Umstrittene Frauenquote
25. Oktober 2012 Es waren gerade die Frauen der EU-Kommission, die sich gegen die Quote stellten. Unter anderem sollen sich die EU-Außenkommissarin Catherine Ashton, die niederländische Kommissarin für die Digitale Agenda Neelie Kroes, die schwedische EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström und die dänische Klimakommissarin Connie Hedegard gegen die Quote ausgesprochen haben, hört man aus der Kommission.
Währungskommissar Olli Rehn und Binnenmarktkommissar Michel Barnier dagegen stellten sich hinter Reding. Sie hatte ein Gesetz gefordert, das eine Quote von 40 Prozent Frauen bei den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen festschreibt. Das Ziel sollte bis 2020 erreicht werden. Jetzt muss das Vorhaben nachjustiert werden. Eine Entscheidung der Kommission wird im November erwartet.
In Europa umstritten
In den EU-Mitgliedsstaaten gibt es bislang keine einheitliche Praxis: In Deutschland ist die Frauenquote umstritten. In Frankreich gibt es sie seit kurzem. Auch Italien und die Niederlande haben eine entsprechende Regelung. In Großbritannien dagegen gibt es keine Quote. Und es verwundert daher nicht, dass die Briten zu den neun Mitgliedsstaaten gehören, die gegen eine Quote stimmen wollen. In den skandinavischen Staaten werden Frauen im Erwerbsleben zwar besonders gefördert. Trotzdem habe man dort eher schlechte Erfahrungen mit der Frauenquote gemacht, sagt die Luxemburger Europaabgeordnete Astrid Lulling.
Auch das Europäische Parlament muss über die Frauenquote abstimmen - und ist in der Frage zerstritten. Lulling gehört zu den Quoten-Gegnern. Sie zitiert Studien, die deren Misserfolg gerade in den nordischen Ländern belegen sollen: Vor dem Gesetz in Norwegen habe es mehr als 600 börsennotierte Firmen gegeben, drei Jahre später nur noch etwas über 300, so die EU-Abgeordnete. Sie liefert die Begründung gleich nach: "Die meisten haben gesagt, das liege an der Quote."
Inkompetente Goldröckchen
Wenn nur börsennotierte Unternehmen mit einem bestimmten Mindestumsatz und einer bestimmten Mitarbeiterzahl eine Frauenquote einführen müssten, könnte man als Unternehmen versuchen, diese Voraussetzungen zu umgehen: Weniger Mitarbeiter, weniger Umsatz und weg von der Börse, argumentiert die Luxemburgerin gegen die Quote. Die Norwegerinnen, die ihre Position in der freien Wirtschaft per Quotierung bekommen hätten, würden dort übrigens Goldröcke genannt, sagt Lulling spöttisch.
Die 83-Jährige gehört im Europäischen Parlament der konservativen Fraktion EVP an. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften, bevor sie vor Jahrzehnten in die Politik ging. Das Geheimnis des Erfolgs sei nicht die Quote, sondern die Berufswahl: "Weshalb haben wir keine Frauen als Gouverneure in den Zentralbanken der meisten Länder? Weil die Frauen, die jetzt in dem Alter wären, in diese Positionen einzutreten, damals eben nicht Mathematik, Finanzwissenschaften, Betriebswirtschaft oder Volkswirtschaft studiert haben. Dann ist es ein bisschen schwierig, diese Positionen zu übernehmen."
Unzulässige Rochaden?
Lulling hat außerdem Bedenken gegen die Frauenquote, weil sie missbraucht werden kann: Sie werde nämlich instrumentalisiert, um eine Frau an eine Position zu holen, wenn einem der - männliche - Kandidat nicht gefalle. Als aktuelles Beispiel nennt sie Yves Mersch: Der Präsident der luxemburgischen Zentralbank soll ins Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) berufen werden. Doch seine Ernennung durch den Europäischen Rat ist umstritten. Am Montagabend (22.10.2012) lehnte der Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments die Personalie bereits ab - unter Berufung darauf, dass dann keine Frau in den Chefetagen der EZB tätig sei. Lulling glaubt dagegen, dass Mersch vielen politisch einfach nicht mehr genehm sei.
In der Sitzung des Wirtschaftsausschusses habe Lulling auch entschieden erklärt, dass es nicht um das Geschlecht des Herrn Mersch gehen dürfe: "Was mich bei Mitgliedern des Direktoriums der EZB interessiert, sind ihre Kompetenzen, denn es geht um mein Geld. Und da ist mir das Geschlecht piepegal, ich möchte tüchtige Leute haben." Sie sei froh, wenn es tüchtige Frauen gebe, die dann auch in Zukunft die Posten bekommen könnten.
Die EU-Parlamentarier haben am Donnerstag (25.10.2012) über Mersch abgestimmt und ihn abgelehnt. 325 Abgeordnete stimmten gegen den
Luxemburger Notenbankchef, 300 für ihn und 49 Abgeordnete enthielten
sich. Das Votum ist zwar nicht bindend, für die Akzeptanz Merschs als Entscheider in der Euro-Krise ist es dennoch wichtig. Außerdem hängt am Einzug Merschs in die EZB möglicherweise auch die Zukunft seines Landsmannes Jean-Claude Juncker: Der hatte erklärt, er übernehme den Posten des Euro-Gruppen-Chefs nur dann weiter, wenn Mersch Mitglied des EZB-Direktoriums werde.
In Debatten geht es hoch her
Auch bei einer früheren Parlamentsdebatte ging es hoch her, in der es allerdings ausschließlich um die Frauenquote ging. Die deutsche Europa-Abgeordnete Rebecca Harms von den Grünen sprach sich damals für die Frauenquote aus: "Um die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu verwirklichen, brauchen wir Gesetze und Regeln. Und dazu gehört meiner Meinung nach die Quote", so Harms.
Aus dem Europa-Abgeordneten Godfrey Bloom von der nationalkonservativen Fraktion Europa der Freiheit und Demokratie (EFD) brach es damals förmlich heraus: "Was ist das für ein Wahnsinn? Frauen, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben, um eine verantwortungsvolle Position in der Wirtschaft zu erlangen, berufstätige Frauen, sollen jetzt von Quoten gegängelt werden." Total verrückt sei die ganze Sache mit der Quote. Und: "Es ist eine Tragödie, dass niemand von Ihnen jemals einen richtigen Job hatte, sonst würden Sie das verstehen."