Beim Women Leaders Global Forum treffen sich außergewöhnliche Frauen aus aller Welt. Aber ein neuer Index zeigt, dass es bei der Wahrnehmung von Frauen in Führungspositionen noch viel zu tun gibt.
Sarah Adwoa SafoBild: DW/M. Kasper-Claridge
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"Mein Vater war der erste Feminist, den ich kenne." Sarah Adwoa Safo (Artikelbild) strahlt über das ganze Gesicht, als sie das sagt. Die 37-Jährige ist Mitglied der Regierung Ghanas und Ministerin für öffentliche Beschaffung. Die studierte Anwältin erzählt, wie ihr Vater, ein Prediger, sie schon früh dazu brachte, vor großen Gruppen in der Gemeinde frei zu reden. "Lampenfieber kenne ich nicht", erzählt sie und ist überzeugt, dass ihr Vater die Grundlage für ihren beruflichen und politischen Erfolg gelegt hat.
Neue Chancen für Mädchen
Doch nicht jeder hat so viel Glück mit seiner Familie. Daher sei eine gute Ausbildung so wichtig für Mädchen, betont sie im Gespräch mit der DW: "Dieses Jahr werden 120.000 Schüler mehr auf eine weiterführende Schule gehen, weil sie in Ghana jetzt kostenlos sind. Das eröffnet auch Mädchen neue Chancen".
Vor der Gebührenbefreiung musste eine Familie in dem westafrikanischen Land durchschnittlich 1000 bis 1200 US-Dollar pro Senior High School-Jahr und Kind bezahlen. Für viele Familien war das zu teuer, und wenn das Geld knapp war, wurde oft eher den Jungen die Ausbildung ermöglicht. Das ändert sich nun. Denn die ghanaischen Schüler müssen nur noch das Zulassungsexamen bestehen, dann können sie die höhere Schule besuchen.
"60 Prozent unseres gerade verabschiedeten Haushalts gehen in die Bildung", erzählt die Ministerin, verschweigt aber auch die Probleme nicht. Die Klassenzimmer sind überfüllt, die Lehrer oft nicht ausreichend ausgebildet. Immerhin: "Ghana ist in der Region führend, wenn es darum geht, Bildung für alle zu ermöglichen und hat die Millenniums-Entwicklungsziele im Bildungsbereich lange vor der 2015-Deadline erreicht", lobt das Weltkinderhilfswerk der UNO, die UNICEF.
Frauenpower
In Island berichtet Sarah Adwoa Safo über die neue Bildungsinitiative der Regierung, aber sie ist auch gekommen, um Netzwerke zu pflegen. Beim Women Leaders Forum sitzt sie zum Thema Digitalisierung gemeinsam auf dem Podium mit der ehemaligen Ministerpräsidentin Finnlands und jetzigen stellvertretenden Generalsekretärin der OECD, Mari Kiviniemi und der stellvertretenden rumänischen Ministerpräsidentin Ana Birchall. Sie hofft in Reykjavik auch auf weitere Unterstüztung für Ihre Bildungsinitiative.
Nachdenklicher Blick aus dem Konferenzzentrum in ReykjavikBild: DW/M. Kasper-Claridge
Reykjavik Index for Leadership
Allerdings gibt es noch viele Vorurteile gegenüber solchen Power-Frauen. Das zeigt auch ein in Reykjavik erstmals präsentierter Index. Um herauszufinden wie Frauen in Führungspostionen wahrgenommen werden, hat Kantor, einer der weltweit führenden Datenspezialisten mit rund 30.000 Mitarbeitern, eine umfangreiche Untersuchung in den G7 Ländern durchgeführt.
100 Punkte würde laut der Datenexperten bedeuten, "dass in der gesamten Gesellschaft Einigkeit darüber herrscht, dass Frauen und Männer gleich gut für Führungspositionen in allen Bereichen geeignet sind."
Tatsächlich liegt das Gesamtergebnis aber nur bei 66 Punkten. Das ist, als wolle man 100 Stundenkilometer fahren, erreicht aber nur 66 Stundenkilometer. Und auch zwischen Frauen und Männern unterscheiden sich die Ergebnisse noch einmal deutlich.
"In der gesamten G7 ist der Reykjavik Index for Leadership für Frauen höher (67) als für Männer (61). Das bedeutet, dass Frauen in der G7 Männer und Frauen eher als gleich geeignet für Führungsrollen sehen, als Männer", erklärt Michelle Harrison, Global CEO für Kantor Public.
Überraschende Ergebnisse für Deutschland
Überrascht haben die Experten die Ergebnisse für Deutschland. "In Deutschland ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Männer Vorurteile darüber verstetigen, wer in professionellen Bereichen führen soll", erklärte Harrison. In Frankreich und Großbritannien sei die Wahrnehmung deutlich positiver.
Für Afrika wurde noch keine Untersuchung durchgeführt. Langfristig will Kantor aber auf allen Kontinenten die Wahrnehmung von Frauen und Männern in Führungspositionen messen. Die Hoffnung schwingt mit, dass sich die Werte langfristig verbessern.
Sarah Adwoa Safo, die Ministerin aus Ghana, macht inzwischen Fortschritte beim Netzwerken. Unter anderem trift sie sich in Reykjavik mit Vertretern der Weltbank und hofft auch auf diesem Weg weitere Unterstützung für die Bildungsoffensive in Ghana zu bekommen.
17 Ziele für die Zukunft
Die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der UN sollen bis 2030 eine gerechtere, umweltfreundlichere Welt fördern und Hunger und Armut abschaffen. Der Aktionsplan wurde im Herbst 2015 auf dem UN-Gipfel verabschiedet.
Bild: Emmanuel Dunand/AFP/Getty Images
Ziel 1: Eine Welt ohne Armut
Bis 2030 soll kein Mensch mehr in extremer Armut leben müssen. Damit geht die Weltgemeinschaft weiter als in den alten Millenniumszielen, die bis 2015 lediglich eine Halbierung der extremen Armut als Ziel hatten. Als extrem arm definieren die UN Menschen, die von weniger als 2,15 US-Dollar am Tag leben müssen.
Bild: Daniel Garcia/AFP/Getty Images
Ziel 2: Eine Welt ohne Hunger
Derzeit haben rund 735 Millionen Menschen nicht genug zu essen, so die UN-Welternährungsorganisation FAO. Bis zum Jahr 2030 soll kein Mensch mehr unterernährt sein. Dabei soll nachhaltige Landwirtschaft eine größere Rolle spielen, Kleinbauern und ländliche Entwicklung sollen gefördert werden.
Bild: picture-alliance/dpa
Ziel 3: Gesundheit weltweit
Rund fünf Millionen Kinder jährlich sterben weltweit, bevor sie fünf Jahre alt sind. Weltweit stirbt alle zwei Minuten eine werdende Mutter während Schwangerschaft oder Entbindung. Bis 2030 soll jeder Mensch Zugang zu Gesundheitsvorsorge, bezahlbaren Medikamenten und Impfstoffen bekommen.
Bild: Maxwell Suuk/DW
Ziel 4: Ausbidlung für alle
Ob Mädchen oder Junge, ob reich oder arm: Bis 2030 soll jedes Kind eine Schulausbildung bekommen, die ihm einen späteren beruflichen Werdegang ermöglicht. Männer und Frauen sollen gleiche Bildungschancen haben, unabhängig von ethnischem oder sozialem Hintergrund und unabhängig von einer Behinderung.
Bild: DW
Ziel 5: Gleichberechtigung für Frauen
Frauen sollen gleichberechtigt am öffentlichen und politischen Leben teilnehmen können. Gewalt und Zwangsehen sollen der Vergangenheit angehören. Und weltweit sollen Frauen Zugang zu Verhütungsmitteln und Familienplanung haben. Letzteres sorgt für Kritik aus religiösen Kreisen.
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Ziel 6: Wasser als Menschenrecht
Rund zwei Milliarden Menschen weltweit haben keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Wasser. Etwa 850 Millionen Menschen haben noch nicht einmal eine Grundversorgung mit Trinkwasser. Bis 2030 sollen alle Menschen Zugang zu sauberem und bezahlbarem Trinkwasser und Sanitäranlagen bekommen. Wasserressourcen sollen nachhaltig genutzt werden.
Bild: DW
Ziel 7: Weltweite Energieversorung
Bis 2030 sollen alle Menschen Zugang zu Elektrizität und Energie haben, vorzugsweise aus erneuerbaren Energiequellen. Die globale Energieeffizienz soll verdoppelt, die Infrastruktur insbesondere in den ärmsten Ländern ausgebaut werden. Heute leben rund 675 Millionen Menschen ohne Stromversorgung.
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Ziel 8: Faire Arbeit für alle
Faire und soziale Arbeitsbedingungen weltweit, Jobchancen für Jugendliche und eine nachhaltige globale Wirtschaft. Punkt acht der neuen Entwicklungsziele gilt für Industrie- wie Entwicklungsländer und beinhaltet auch ein Ende von Kinderarbeit und die Einhaltung internationaler Arbeitsnormen.
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Ziel 9: Nachhaltige Infrastruktur
Eine bessere Infrastruktur soll eine wirtschaftliche Entwicklung fördern, von der alle profitieren können. Die Industrialisierung soll sozial und ökologisch nachhaltig sein, mehr und bessere Jobs schaffen und Innovationen fördern, die zur Nachhaltigkeit und sozialen Gerechtigkeit beitragen.
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Ziel 10: Eine gerechte Verteilung
Laut UN entfallen auf nur ein Prozent der Weltbevölkerung rund zwei Drittel des wirtschaftlichen Wachstums. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Deshalb soll die internationale Entwicklungspolitik vor allem der ärmsten Hälfte der Bevölkerung und den ärmsten Ländern der Welt helfen.
Bild: Frederic J. Brown/AFP/Getty Images
Ziel 11: Lebenswerte Städte
In den globalen Ballungszentren sollen Menschen- und umweltfreundliche Lebensräume mit bezahlbarem Wohnraum entstehen. Städte sollen nachhaltiger und grüner werden. Vor allem Entwicklungsländer sollen Unterstützung erhalten, um Städte gegen klimabedingte Naturkatastrophen widerstandsfähiger zu machen.
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Ziel 12: Nachhaltiger Konsum und Produktion
Recycling, Wiederverwertung der Ressourcen, Eindämmung der Müllmengen insbesondere in der Lebensmittelproduktion und beim Verbraucher: Alle stehen in der Verantwortung. Ressourcen sollen ökologisch und sozialverträglich abgebaut und eingesetzt werden und Subventionen für fossile Brennstoffe sollen auslaufen.
Bild: DW
Ziel 13: Klimawandel in den Griff bekommen
Die Notwendigkeit, sich global auf Maßnahmen zur Eindämmung und Anpassung an den Klimawandel zu verständigen, ist mittlerweile Konsens in der UN. Reichere Länder sollen ärmeren Ländern mit Technologie- und Finanztransfer unterstützen. Gleichzeitig sollen sie ihre eigenen Emissionen massiv senken.
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Ziel 14: Schutz der Weltmeere
Die Weltmeere stehen vor dem Kollaps. Maßnahmen gegen Überfischung, Zerstörung der Küstengebiete und der marinen Ökosysteme sollen durchgeführt, die Meeresverschmutzung durch Müll und Überdüngung deutlich abgebaut werden.
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Ziel 15: Stopp der Umweltzerstörung
Beim Schutz der Wassereinzugsgebiete, der Wälder und der Biodiversität wird den UN-Mitgliedstaaten dringend dazu geraten, die umfassende Umweltzerstörung aufzuhalten. Land, Wald und Wasserquellen sollen besser geschützt und der Umgang mit den natürlichen Ressourcen grundlegend geändert werden.
Bild: WILDLIFE/I.R.Lloyd/picture alliance
Ziel 16: Rechte und Gesetze durchsetzen
Alle Menschen sollen vor dem Gesetz gleich sein. Durch nationale Institutionen und internationale Zusammenarbeit sollen Gewalt, Terror, Korruption und organisierte Kriminalität effektiv bekämpft werden. Bis 2030 sollen alle Menschen gleichberechtigten Zugang zur Justiz erhalten.
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Ziel 17: Eine solidarische Zukunft
Wie bereits in den Millenniumszielen festgeschrieben, sollen die reichen Länder endlich 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für die internationale Entwicklungszusammenarbeit bereitstellen. Deutschland gibt bereits 0,73 Prozent für Entwicklungshilfe aus.