Zum 30. Todestag von Freddie Mercury
23. November 2021"Flamboyant. Kein anderes Wort fällt im Zusammenhang mit Freddie Mercury so sehr auf", schreibt Autor Nicola Bardola im Vorwort zu seiner Biographie "Mercury in München - Seine besten Jahre". "Freddie leuchtet". Und das tut er über seinen Tod hinaus. Am 24. November 1991 starb der Ausnahmekünstler infolge einer Aids-Erkrankung. Nur einen Tag zuvor hatte er öffentlich bekannt gegeben, dass er sich mit dem HI-Virus angesteckt hatte. Bis dahin hatte er allen Gerüchten zum Trotz über seine Erkrankung geschwiegen. Ohnehin war der 1946 auf Sansibar geborene Farrokh Bulsara, wie Mercury gebürtig hieß, verschlossen, wenn es um sein Privatleben ging und hielt sich in Interviews zumeist bedeckt. Er hasse es, mit ihm unbekannten Leuten zu reden, sagte er einmal.
In München blieb Mercury unerkannt
Auch aus diesem Grund fühlte er sich so wohl in der bayerischen Metropole, in der er von 1979 bis 1985 zeitweise lebte. Der Germanist und Autor Nicola Bardola hat eine umfangreiche Biografie über Mercurys Münchner Zeit geschrieben und zitiert eingangs den Sänger mit folgenden Worten: "Ich habe einen Ort gefunden, er heißt München, und hier kann ich tatsächlich durch die Straßen gehen."
Trotz seines Ruhms - Queen hatten bereits 1975 mit "Bohemian Rhapsody" ihren ersten Nummer-1-Hit in Großbritannien gelandet und waren auch in Deutschland längst keine Unbekannten mehr - ließ man Mercury in München in Ruhe. Hier fand er Zuflucht und erlebte einen künstlerischen Aufstieg: "Freddie hat sich in München stark verändert", sagt Nicola Bardola im Gespräch mit der DW. "Er war zum ersten Mal 1974 hier. Das war überhaupt das allererste Queen-Konzert in Deutschland und da hat er schon gesehen, dass München eine attraktive Stadt ist."
Von München aus "erobern" Queen die USA
Freddie Mercury ist angezogen von der lebendigen Münchner Musikszene, vor allem die Musicland Studios, gegründet Anfang der 1970er-Jahre von Komponist und Musiklegende Giorgio Moroder, haben es ihm und seinen Bandkollegen Brian May, Roger Taylor und John Deacon angetan. "Der allererste Song, den die Band in München aufgenommen hat, war "Crazy Little Thing Called Love", so Bardola. "Dieser Song ging auf Platz eins der amerikanischen Charts als allererster Queen Song überhaupt. Die USA haben sie also gewissermaßen von München aus erobert."
Insgesamt vier Alben - "The Game (1980), "Hot Space" (1982), "The Works (1984) und "A Kind of Magic (1986) entstanden in den legendären Studios, in denen auch schon Led Zeppelin, die Rolling Stones, Donna Summer und viele andere mehr ihre Alben produziert haben.
Aber nicht nur die Musikszene faszinierte Mercury an der Isar-Metropole: "Freddie hat zudem sehr großen Gefallen gefunden an der freiheitlichen Haltung in München, was Homosexualität betrifft." Zu diesem Zeitpunkt war Mercury bereits von seiner Freundin Mary Austin getrennt. Dass er schwul war, hatte er ihr im Vertrauen erzählt, offiziell gemacht hatte er es aber nicht. Im sogenannten Münchner Glockenbachviertel, damals wie heute ein international bekanntes Viertel unter Schwulen und Lesben, testete er sich aus: "Da konnte man frei leben, sich auch frei bewegen, ohne Angst vor Verfolgung wie in anderen Städten. Und es gab sehr viele schwule Clubs, Diskotheken, Bars, die Freddie gerne besucht hat."
In München lebte Mercury seine Sexualität frei aus: Er feierte Partys und führte eine eheähnliche Beziehung mit dem Münchner Wirt Winnie Kirchberger, mit dem er auch die lokale Schwulenszene erkundete. Eine besondere Freundschaft verband den Künstler auch mit Schauspielerin Barbara Valentin, die zunächst als "Busenwunder" galt und später von Filmemacher Rainer Werner Fassbinder für Charakterrollen gecastet wurde. "Barbara Valentin war ein sehr wacher Zeitgeist" und sei für Mercury sozusagen ein 'Deutschland-Guide' gewesen, erklärt Bardola. "Valentin beschreibt ihn beim Essen wie ein Vögelchen. Er soll die Knödel zum Schweinsbraten als 'f*****g footballs' bezeichnet haben", so der Biograf weiter. "Einerseits war er sehr zurückhaltend beim Essen - er liebte Champagner und Kaviar -, andererseits hat er in München auch Bodybuilding gemacht. Er wird muskulös und und kräftig und dazu braucht es schon auch mal eine Schweinshaxe und einen Knödel."
2020 benennt München eine Straße nach Mercury
Mit "Mercury in München" beleuchtet Nicola Bardola einen Zeitraum in Freddie Mercurys Leben, der bislang wenig ausführlich in den Biografien über den Queen-Sänger zur Sprache kam. Zudem interviewt Bardola Zeitzeugen, die sich bis dato noch nicht zur Wort gemeldet hatten: Mit Wolfgang Simon etwa kommt der Kameramann zu Wort, der die Queen-Videos zu "One Vision" und "Living On My Own" gedreht hat.
Letzteres entstand zum Teil während Mercurys 39. Geburtstagsparty, zu der er in die damalige Transbar "Old Mrs. Henderson" in München eingeladen hatte. Laut Bardola beschreiben Zeitzeugen die dekadente Feier als "ultimative Rock'n'Roll-Party und seinen [Mercurys] vorweggenommenen Abschied von München". Jahrelang war das Video wegen "dargestellter Promiskuität" verboten. Heutzutage wirkt es vielmehr wie ein wichtiges Zeitdokument, in dem wir Mercury sehen, wie er womöglich gerne gesehen werden wollte: lebensfroh, "flamboyant" und unvergleichlich.
2020 hat die Stadt München der Rock-Ikone ein Denkmal gesetzt: Mitten in München, im sogenannten "Kreativquartier" Neuhausen, trägt nun eine Straße seinen Namen. So bleibt er auch in München, wo er sechs Jahre lang zu Hause war, unvergessen.