombe zündete: Claus Graf Schenk zu Stauffenberg. Er ist der Drahtzieher der Operation Walküre, dem gescheiterten Attentat auf NS-Diktator Adolf Hitler.

Die Frauen des Widerstands sind unbekannt

Das Ziel war Hitler zu töten, und das NS-Regime zu stürzen. Wie es mit Deutschland danach weiter gehen soll, darüber haben sich die Freunde der bürgerlichen Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis Gedanken gemacht. Auch andere Frauen wie Freya von Moltke war in die heimlichen Treffen ihres Manns Helmuth und anderer Adeligen involviert. Adam vermittelt zwischen beiden Widerstandsgruppen.

Stauffenberg, Moltke, Wartenburg: Namen, die Geschichte schrieben. Die Frauen des deutschen Widerstands gegen das NS-Regimes kennen dagegen die wenigsten. "Ihre Namen, ihr Wirken sind weithin unbekannt", sagt Elisabeth Motschmann, Bundestagsabgeordnete der CDU. "Genau das ist ungerecht." Sie steht am Rednerpult, der Plenarsaal des Parlaments ist spärlich gefüllt. Es ist kurz vor der Sommerpause des Deutschen Bundestags. Ein paar Abgeordnete klatschen anstandshalber.

Lange nur eine Zeitzeugin am Rande der Geschichte

Die Geschichte der Frauen des Widerstands ist eine, die bislang nicht in den Schulbüchern steht. Denn ihr Anteil an den historischen Ereignissen ist kaum erforscht. Interviews mit Frauen wie von Trott gibt es wenige. "Lange wurde Clarita von Trott als Zeitzeugin nur am Rande wahrgenommen", schreibt die Historikerin Maren Drews-Lehmann. Sie ist eine der wenigen, die Clarita von Trott zu Solz vor ihrem Tod 2013 interviewt hat. "Die Einigkeit über die politischen Ziele und die Tätigkeit meines Mannes, die war ja überhaupt die Grundlage unserer Ehe", erklärt Clarita später. Von der naiven Frau eines Volksverräters keine Spur.

Als Witwe, alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Kindern, frisch promovierte Ärztin, setzt sie sich 1956 hin und beginnt die Geschichte ihres Mannes aufzuschreiben. Warum? "Mit dem Scheitern des Staatsstreichsversuchs 1944, dem Höhe- und Endpunkt seines intensiven, nur 35-jährigen Lebens, fiel diese Rekonstruktion als Aufgabe mir zu."

"Sie mussten ihre Kinder belügen, um sie zu schützen"

75 Jahre später will sich nun auch die Bundesrepublik um Rekonstruktion und Gerechtigkeit für die Frauen des deutschen Widerstands bemühen. Im Mai 2019 wurden die mikroskopischen Überreste von rund 300 Regime-Gegner beigesetzt. Sie waren in der Berliner Hinrichtungsstätte Plötzensee ermordet und ihre Leichen von NS-Medizinern zur Forschung missbraucht worden. Unter den Opfern sind vor allem Frauen der Widerstandsgruppe "Rote Kapelle".

Clarita von Trott zu Solz mit ihren beiden TöchternBild: Privatbesitz/Reproduktion Gedenkstätte Deutscher Widerstand

"Sie mussten ihre Kinder belügen, um sie zu schützen", beschreibt Elisabeth Motschmann die Beweggründe, die nur wenige Frauen wie Clarita von Trott zu Solz dazu bewegt, selbst zur Geschichtsschreibung beizutragen. Zumal man sich in der Bundesrepublik lange nicht für die Aufarbeitung interessierte. "In der Nachkriegszeit mussten sie sich als Frauen von Volksverrätern beschimpfen lassen." Erst Anfang des Jahrtausends gelangt das Manuskript Clarita von Trotts zu Solz in die Hände von Historikern der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Sie ermutigen von Trott, das Buch zu veröffentlichen.

Bundesregierung will in Forschung investieren

Forschungsgelder sollen jetzt helfen, die Leistung von Frauen des Widerstands gegen das NS-Regime aufzuarbeiten. Das wollen Elisabeth Motschmann und eine Gruppe engagierter Parlamentarier im Bundestag erreichen. "Ich empfehle allen Bürgerinnen und Bürgern, ob hier auf der Tribüne oder daheim vor dem Fernseher oder anderswo, diesen Antrag komplett zu lesen", appelliert auch die Linken-Abgeordnete Petra Pau für den Beschluss.

Fast wäre er gescheitert, an den Kulturausschuss weitergereicht worden und vermutlich bis zum Jahrestag liegen geblieben. "Um ein vollständiges Bild des Widerstands zu schaffen, müssen Frauen als Akteurinnen in den Jahren 1933 bis 1945 anerkannt werden, ohne dabei auf ihre Rolle als Frauen reduziert zu werden", beschließt der Bundestag dann trotzdem. 75 Jahre nach dem 20. Juli können so künftig auch Frauen wie Clarita von Trott zu Solz noch ihren Platz in der Geschichte finden.

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