Wie sah sie aus, die Stein- und Bronzezeit am Bodensee? Mit sechs rekonstruierten Dörfern auf Stelzen erzählt das Pfahlbaumuseum Unteruhldingen vom Leben am Wasser vor ca. 4000 Jahren.
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Das Pfahlbaumuseum Unteruhldingen
Das Pfahlbaumuseum Unteruhldingen hat eine lange Tradition. Bereits 1922 rekonstruierte man dort die ersten Steinzeit-Häuser. Danach hat sich das Museum beachtlich weiterentwickelt. Eine kleine Geschichte in Bildern.
Bild: Pfahlbaumuseum
Spärlich fing es an
Am 12. März 1922 gründeten 60 begeisterte Vorgeschichtsfreunde den Verein für Pfahlbau- und Heimatkunde e.V. Unteruhldingen und begannen noch im gleichen Jahr mit der Rekonstruktion der ersten beiden Pfahlbauten aus dem Federseemoor. Das urgeschichtliche Institut Tübingen, mit dem das Museum bis heute eng zusammenarbeitet, unterstützte den Bau mit seiner wissenschaftlichen Beratung …
Bild: Pfahlbaumuseum
… und sie halten bis heute
Seit nun mehr über 90 Jahren trotzen die beiden ersten Häuser des Pfahlbaumuseums der Witterung – wenn auch mit Abstrichen. Im Winter, wenn der Wasserstand des Sees niedrig ist, werden daher an den Pfählen sämtlicher Häuser Ausbesserungsarbeiten vorgenommen. Nach 15 bis 20 Jahren wechselt man die Pfähle gar aus.
Bild: DW/B. Baumann
Es wächst und wächst und wächst
Was einmal klein anfing, hat sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem beachtlichen Museumsareal gemausert - besonders gut zu sehen aus der Luft. Inzwischen zählt das Museum sechs Dörfer mit 23 rekonstruierten Häusern aus der Stein- und Bronzezeit (ca. 4000 bis 850 v. Chr.).
Bild: Pfahlbaumuseum
Lebensechte Szenen, Tiere und Modelle
Zuletzt hinzugekomme ist im Jahr 2002 ein neuer Dorfausschnitt mit Szenen aus dem Alltag der Pfahlbauer. Vorlagen waren Tauchausgrabungen in Unteruhldingen gegenüber der Insel Mainau. Zu sehen gibt es hier ein Totenritual oder wie so ein Steinzeit-Haushalt organisiert gewesen sein könnte. Denn Vorsicht: Die vermittelten Informationen sind reine Interpretationsmöglichkeiten einer Quelle.
Bild: Pfahlbaumuseum
Steinzeitmann Uhldi zeigt, wie es ging
Nicht nur in baulicher Hinsicht wurde das Pfahlbaumuseum stetig attraktiver, sondern auch in der Art und Weise, wie hier Wissen vermittelt wird. Steinzeitmann Uhldi ist da, um kleinen wie großen Besuchern zu erkären und zu zeigen, vor welchen Schwierigkeiten die Pfahlbauer damals standen. Unter anderem zeigt er, wie Feuermachen mit Pyrit und Zunderschwamm geht oder Werkzeuge hergestellt werden.
Bild: Pfahlbaumuseum
Die Steinzeit kommt in die Wohnzimmer
Acht Wochen weder Strom, noch fließend Wasser. Das Experiment wagten im Sommer 2006 Familie Junker-Matthes und Burbergs mit jeweils drei Kindern im Rahmen des SWR-Projekts "Steinzeit – Das Experiment". In einer Pfahlbausiedlung im Hinterland des Bodensees lebten sie unter den Bedingungen von vor 5000 Jahren. Seit 2007 stehen die Originalhäuser der Sendung im Pfahlbaumuseum Unteruhldingen.
Bild: Pfahlbaumuseum
Die Pfahlbauten werden Weltkulturerbe
Im Jahr 2011 erklärt die UNESCO die prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen, und damit auch die Fundstelle Unteruhldingen, zum Weltkulturerbe. Auf der Welterbeliste stehen insgesamt 111 Pfahlbaufundstellen aus sechs Alpenanrainer-Staaten. In Deutschland liegen die meisten Fundorte in Baden-Württemberg. Der Status hat die Besucherzahlen des Museums noch einmal in die Höhe getrieben.
Bild: DW/B. Baumann
Multimedia meets Steinzeit
Seit 2013 stehen Besucher zuerst im "Archaeorama" wenn sie ins Pfahlbaumuseum kommen - dem wohl modernsten museumspädagogischen Clou hier: Mit zwei Wissenschaftlern geht es bei einem Tauchgang zu den Fundstätten der originalen Pfahlbauten unter Wasser. In einer Zeitmaschine reist man schließlich 3000 Jahre in die Vergangenheit, zurück in den Alltag der Pfahlbauer - garantiert trockenen Fußes.
Bild: Pfahlbaumuseum
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Zunächst geht es auf Tauchstation, jedenfalls virtuell: Wer das Pfahlbaumuseum in Unteruhldingen betritt, gelangt erst einmal ins "Archaeorama", eine Art Erlebnisraum mit 360-Grad-Panorama. Stimmen ertönen. Zwei Taucher erscheinen in voller Montur auf einem Riesenbildschirm und laden zu einer Unterwassertour ein. Zusammen mit ihnen "sinkt" man auf den Grund des Bodensees zu den umspülten Resten der aus der Bronzezeit stammenden Pfahlbauten. Modernste Museumspädagogik, die ankommt!
Nach dem Ausflug in die Tiefe geht der Besuch mit dem Freilichtmuseum weiter. Hier öffnet sich der Blick auf das, was über der Wasserlinie gelegen hat: Sechs sorgsam rekonstruierte Dörfer stehen da, deren Häuser auf Pfählen gründen. Nach einer kurzen Einführung durch einen Museumsführer dürfen die Besucher die Häuser auf eigene Faust erkunden.
Fragen über Fragen
Warum bauten die Steinzeitmenschen ihre Behausungen auf Pfählen? Wie sahen die Menschen überhaupt aus, waren sie groß, klein, dick oder dünn? Wie war die Dorfgemeinschaft organisiert? Antworten auf diese und viele weitere Fragen liefert das "Haus der Fragen" innerhalb des Museums.
Dort lernt man unter anderem, dass die Menschen während des Übergangs von der Stein-, zur Jungsteinzeit (etwa 6000 bis 2000 v. Chr.) an den Seen günstige Lebens- und Klimabedingungen vorfanden. Fisch gab es zuhauf. Fruchtbarer Boden lud zu Ackerbau und Viehzucht ein. Handelswege standen offen. Ihre Häuser bauten die Steinzeitler auf Pfählen, um sich vor Hochwasser zu schützen. Der Pegel des Sees schwankte schon damals, vor allem im Frühjahr, wenn Schmelzwasser aus den Alpen Bäche und Flüsse flutete.
Spannende Aufbereitung
Wissenschaftler kennen am Bodensee rund 100 Pfahlbaustationen aus mehr als drei Jahrtausenden. Beispielhaft sind einige im Freilichtmuseum Unteruhldingen nachgebaut. Museumsführer erläutern das Leben der Pfahlbauer. Man erfährt, wie sie sich die Männer einst rasierten oder welchen Schmuck die Frauen trugen. An den Hauswänden hängen Informationstafeln, die über ihre Handwerkskünste aufklären – die Töpferei, den Bronzeguss.
Lebensecht wirken Szenen aus dem Alltag der Steinzeitmenschen: In drei Häusern sind manche beispielhaft nachgestellt. So lässt sich beispielsweise die Beisetzung eines Toten verfolgen. Grabbeigaben wie etwa Miniaturwagen aus Holz und Zinn lassen Schlüsse auf den Glauben unserer Vorfahren zu. Tenor: Auch im Jenseits geht das Leben weiter!
Verzahnung von Museumsarbeit und Forschung
"Gräber sagen uns viel über den geistigen Zustand der Menschen", erklärt Museumsleiter Gunter Schöbel. "Freilich gibt es noch viele ungelöste Rätsel." Genau deswegen forscht Schöbel mit Kollegen der archäologischen Denkmalpflege Baden-Württemberg, der Universität Tübingen und anderen Einrichtungen weiter.
Am Ende des Rundgangs ist noch einmal Mitmachen angesagt. Im Sand nach Scherben und Knochen buddeln oder Körner im Brotback-Workshop mahlen - all das geht in der Steinzeitwerkstatt unter freiem Himmel. Nicht erst dann rückt die versunkene Welt der Stein- und Bronzezeit ganz nah in unsere Neuzeit.