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Frauen sind die besseren Investoren

Sophie Schimansky New York
5. Juni 2017

Sie wissen es nur nicht. Weil die Branche auf Männer ausgelegt ist, fehlt es an Konzepten. Digitale Investmentplattformen wollen diese Lücke füllen - und die Großen der Branche ziehen nach.

Internationaler Frauentag in New York
Bild: Reuters/B. McDermid

Die Wall Street gilt als Club der Männer. In den Büros von Banken und Vermögensverwaltern arbeiten Männer, in den Vorständen bestimmen sie und auch in den Familien kümmern sie sich ums Geld. Dabei geht völlig unter, dass Frauen rund fünf Billionen Dollar an Vermögen besitzen. 90 Prozent aller Frauen sind in mindestens einer Lebensphase alleine für ihr Geld verantwortlich, weil sie später heiraten, sich öfter scheiden lassen oder ihren Partner überleben. Doch sie investieren dieses Vermögen nicht.

Die Branche wittert einen neuen Markt - zahlreiche Startups schießen aus dem Boden, die Frauen helfen wollen, ihr Geld anzulegen, um so an diesem ungenutzten Markt  zu verdienen. Eines von ihnen ist Ellevest. Gegründet wurde das New Yorker Startup 2014 von Sallie Kravcheck. Sie ist eine Branchengröße an der Wall Street - eine der wenigen weiblichen. Die 52-Jährige war CEO bei den Banken Citigroup und Bank of America. Sie kennt die Industrie wie kaum jemand anderes.

Reine Männersache: Blick in den Handeslsaal an der New Yorker BörseBild: picture alliance/Mark Lennihan/AP/dpa

Freuen – kein Geld und keine Ahnung?

Und sie weiß um die große Schwäche der Finanzindustrie: Den Frauenmangel. Sie weiß um all die Mythen rund um Frauen und Geld - sie hat die fast täglich gehört, von Mitarbeitern und Chefs anderer Banken. Kravcheck selbst sagt heute, sie habe gedacht wie ihre männlichen Kollegen - Frauen haben kein Geld und keine Ahnung vom Anlegen.

"Dass Frauen kein Interesse an Investments haben, ist ein Mythos”, sagt sie. Die Finanzindustrie habe es lediglich bisher nicht geschafft, Frauen angemessen anzusprechen - kein Wunder, denn vier von fünf Finanzberatern sind männlich. Die Finanzindustrie sei geprägt von Vokabular und Gebärden aus Sport und Krieg.  "Die Industrie hat lange nicht begriffen, dass die Hälfte der Bevölkerung und deren Geld hinten über fällt, wenn es ums Investieren geht”, sagt Kravcheck. Als sie das ihren männlichen Kollegen gesagt hat, hätten die damit geantwortet, dass doch der Ehemann das Geld verwalten würde.

Deswegen ist Kravcheck ausgestiegen bei den Großen und hat ihr eigenes Startup gegründet: Ellevest ist eine digitale Investmentplattform von Frauen, für Frauen. Ellevest berät Frauen darin, wie sie ihr Geld anlegen können und verwaltet das angelegte Geld gegen eine Gebühr in 21 verschiedenen Asset-Klassen - ganz genau wie andere Vermögensverwaltungen. Doch das Angebot ist maßgeschneidert für Frauen. Dazu musste das Team rund um Kravchek das Konzept ganz neu erfinden. Denn Frauen haben andere Ansprüche, die alleine daraus entstehen, dass sie weiblich sind.

Maßgeschneiderte Angebote

So berücksichtigt Ellevest die Einkommenskurve von Frauen, die insgesamt flacher verläuft und früher den Höhepunkt erreicht. Sie rechnet den Fakt mit ein, dass sie eher mal eine Karrierepause einlegen, wenn ein Kind auf dem Weg ist und dass Frauen durchschnittlich länger leben. All das würde in den gängigen Angeboten nicht berücksichtigt, sagt Kravcheck."Gepaart mit männlichen Beratern führt das momentan dazu, dass Frauen hunderttausende von Dollar verlieren”, sagt Kravcheck.

Aber auch die Großen haben das Potential erkannt. Black Rock, mit 5,4 Billionen der größte Vermögensverwalter der Welt, hat eine Abteilung gegründet, die das Investmentverhalten von Frauen untersucht. Ebenso der Konkurrent Fidelity Investment. Alexandra Taussig arbeitet dort als Vizepräsidentin für die Abteilung Frauen und Investments. Frauen unterschieden sich nicht nur in den finanziellen Anforderungen, erklärt Taussig, sondern auch in ihrer Einstellung zu Geld und Anlagen.

Screenshot der Webseite von ellevest.comBild: ellevest.com

Frauen sind vorsichtiger

Vor allem in Sachen Risikobereitschaft denken Frauen anders als Männer. Kajanga Kulatunga leitet den Bereich Behavioral Investing bei bei der australischen Vermögensverwaltung "nab asset managment". In einer Studie hat er untersucht, ob Frauen und Männer anatomische Unterschiede im Hirn vorweisen, wenn es ums Investieren geht. Tatsächlich sind unterschiedliche Regionen aktiv, sagt er. "Männer gehen aufgrund dieser Gegebenheit mehr Risiko ein als Frauen”. Das ist wenig überraschend, entspricht es doch dem Klischee.

Doch unter anderem diese Eigenschaft macht Frauen zu den besseren Investoren, da sind sich Kravcheck, Taussig und Kulatunga einig. Die Zahlen bestätigen sie: Wenn Frauen ihr Geld anlegen, dann tun sie das sehr erfolgreich - erfolgreicher als Männer. Die Datenplattform Openfolio wertet regelmäßig aus, wie amerikanische Anleger abschneiden. In 2016 haben weibliche Investoren männliche zum dritten Jahr in Folge übertroffen. Bei der Untersuchung von 60.000 Nutzern hat die Plattform herausgefunden, dass in 2015 weibliche Anleger 0,4 Prozent mehr Rendite machten als männliche. In 2015, einem schlechten Markt für den Aktienmarkt, verloren Frauen 2,5 Prozent, Männer hingegen knapp vier Prozent.

Sie wissen nicht, dass sie besser sind

Doch dass Frauen bessere Investorinnen sind, ist offenbar kaum jemandem geläufig, ihnen selbst am wenigsten. Das hat unter anderem Taussig in einer Studie unter Fidelity Kunden herausgefunden. "Wir haben Kunden gefragt, wer der bessere Anleger ist, ein Mann oder eine Frau.” In nur neun Prozent der Fälle lautete die Antwort, Frauen seien besser. In 42 Prozent hingegen fiel die Wahl auf Männer.

Auch Frauen glauben an diesen Mythos – deshalb trauen sie sich nichts zu und neigen dazu, die Verantwortung an ihren Ehemann abzugeben. Männer wie Frauen fallen nach wie vor den gleichen Mythen zum Opfer, erklärt Kravcheck. Frauen seien nicht so gut in Mathe, bräuchten mehr finanzielle Bildung. "Das ist eine Nebelkerze, denn alle, auch Männer, brauchen mehr finanzielle Bildung.” Männern sei ihr Defizit einfach nur egal, sie investierten, auch wenn sie etwas nicht begreifen.

Neuer Wachstumstreiber

Meist liegt das Geld einfach nur auf dem Bankkonto herum, sagt Kravcheck. "Es gibt definitiv eine Investment-Lücke in Amerika, und die kommt den Frauen teuer zu stehen.” Je nach Gehalt können ihr so Millionen Dollars entgehen. Kravcheck nennt ein Beispiel. Wenn eine Frau 85.000 Dollar im Jahr verdient, dann schätzen Experten, werden 20 Prozent davon zur Seite gelegt. Wenn sie die nur auf dem Bankkkonto hat und nicht anlegt, kann sie das 100 Dollar kosten - jeden Tag ihres Lebens.

Auch den Fondsverwaltern wie Fidelity entgeht damit Geld. Deswegen bemühen sie sich, Frauen für Investments zu interessieren. Und auch der Wirtschaft eines Landes wäre geholfen, wenn Frauen mehr Investierten - mehr Kapital im Markt und mehr Investitionen verpassen einer Volkswirtschaft einen Wachstumstreiber.

 

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