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Freier Handel heißt mehr Wettbewerb

Andreas Becker30. Juni 2012

Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Südkorea ist seit einem Jahr in Kraft. Fast alle Zölle und Handelsbarrieren werden wegfallen. Einigen Autoherstellern in Europa geht das zu weit, sie fürchten um ihren Absatz.

Skyline von Seoul (Foto: Marzky Ragsac Jr.)
Bild: Fotolia/Marzky Ragsac

Die volkswirtschaftliche Theorie vom Handel ist erstaunlich einfach: je mehr international gehandelt wird, desto besser. Das soll zu besseren Produkte und niedrigeren Preisen führen und im Ergebnis zu mehr Wohlstand für alle. Soweit die Theorie.

In der Praxis ist das Thema jedoch mit vielen Ängsten verbunden, denn vom Freihandel profitieren oft vor allem jene, die ohnehin schon stark sind. Daran sind auch die Gespräche über den internationalen Abbau von Zöllen und Handelsschranken bei der Welthandelsorganisation WTO gescheitert. Seitdem florieren bilaterale Abkommen, wie das zwischen der Europäische Union und der Republik Korea, das am 1. Juli 2011 in Kraft trat.

Für die EU ist es ein "Abkommen der nächsten Generation", sagt John Clancy, Sprecher der EU-Kommission für Handel, gegenüber DW. "Dieses Abkommen geht weiter als jedes Abkommen vorher beim Versuch, unsere Märkte für Handel zu öffnen, das Wachstum zu steigern und so letztlich auch mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Im Kern wollen wir es Unternehmen in der EU und in Korea erleichtern, miteinander Geschäfte zu machen."

Tausende protestierten 2007 in Seoul gegen das Freihandelsabkommen mit den USABild: dapd

Fast alle Zölle fallen weg

Innerhalb von fünf Jahren, bis zum 1. Juli 2016, fallen beim Handel zwischen EU und Korea rund 99 Prozent aller Zölle auf industrielle und landwirtschaftliche Produkte weg. Das Abkommen sieht auch die Liberalisierung von Dienstleistungen vor, außerdem einheitliche Regeln für den Schutz des geistigen Eigentums, das öffentliche Beschaffungswesen sowie Umwelt- und Sicherheitsstandards.

Allein in den ersten neun Monaten hätten europäische Unternehmen rund 350 Millionen Euro gespart, so die EU-Kommission. Den zusätzlichen Handel bewertet sie mit zwei Milliarden Euro. Eine detaillierte Analyse sei nach einem Jahr aber noch nicht möglich, auch weil noch nicht genug Zahlen vorliegen. "Es ist noch zu früh, um alle Auswirkungen zu verstehen", so Kommissionsprecher Clancy. Zumal nicht klar ist, welche Veränderungen dem Abkommen und welche der aktuellen Wirtschaftskrise in Europa geschuldet sind. Ausfuhren der EU nach Korea sind im letzten Jahr gestiegen, Einfuhren aus Korea dagegen leicht gefallen.

Einige europäische Autohersteller wie Fiat, Renault oder die Europa-Tochter von Ford sind dennoch unzufrieden und fordern Nachverhandlungen. Ihr Argument: Koreanische Autobauer hätten ihren Autoumsatz seit Inkrafttreten des Abkommens um 67 Prozent gesteigert – zu Lasten der europäischen Anbieter von Klein- und Mittelklassewagen.

EU-Kommissionssprecher John Clancy wirft den klagenden Autobauern dagegen vor, sie würden mit falschen Zahlen operieren und verschweigen, dass viele koreanische Autos inzwischen in Fabriken in Osteuropa gebaut werden. "Unsere Firmen müssen daran arbeiten, wettbewerbsfähig und immer auf dem neuesten Stand zu sein. Nur so können sie von neuen Märkten wie Korea profitieren."

Umstrittenes Abkommen mit den USA

Koreanische Konzerne wie Samsung, Hyundai oder Posco sind starke Wettbewerber in den Branchen IT, Stahl, Auto- und Schiffbau. Außerdem hat Korea auch mit zahlreichen anderen Ländern Freihandelsabkommen abgeschlossen. Besonders umstritten war das Abkommen mit den USA. Es wurde 2010 unterschrieben und sorgte in Korea für Demonstrationen und sogar Schlägereien im Parlament, weil sich viele Koreaner benachteiligt fühlten.

Von solchen Konflikten war beim Abkommen mit der EU in Korea nichts zu spüren, sagt Alexander Son, der als Rechtsanwalt für eine koreanische Kanzlei arbeitet. "Die EU wird in Korea eher als neutral gesehen, die Beziehungen zu Deutschland und Frankreich sind traditionell gut. Die USA werden dagegen teilweise noch wie eine Besatzungsmacht empfunden, sie haben ja auch 40.000 Soldaten in Korea stationiert."

Alexander Son ist Geschäftsführer von Shin&Kim Europe. Der Europaableger der koreanischen Großkanzlei wurde Ende 2011 in München gegründet – auch als Reaktion auf das Freihandelsabkommen und das wachsende Interesse von Firmen bei Geschäften im jeweils anderen Land.

Wachsendes Interesse

Die zunehmende wirtschaftliche Annäherung wird auch zu einem kulturellen Austausch führen, glaubt Son, der selbst koreanischer Abstammung ist. In koreanischen Medien sei sehr ausführlich über das Freihandelsabkommen mit der EU berichtet worden. "Dadurch ist dort auch das Interesse an Europa deutlich gestiegen. Laut einer Umfrage wollen jetzt viel mehr Koreaner in der Schule deutsch lernen. Sie erwarten, dass langfristig mehr Möglichkeiten bestehen, im Bereich Korea-Deutschland oder Korea-EU zu arbeiten."

Die gesamten Folgen des Freihandels mit Korea werde man erst in fünf bis zehn Jahren abschätzen können, so die EU-Kommission. Schon vorher sollen ähnliche Abkommen mit weiteren Ländern in Kraft treten: unter anderem mit Kolumbien, Peru, Honduras, Kanada und Singapur.

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