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#FreeAlaa: Neue Proteste, neue Hoffnungen?

6. Juni 2025

Ein neuer UN-Bericht, der britische Premier und Menschenrechtsorganisationen fordern die Freilassung von Alaa Abdel-Fattah. Er ist Ägyptens bekanntester politischer Gefangener. Doch die Zeit läuft davon.

Protestplakate mit der Aufforderung "Keir Starmer bring Alaa home" in der Downing Street, London
Alaa Abdel-Fattah besitzt auch die britische Staatsbürgerschaft, seine Familie lebt in London. Hier Protestplakate vor der Downing StreetBild: Vuk Valcic/Zuma/picture alliance

Es gerät wieder Bewegung in die Kampagne für die Freilassung des 43 Jahre alten ägyptisch-britischen Aktivisten Alaa Abdel-Fattah.

In dieser Woche erklärte die Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen der Vereinten Nationen (UNWGAD) die anhaltende Inhaftierung von Abel-Fattah für illegal. 18 Monate lang hatte die Arbeitsgruppe seinen Fall untersucht und festgestellt, dass zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung weder ein Haftbefehl noch andere Gründe für seine Festnahme vorlagen. Abdel-Fattah habe sein in Ägypten gesetzlich verbrieftes Recht auf Meinungsfreiheit ausgeübt.

Der Bericht schließt mit der Aufforderung an die ägyptische Regierung, "unverzüglich die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um die Situation zu berichtigen". Abdel-Fattah müsse umgehend freigelassen und ihm sein Anspruch auf Wiedergutmachung und andere Entschädigungen im Einklang mit internationalem Recht zugestanden werden, so der Bericht.

Kairo hat noch nicht auf die Entscheidung des UN-Gremiums reagiert, für die in London lebende Familie von Abdel-Fattah kommt sie jedoch zu einem "entscheidenden Zeitpunkt", sagt Omar Hamilton, ein Cousin Abdel-Fattahs, der DW.

Die Mutter von Abdel-Fattah, Laila Soueif, befindet sich nun seit rund 250 Tagen in London im Hungerstreik, um die Freilassung ihres Sohnes zu bewirken. Diese Woche verschlechterte sich der Gesundheitszustand der 69-jährigen Britin rapide.

"Unsere Familie ist jeden Tag im Krankenhaus", betont Hamilton. "Wir tun, was wir können, um es ihr so erträglich wie möglich zu machen. Sie ist psychisch sehr stark und fest entschlossen."

Nachdem ihre Blutzuckerwerte lebensbedrohlich sanken, wurde Laila Soueif vergangene Woche ins Krankenhaus eingeliefertBild: #FreeAlaa

Auch der britische Premier Keir Starmer verstärkte seine Unterstützung vergangene Woche deutlich. Zum zweiten Mal in diesem Jahr rief er den ägyptischen Präsidenten Abdel-Fattah al-Sisi an, um über die Situation von Abdel-Fattah, der seit 2022 die britische Staatsbürgerschaft besitzt, zu sprechen. Er forderte den Präsidenten auf, ihn zu begnadigen und wies auf das große Leid hin, dass die ägyptische Regierung der Familie verursache. Weitere Einzelheiten über das Gespräch und auch über die Reaktion Ägyptens sind nicht bekannt.

Die doppelte Staatsbürgerschaft von Abdel-Fattah wird von Ägypten nicht anerkannt, wie eine diplomatische Quelle der britischen Tageszeitung "The Guardian" berichtete.

Seit rund einem Jahrzehnt befindet sich der Aktivist bereits in Haft. Wegen der Teilnahme an einem Protest im Jahr 2013 wurde er 2015 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Im September 2019, als die ägyptische Regierung wieder einmal hart gegen politisch Andersdenkende vorging, wurde er erneut verhaftet und im Dezember 2021 wegen der "Verbreitung falscher Nachrichten" zu weiteren fünf Jahren Freiheitsentzug verurteilt.

Anstatt ihn im September 2024 freizulassen, zu dem Zeitpunkt, an dem Abdel-Fattah unter Berücksichtigung der Untersuchungshaft seine Strafe verbüßt hätte, ordneten die Behörden eine Haftverlängerung bis zum 3. Januar 2027 an. Obwohl die zwei Jahre, die er in Untersuchungshaft verbracht hatte, die in Ägypten gesetzlich zulässige Dauer einer Untersuchungshaft überstiegen, wurden sie nicht auf seine Haftstrafe angerechnet.

Vor etwa hundert Tagen trat Abdel-Fattah selbst in den Hungerstreik.

Für Abdel-Fattahs Mutter läuft die Zeit ab

Auch zahlreiche Menschenrechtsorganisationen haben ihre Kampagnen für die Freilassung von Abdel-Fattah wieder aufgenommen, sowohl in den sozialen Medien unter dem Hashtag #FreeAlaa, als auch auf politischer Ebene.

Anfang der Woche sendeten 21 Menschenrechtsorganisationen, darunter das PEN-Zentrum England und Human Rights Watch, einen offenen Brief an den ägyptischen Präsidenten Al-Sisi.

Yasmine Ahmed ist Chefin der britischen Sektion von Human Rights Watch und eine der Unterzeichnerinnen des Briefes. Sie sagte der DW, dass die Zeit davonlaufe: "Seit mehr als einem Jahrzehnt wird der prominente Schriftsteller und Aktivist nun gesetzeswidrig in Ägypten festgehalten. Seine Mutter steht währenddessen in einem Londoner Krankenhaus kurz vor dem Tod." Die britische Regierung müsse jeden ihr zur Verfügung stehenden diplomatischen und politischen Hebel nutzen, um Ägypten zur Freilassung des britischen Staatsbürgers Alaa Abdel-Fattah zu drängen, so Ahmed weiter.

Laut dem ägyptischen Nationalen Rat für Menschenrechte bestehen auch unter Präsident Al-Sisi Probleme mit MenschenrechtenBild: Hadi Mizban/REUTERS

Abdel-Fattah mag einer der prominentesten politischen Gefangenen in Ägypten sein, doch er ist bei Weitem nicht der einzige. Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass sich zwischen 65.000 und 70.000 politische Gefangene hinter Gittern befinden. Offiziell aber nennt Ägypten keine Zahlen und bezeichnet diese Gefangenen als "Terroristen".

In seinem jüngsten Bericht stellte der ägyptische Nationale Rat für Menschenrechte hingegen fest, dass im Zeitraum von Juni 2023 bis Juni 2024 "deutliche Fortschritte" im Bereich bürgerliche und politische Rechte erzielt worden seien. Der Rat war 2003 gegründet worden, um die nationale Strategie für Menschenrechte in Ägypten voranzubringen.

Miserable Menschenrechtslage in Ägypten

Für Christian Achrainer von der dänischen Roskilde-Universität, der schon viel zu Ägypten veröffentlicht hat, sind diese Behauptungen über erzielte Fortschritte und Forderungen nach verstärkten Anstrengungen nichts als Worthülsen.

"Grundsätzlich hat sich nicht viel verändert in den letzten Monaten im Hinblick auf die Menschenrechtslage in Ägypten. Sie ist nach wie vor sehr, sehr schlecht", beklagt er im Gespräch mit der DW. Seiner Einschätzung nach hat keine der Regierungsbehörden, die damit beauftragt wurden, die Menschenrechtssituation im Land zu verbessern, Erfolge zu verzeichnen.

"Grundsätzlich bleiben Presse und Meinungsfreiheit extrem eingeschränkt und Personen werden weiterhin wegen Meinungsäußerungen inhaftiert", fügt Achrainer hinzu.

Ägyptens politischer Einfluss

Ägypten lasse sich durch die wachsende internationale Aufmerksamkeit und die Forderungen nach einer Freilassung von Abdel-Fattah nicht beeindrucken, stellt Achrainer fest.

"Kairo ist sich seiner derzeit guten Verhandlungsposition gegenüber Europa sehr bewusst", erläutert er. "Das milliardenschwere Migrationsabkommen von 2024 zeigt deutlich, dass Europa bereit ist, bei Menschenrechtsfragen wegzuschauen, solange Ägypten dafür sorgt, dass weniger Flüchtlinge und Migranten nach Europa kommen."

Laila Soueif ist entschlossen, so lange zu hungern, bis ihr Sohn freigelassen wird, sagt ihr Neffe Omar HamiltonBild: Vuk Valcic/Zuma/picture alliance

Ägyptens Position als wichtiger Akteur in der Region wird weiter gestützt durch seine Kontakte mit allen Parteien im Konflikt um Gaza, den Kampf gegen Terrorismus, wirtschaftliche Interessen und seine potentielle Rolle in konfliktträchtigen Nachbarländern wie Libyen und Sudan.

"Dadurch weiß das Regime, dass es nicht zum Handeln im Fall Alaa oder auch generell im Bereich Menschenrechte gezwungen ist", führt Achrainer aus.

"Freiheit für alle politischen Gefangenen"

Seit Laila Soueif am Donnerstag der vergangenen Woche ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, versammeln sich die Familie und Unterstützer jeden Tag vor dem Eingang des St.-Thomas-Krankenhauses in London. "Eine unglaubliche Menge an Energie strömt aus der ganzen Welt herein", erzählt Hamilton. "Nicht nur wir, alle Menschen sind überzeugt, dass Alaa freigelassen werden sollte, dass alle politischen Gefangenen freigelassen werden sollten."

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

Jennifer Holleis Redakteurin und Analystin mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika.
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