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Freier Himmel über Europa

Martin Schrader11. November 2002

Dank eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes wird es künftig zu verstärktem Wettbewerb am Himmel über Europa kommen. Flugpassagiere dürfen sich daher schon jetzt auf günstigere Transatlantik-Reisen freuen.

Bild: AP

Die streitbare EU-Transportkommissarin Loyola de Palacio hat eine glückliche Woche hinter sich. Seit Jahren zog die studierte Juristin aus Spanien gegen Luftverkehrsabkommen zu Felde, die mehrere EU-Mitgliedsländer jeweils im Alleingang mit den USA ausgehandelt haben. In diesen so genannten Open-Sky-Abkommen regelt jedes Land für sich den Flugverkehr seiner heimischen Fluggesellschaften mit den USA. Darin werden unter anderem Regeln für die Preisgestaltung aufgestellt. Diese Praxis, so urteilten in der ersten November-Woche die Richter des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), verstößt in wichtigen Teilen gegen EU-Recht.

Reisende am Flughafen Wien Schwechat. Hier wartet man ebenso wie andernorts in Europa auf fallende Preise bei Transatlantik-FlügenBild: Bilderbox

"Das ist ein historisches Ereignis", freute sich Frau de Palacio sichtlich über das Urteil. Es werde voraussichtlich zu größerer Effizienz im europäischen Luftverkehr führen. Auch die Flug-Passagiere werden nach Ansicht der EU-Kommission von dem Richterspruch profitieren, da er zu einer Liberalisierung des Marktes führe.

Keine Wahl

Bisher ist es einem deutschen Fluggast, der von Frankfurt am Main in die USA reisen möchte, unmöglich zwischen mehreren Anbietern zu wählen. Dies liegt an dem bilateralen Abkommen, das Deutschland mit den USA geschlossen hat. Es regelt den Flugverkehr zwischen beiden Ländern und schließt Drittanbieter aus. So dürfen Air France, KLM, British Airways und andere Fluggesellschaften keine Transatlantik-Flüge von Deutschland in die USA anbieten. Vergleichbare Regelungen gibt es in anderen EU-Ländern. Mit dieser Abschottung der Märkte soll nun nach dem Willen des höchsten europäischen Gerichts Schluss sein.

Sobald das Urteil umgesetzt wird, werden sich voraussichtlich die Flughäfen in Frankfurt, Paris, London und andernorts für alle europäischen Fluganbieter öffnen. Einen Preiskampf, der den Passagieren zugute kommt, schließt der Unternehmens-Analyst Alexander Kachler von der Münchener Privatbank Merck Finck nicht aus. "Mit Sicherheit wird dadurch der Wettbewerb erhöht", so Kachler im Gespräch mit DW-WORLD. "Einige Fluglinien werden wohl angestammte Strecken, auf denen sie bisher gut verdienen, verlieren."

Konsolidierung

Die Lufthansa bereitet sich vor allem in London auf eine Liberalisierung des Marktes vorBild: AP

Der sich abzeichnende Konkurrenzkampf dürfte nach Ansicht der Luftverkehrsexperten auch zu einer Bereinigung in der Flugbranche führen. Davon geht zumindest Transportkommissarin de Palacio aus. Die Zahl von bislang zwölf großen nationalen Fluggesellschaften werde sich voraussichtlich reduzieren, kündigte sie an. Analyst Kachler beurteilt dies ähnlich. Er möchte aber nicht darüber spekulieren, ob es kurzfristig zu Fusionen oder Übernahmen in dem Sektor kommen wird.

Sicher ist, dass mit dem Fall der Open-Sky-Abkommen in ihrer jetzigen Form eines der größten Fusionshemmnisse in der Branche wegfällt. Bisher standen die Abkommen grenzübergreifenden Unternehmenszusammenschlüssen im Weg, weil die darin ausgehandelten Flugrechte nicht an ausländische Partner oder Käufer übertragbar sind.

Fusionspläne

Bild: AP

Die Deutsche Lufthansa schließt nach Angaben der Unternehmenssprecherin Katrin Haase Fusionen in der Branche nicht aus. Im Gespräch mit DW-WORLD fügte sie freilich hinzu: "Momentan planen wir aber nicht, tätig zu werden, wo wir es nicht schon sind." Die Lufthansa hat zuletzt eine Beteiligung an British Midland erworben, um von London aus internationale Flüge anbieten zu können. Sobald der EuGH-Beschluss umgesetzt wird, ist abzusehen, dass die Lufthansa dort ihr Engagement erweitern wird.

Bis europäische Flugpassagiere den jüngsten Richterspruch des EuGH im Portemonnaie spüren, werden wohl Monate oder gar Jahre vergehen, so die Lufthansa-Sprecherin. Das Bundesverkehrsministerium rechnet damit, dass nun zunächst die bestehenden Abkommen an Verordnungen der EU-Kommission angepasst, bzw. entsprechend erweitert werden. Niemand vermag bisher zu sagen, wie lange dies dauern wird.

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