Porzellan als Prämie
13. Juli 2017"Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand." So lautete einst die Begründung des Deutschen Fußball-Bundes, der seinen angeschlossenen Vereinen Frauenabteilungen verbot. Eine angeblich gesundheitsschädliche Wirkung des Sports beeinträchtige die Gebärfähigkeit der Frauen, hieß es außerdem. Was heute klingt wie ein schlechter Macho-Witz, war von 1955 bis 1970 Realität in Deutschland - mit kickenden Spielerinnen wollte man an höchster Fußballstelle nichts zu tun haben. Die fußballbegeisterten Frauen ließen sich jedoch nicht von ihrer Liebe zum Sport abbringen.
Nach dem WM-Titel-Gewinn der Männer 1954 formierten sich vor allem im Ruhrgebiet viele Frauenteams. Die Spielerinnen organisierten sich selbst oder schlossen sich kurzerhand Vereinen an, die nicht dem DFB unterstanden. Als der Frauenfußball trotz Widerstands europaweit Mitte der 1960er-Jahre aufblühte, fanden zahlreiche inoffizielle Länderspiele statt. 1970 und 1971 trug die Fédération Internationale et Européenne de Football Féminin (FIEFF), die weder von der FIFA noch von der UEFA anerkannt wurde, sogar zwei inoffizielle Frauen-Weltmeisterschaften aus - in Italien und Mexiko. 1970 nahm auch Deutschland teil, vertreten durch den SC 07 Bad Neuenahr.
1970 offiziell erlaubt, erstes Länderspiel zwölf Jahre danach
Der DFB rang sich 1970 schließlich zu einer Legalisierung durch, und so wurde der erste Verbandsmeister ein Jahr später ermittelt. Die Mitgliederzahl erhöhte sich innerhalb von nur fünf Jahren auf das Vierfache: von 50.000 auf 215.000. Trotz des Durchbruchs blieben die Vorurteile der Funktionäre groß. Es wurden spezielle Regeln eingeführt. So durften die Frauen nur mit kleineren Jugendbällen und nur bei geeigneter Witterung spielen, im Winter war das Kicken verboten.
Nachdem der DFB 1977 mit Hannelore Ratzeburg eine Referentin für den Frauenfußball ernannt hatte, wurden modernere Strukturen geschaffen. Neue Wettbewerbe wie der DFB-Pokal der Frauen entstanden, 1990 wurde schließlich die Bundesliga eingeführt.
Bereits acht Jahre zuvor begann die Erfolgsgeschichte der Frauen-Nationalmannschaft, die 1982 endlich ihr erstes offizielles Länderspiel austrug und es mit 5:1 gegen die Schweiz gewann. In diesem Spiel wurde übrigens auch die spätere Bundestrainerin und damals 18-jährige Silvia Neid eingewechselt, die gleich einen Doppelpack zum Sieg beisteuerte. Auch in der damaligen DDR kämpften die Frauen lange mit Vorurteilen und Schwierigkeiten, hier entstand die offizielle Nationalmannschaft erst kurz vor der Wiedervereinigung 1990.
Ein Kaffeeservice als EM-Prämie
1988 schafften die deutschen Frauen die Qualifikation für die Europameisterschaft, die sie ein Jahr später vor eigenem Publikum durch einen 4:1-Sieg über die favorisierten Norwegerinnen sensationell gewannen. Das Halbfinale gegen Italien in Siegen war das erste Frauen-Länderspiel, das live im deutschen Fernsehen übertragen wurde. Und dennoch wurden die Spielerinnen weiter belächelt - als Siegprämie gab es vom DFB jeweils ein Kaffeeservice. Bis heute glaubt manch ein Sponsor offensichtlich, mit derart stereotypischen "Geschenken" Freude bereiten zu können - wie DW-Kollegin Barbara Mohr unlängst bei einem Sponsorentreff im Vorfeld der EM 2017 feststellen musste:
Die Frauen haben bis heute acht EM-Titel und zwei WM-Titel gewonnen, dazu drei Bronze- und 2016 in Rio auch eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen. Immerhin: Für den WM-Gewinn 2007 gab es Geld statt Küchengeschirr: 50.000 Euro strich jede Spielerin ein. Im DFB sind heute rund 12.300 Frauen- und Mädchenvereine organisiert - von den insgesamt gut sieben Millionen Mitgliedern sind über eine Million weiblich.
Der 1. FFC Frankfurt ist mit 24 nationalen und internationalen Titeln der erfolgreichste deutsche Frauenfußball-Klub. Als erste deutsche Mannschaft gewann der VfL Wolfsburg 2013 das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Champions League. Auch Turbine Potsdam und Bergisch Gladbach sorgten in der Frauenfußball-Geschichte mit ihren Erfolgen bundesweit für Aufsehen.
Mittlerweile haben auch im Männerfußball erfolgreiche Vereine Frauenabteilungen, die am Bundesligabetrieb teilnehmen. In der kommenden Saison sind es sechs Teams, also die Hälfte der gesamten Bundesliga-Klubs: FC Bayern München, VfL Wolfsburg, 1. FC Köln, TSG 1899 Hoffenheim, SC Freiburg und Werder Bremen.