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Fremde Freunde

13. November 2009

Unterschiedlicher kann das neue SPD-Duo kaum sein: Andrea Nahles, neue SPD-Generalsekretärin und Parteilinke, und Parteichef Sigmar Gabriel, ehemaliger Ministerpräsident und ausgebuffter Strippenzieher im Hintergrund.

Portraitfotos von Sigmar Gabriel und Andrea Nahles (Foto: dpa)
SPD-Hoffnungsträger: Sigmar Gabriel und Andrea NahlesBild: dpa

Trotz ihrer unterschiedlichen Lebensläufe geben sich beide versöhnlich, tauschen in Interviews Höflichkeiten aus und bekunden sich ihrer gegenseitigen Hochachtung. Das wird auch nötig sein, denn beide müssen den Tanker SPD erfolgreich durch schwere Wasser führen oder seinen Untergang in die Bedeutungslosigkeit miterleben - wie bei den sozialistischen Parteien in Frankreich oder Italien.

Unterschiedliche Herkunft

Er soll die SPD aus dem Jammertal führen: Der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident und Bundesumweltminister Sigmar GabrielBild: dpa

Sigmar Gabriel und Andrea Nahles kommen aus unterschiedlichen Ecken der Sozialdemokratie. Gabriel ging früh zur sozialistischen Jugendorganisation, den "Falken", liebte es "auf Fahrt" zu gehen und hörte marxistische Lesungen. Er hatte eine schwierige Kindheit, in der ihm beinahe der Weg zu einer guten Ausbildung versagt geblieben wäre. Er musste für alles in seinem Leben kämpfen, das prägt ihn bis heute.

Nahles ist nicht nur rund zehn Jahre jünger als Gabriel, sondern hatte es auch wesentlich leichter. Die bekennende Katholikin machte 1989 Abitur und studierte anschließend 20 Semester Germanistik, Politik und Philosophie, um dann eine bisher unvollendete Doktorarbeit anzuschließen. Ihre politische Sozialisation fand bei den Jungsozialisten - den Jusos - statt, deren Bundesvorsitzende sie von 1995 bis 1999 war.

Beide sind sich lange Jahre aus dem Weg gegangen, waren sich einander suspekt. Nahles sagt, sie habe ein "Nichtverhältnis" zu Gabriel gehabt.

Die Königsmörderin

Andrea Nahles soll als Generalsekretärin die Partei zusammenhalten und den Modernisierungsprozess organisierenBild: AP

Das änderte sich 2005 rasch und radikal. Damals wollte SPD-Parteichef Franz Müntefering seinen Vertrauten Kajo Wasserhövel zum Generalsekretär der Partei machen. Nahles kandidierte dagegen und gewann die Abstimmung im Parteivorstand. Beleidigt wertete Müntefering das als Vertrauensbruch und trat zurück. Gleichzeitig zog Gabriel seine Unterstützung für Nahles zurück. Sie hatte fortan den Ruf der Königsmörderin und geriet ins politische Abseits.

Kurt Beck holte Nahles zwei Jahre später ins Rampenlicht zurück, machte sie zur stellvertretenden Parteivorsitzenden und zur Stimme der Parteilinken im SPD-Vorstand. Gelegenheit zur Rache an Gabriel bot sich auch: Nahles verhinderte seine Wahl ins Parteipräsidium. Die persönlichen Animositäten waren für beide Grund genug, lange Zeit kaum ein Wort miteinander zu wechseln.

Tingeltour zur SPD-Basis

Das hat sich jetzt geändert. Wochenlang sind Nahles und Gabriel durchs Land getourt und haben sich die Wut und den Frust der enttäuschten Genossen angehört. Dabei haben sie sich zusammen gerauft und eine gemeinsame historische Aufgabe erkannt und angenommen: Die am Boden liegende Sozialdemokratie wieder aufzurichten, ihr Rückgrat zu geben und langfristig zur Regierungsfähigkeit zurück zu führen.

Dann könnte sich der Traum für Nahles vielleicht doch erfüllen und sie könnte Bundeskanzlerin werden, wie sie es in der Abiturzeitung unter der Rubrik Berufswunsch eingetragen hatte.

Der Weg auf die Regierungsbank ist lang, das wissen beide. Nahles und Gabriel stehen für mehr innerparteiliche Demokratie, setzen sich damit gegen den "Basta"-Kanzler Gerhard Schröder ab. Sie gehen vorsichtig auf Distanz zu dem, was beide mit beschlossen haben, die Sozialreformen der Agenda 2010 und Hartz IV-Reform. Beides sei die richtige Richtung gewesen, sagen sie. Vielleicht müsse man aber an der einen oder anderen Stelle auf Nachbesserungen und Korrekturen drängen. Fatal sei die Entscheidung gewesen, in der SPD-Regierungsverantwortung die Hürden für ausländisches Kapital gesenkt und so den so genannten Heuschrecken Tür und Tor geöffnet zu haben. In der Opposition müsse man diese Entscheidungen überdenken und gleichzeitig kraftvoll gegen die unsoziale "Klientel-Politik" der schwarz-gelben Regierung angehen.

Rot-Rot?

Nahles ist von ihrem politischen Ziehvater Oskar Lafontaine einmal als "Geschenk Gottes" bezeichnet worden. Ihr dürfte die Annäherung an die Partei "Die Linke" nicht schwer fallen - trotz oder gerade wegen Oskar Lafontaine. Für Gabriel spricht ebenfalls nichts gegen eine Zusammenarbeit mit den Linken. Er fordert allerdings programmatische Änderungen: Würden die "Linken" mit dem Programm von 2009 auch bei der nächsten Bundestagswahl antreten, käme eine Zusammenarbeit auch 2013 nicht in Frage.

Steht für viele SPD-Politiker einer rot-roten Zusammenarbeit im Wege: Oskar LafontaineBild: AP

Im Gegensatz zu Nahles dürfte dem Niedersachsen, dessen Traumjob Oberbürgermeister seiner Heimatstadt Goslar sein soll, eine Zusammenarbeit mit Lafontaine deutlich schwerer fallen. Dessen Flucht aus dem Finanzministerium der ersten rot-grünen Regierung markiert für viele SPD-Mitglieder den Beginn der rasanten Talfahrt ihrer Partei.

Reform und Modernisierung der SPD stehen in den kommenden Jahren an erster Stelle. Das designierte Führungsduo Nahles/Gabriel will die Partei renovieren, ihr ein moderneres Image verpassen, die parteininterne Demokratie wieder beleben und die Flügelkämpfe überwinden. Er habe großen Respekt vor dieser Aufgabe, gestand Gabriel in einem Interview. Vielleicht ist die Tatsache, dass die beiden starken Persönlichkeiten der SPD aus unterschiedlichen politischen Lagern kommen, ein Symbol für die Überwindung der Flügelkämpfe.

Autor: Matthias von Hellfeld (dpa/afp)

Redaktion: Kay-Alexander Scholz

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