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Frauenanteil in Vorständen steigt nur langsam

20. Januar 2021

Noch immer ist nur ein geringer Anteil von Vorstandsposten in Deutschland mit Frauen besetzt, wie neue Untersuchungen zeigen. Große Hoffnungen sind daher mit einer gesetzlichen Frauenquote verbunden.

Symbolbild Frauenquote
Bild: Felix Jason/imago images

Der Anteil von Frauen in Vorständen deutscher Unternehmen wächst nur sehr langsam. Das ist das Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

"In den 200 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland waren im Herbst des vergangenen Jahres nur 101 von 878 Vorstandsmitgliedern Frauen", heißt es in dem Bericht, den das Institut am Mittwoch in Berlin präsentierte. "Das entspricht einem Anteil von rund zwölf Prozent, nur gut ein Prozentpunkt mehr als im Jahr zuvor."

Bei den im Aktienindex Dax notierten Unternehmen habe der Frauenanteil sogar stagniert. "Nach dem Abgang von Jennifer Morgan als Co-Vorstandsvorsitzende von SAP wird derzeit zudem kein einziges Dax-30-Unternehmen mehr von einer Frau angeführt", schreiben die Autoren. Morgan hatte ihren Posten Ende April 2020 nach nur halbjähriger Amtszeit räumen müssen.

So habe der Frauenanteil in der obersten Führungsriege der 30 Konzerne zum Zeitpunkt der Erhebung im Herbst bei 14,6 Prozent gelegen - 0,1 Prozentpunkte unter dem Wert des Vorjahres, hieß es in der Studie.

Gute Entwicklung - oder zu langsam?

Zum Dax legte am Mittwoch auch die Personalberatung Russel Reynolds Zahlen vor, die laut einem Sprecher vor wenigen Tagen erhoben wurden und damit ein aktuelleres Bild lieferten: Demnach liege der Frauenanteil in Vorständen von Dax-Firmen mit inzwischen 15,3 Prozent auf einem Höchststand.

Rechne man die für dieses Jahr bereits beschlossenen Neubesetzungen hinzu, betrage "der Frauenanteil im Dax 16,9 Prozent - die schnellste Steigerung der letzten zehn Jahre", so die Personalberater. So übernimmt Belén Garijo am 1. Mai beim Pharmakonzern Merck als erste Frau den alleinigen Chef-Posten bei einem der 30 Dax-Konzerne. Zudem hätten seit dem Jahreswechsel erstmals drei Dax-Unternehmen (Deutsche Telekom, SAP, Allianz) mehr als 30 Prozent Frauen im Vorstand.

Acht Dax-Unternehmen haben der Russel-Reynolds-Untersuchung zufolge noch keine Frau im Vorstand. Die Zahl werde sich bis April auf sechs verringern, weil Bayer und Eon jetzt Frauen in ihre Vorstände berufen haben.

Musste nach nur sechs Monaten als SAP-Co-Chefin gehen: Jennifer MorganBild: Getty Images/KPMG

Auch die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (früher "Ernst & Young") hat den Frauenanteil untersucht und dabei nicht nur die 30 Konzerne im Dax berücksichtigt, sondern auch Firmen, die in den Börsensegmenten für kleine (SDax) und mittelgroße Aktiengesellschaften (MDax) gelistet sind. Auch hier lautet der Befund, dass sich der Anteil nur sehr langsam erhöht. Von 681 Vorstandsmitgliedern in den 160 untersuchten Unternehmen seien nur 78 weiblich. Das entsprach einer Frauenquote von 11,5 Prozent, nach 10,2 Prozent im Vorjahr, teilte EY mit.

Größere Konzerne bieten Frauen dabei mehr Chancen als kleinere. Laut EY ist der Frauenanteil in Dax-Vorständen mit fast 16 Prozent deutlich höher als bei Firmen im MDax (11,2 Prozent) und im SDax (8,6 Prozent). Nur 23 Prozent der Dax-Vorstände sind noch reine Männerrunden, dagegen haben 63 Prozent der MDax-Firmen keine einzige Frau im Vorstand, im SDax sogar 73 Prozent, so die EY-Studie.

Große Hoffnung Frauenquote

Doch die Karrierechancen weiblicher Top-Manager dürften sich mit der Anfang des Jahres vom Bundeskabinett beschlossenen Frauenquote für Unternehmensvorstände bald verbessern. Der lange umstrittene Gesetzentwurf gilt für börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen. Paritätische Mitbestimmung bedeutet, dass Aufsichtsräte von Firmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern je zur Hälfte aus Vertretern der Kapitaleigner und der Arbeitnehmer bestehen müssen.

Sofern der Vorstand in solchen Firmen mindestens aus vier Mitgliedern besteht, muss eines davon bald weiblich sein. Bei Firmen mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes soll das schon für Vorstände mit mehr als zwei Mitgliedern gelten.

"Für 74 Unternehmen würde diese Regelung aktuell gelten, etwa 30 davon erfüllen sie noch nicht", schreiben die Autorinnen der DIW-Studie. "Täten sie dies künftig, stiege der Anteil der Vorständinnen in den betroffenen Unternehmen von etwa 13 auf 21 Prozent."

Auch die Beratungsfirma EY erwartet einen deutlichen Anstieg der Frauenquote durch das Gesetz. "Man kann zur derzeit im Gesetzesverfahren befindlichen Quote stehen, wie man will - aber wir können davon augehen, dass sie den Anteil von Frauen im Vorstand in kurzer Zeit signifikant steigern wird", sagte Markus Heinen, der bei EY für die Beratung in Personalfragen verantwortlich ist.

Wüchse der Frauenanteil so wie bisher, würde es 30 Jahre dauern, bis die Hälfte der Vorstandspositionen mit Frauen besetzt sei. Heinen erhofft sich eine Signalwirkung: "Es spricht auch nicht für die Kultur in einem Unternehmen, wenn Frauen es offensichtlich schwer haben, in verantwortliche Positionen zu kommen."

Europaweit nicht mal Durchschnitt

Arbeitgeber hatten in der Vergangenheit beklagt, dass die Besetzung der Top-Positionen teilweise an einem Mangel an geeigneten Kandidatinnen scheitere. Dem widerspricht Simone Siebeke, die für das Beratungsunternehmen Spencer Stuart Führungskräfte vermittelt. "Wir wissen, dass eine ausreichende Zahl hoch qualifizierter Frauen für Vorstandsposten vorhanden ist", so Siebeke. "Es geht um gerade einmal 30 Posten bei Neubesetzungen im Vorstand.

Die Beraterin verweist zudem auf den Erfolg der Frauenquote für Aufsichtsräte, die in Deutschland schon seit Mai 2015 gesetzlich vorgeschrieben ist. Seitdem müssen Firmen ab einer bestimmten Größe - in der Regel ab 2000 Beschäftigten - frei werdende Posten in dem Kontrollgremium mit Frauen neubesetzen, bis mindestens ein Anteil von 30 Prozent erreicht ist. Mittlerweile liege die Quote bei 35 Prozent, so Siebeke.

Europaweit liegt Deutschland bei der Förderung von Frauen in Führungspositionen laut der Brüsseler Initiative "European Woman on Boards" nur im unteren Mittelfeld. In dem vom Marktforscher Kantar für 18 europäische Länder berechneten "Gender Equality Index 2020" kam Deutschland nur auf Platz zwölf. Angeführt wurde das Ranking von Norwegen, Frankreich, Großbritannien, Finnland und Schweden. Auf den hinteren Plätzen lagen Österreich, Tschechien, Luxemburg, Schweiz und Schlusslicht Polen.

bea/hb (dpa, reuters)

Don't call me bossy: Frauen aufs Spielfeld

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