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Freie Presse in der Ukraine?

Christoph Kersting 13. August 2008

In den meisten Staaten der GUS haben Journalisten kein leichtes Leben. Anders hingegen scheint die Lage für Journalisten in der Ukraine zu sein – dort soll tatsächlich so etwas wie Pressefreiheit herrschen.

Internationale Zeitungen an einen Zeitungsstand am Potsdamer Platz (30.03.2004)
In der Ukraine soll tatsächlich so etwas wie Pressefreiheit herrschen wie selbst ausländische Korrespondenten berichtenBild: dpa zb

In den Spätnachrichten des ukrainischen Fernsehkanals 1 ist es das Topthema: der Fall Tschernowezki´. Das Stadtoberhaupt von Kiew konnte sich bei den Bürgermeisterwahlen im Mai durchsetzten und blieb im Amt. Obwohl im Vorfeld der Wahlen massive Korruptionsvorwürfe gegen Tschernowezki laut geworden waren.

Kritik statt Gehorsam

Russische Journalisten protestieren, dass so gut wie alle Medien unter staatlicher Kontrolle sindBild: AP

Ein solch ausgewogen-kritischer Fernsehbeitrag wie ihn an diesem Abend der ukrainische Fernsehkanal 1 sendet, wäre undenkbar im Fernsehen des Nachbarlandes Russland, wo inzwischen so gut wie alle Medien unter staatlicher Kontrolle sind. Davon sei die Ukraine zum Glück weit entfernt, sagt Nico Lange vom Kiewer Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung: "Seit der Orangenen Revolution gibt es in der Ukraine so etwas wie Pressefreiheit – und zwar wie es sie in keinem anderen Land des GUS-Raums gibt."

Man sehe das auch sehr deutlich im Vergleich zu Ländern wie Belarus und Russland, die direkt nebenan liegen und auch im Vergleich zu Georgien und anderen Ländern im Kaukasus. "Hier gibt es eine pluralistische Berichterstattung, eine kritische Berichterstattung über politische Themen. Es gibt eine Ausgewogenheit vor den Wahlen, die selbst für viele westliche Demokratien nicht selbstverständlich ist", meint Lange. Die Ukraine sei in dieser Region ein leuchtendes Beispiel.

Mehr Schein als sein?

Doch bei genauerem Hinsehen verblasst der Glanz der ukrainischen Pressefreiheit. Zwar finden sich tatsächlich alle wichtigen politischen Kräfte des Landes in den Medien wieder. Das liege jedoch vor allem daran, dass die Parteien bislang genügend Geld zahlten. Denn politische Berichterstattung - vor allem im Fernsehen - bezahlen sie selbst, weiß Nico Lange von seiner Arbeit vor Ort.

Wenn ein Politiker an einer Talk-Show teilnehmen wolle und dort auch Redzeit erhalten möchte, gebe es klare Ansagen vom Sender, wie viel das kosten werde. "Wenn man es zynisch formulieren will, bezahlen die Akteure nicht nur dafür, dass positiv über sie selbst berichtet wird, sondern auch dafür, dass negativ über den politischen Gegner berichtet wird", erklärt Lange.

Journalistische Ethik über Bord geworfen

Die Medien in der Ukraine sind frei, aber käuflich

Im Volksmund heißt ein solcher bezahlter Beitrag "Dschinza" – Jeanshose, weil das Geld sofort in den Hosentaschen der Redakteure verschwindet. Dass diese Praxis zum journalistischen Alltag gehört, ist unter ukrainischen Medienmachern ein offenes Geheimnis. Auch der Chefredakteur der kritischen politischen Wochenzeitung "Zerkalo Nedeli", Volodymyr Mostovoj, beklagt sich über die zweifelhafte Arbeitsweise vieler seiner Kollegen. Einen Grund hierfür sieht er in der schlechten Ausbildung vieler Journalisten.

Als er noch in der damaligen Sowjetunion Journalistik studierte, soll es gerade einmal drei entsprechende Fakultäten in der gesamten Ukraine gegeben haben. Heute gebe es 41 solcher Ausbildungsstätten. Eine aktuelle Studie habe errechnet, dass so der Bedarf an Journalisten für die nächsten 400 Jahre gedeckt werde. "Und die meisten dieser Journalisten haben keine Vorstellung davon, wie wichtig die ethischen Grundsätze unseres Berufes sind, weil sie ganz einfach nicht professionell ausgebildet sind", meint Mostovoj.

Leser, Hörer und Zuschauer interessiert es nicht

Mit noch größerer Sorge beobachtet Chefredakteur Mostovoj den Bedeutungsverlust kritischer Berichterstattung. Denn Pressefreiheit bedeutet für ihn auch, dass eine freie Presse Beachtung findet. Denn man könne in der Ukraine ohne Probleme Präsident Juschtschenko kritisieren oder andere hochgestellte Politiker. "Aber was nützt das, wenn die Machthabenden das einfach ignorieren und sich nichts ändert?", merkt Mostovoj an.

Das Problem seiner Zeitung sei im Moment, dass die Redakteure nicht mehr wissen, worüber sie schreiben sollen. Denn alle politischen Skandale, die zur Zeit aktuell seien, über die habe man schon vor zwei, drei Jahren berichtet, ohne dass das jemanden interessiert hätte.

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