"Ode an die Feu(n)de" - Beethoven im Karneval
21. Februar 2020Beethoven als Clown? So würde wohl keiner der Organisatoren des Beethoven Jubiläumsjahres den großen Komponisten gerne sehen. Aber Beethoven, gekleidet mit der Jacke eines "Lappenclown-Kostüms" aus den Fahnen der europäischen Mitgliedsstaaten, das steht ihm gut zu Gesicht. In diesem Outfit wird er bei den Rosenmontagszügen der vier rheinischen Karnevalsorganisationen in Köln, Düsseldorf, Bonn und Aachen als Motivwagen zu sehen sein.
In der Hand hält der Komponist ein Notenblatt mit der "Ode an die Freu(n)de", in Anlehnung an den Chor im Schlusssatz von Beethovens 9. Sinfonie. "Alle Menschen werden Brüder, das verbindet über Grenzen hinweg", so der Zugleiter des Kölner Rosenmontagszuges, Holger Kirsch, der den Kölner Motivwagen der Presse präsentierte. Beethovens Vorstellungen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit passten zum Karneval, fuhr er fort. "Dass alle unter der Pappnase gleich sind, dafür steht auch der Karneval."
Europa als gemeinsamer Nenner
Für den gemeinsamen Entwurf hatten sich Zeichner der Kölner Karnevals-Motivwagen, die sogenannten "Kritzelköpp", und der Düsseldorfer Wagenbauer Jacques Tilly an einen Tisch gesetzt. "Das war natürlich ein langer kreativer Prozess, weil jeder seine eigenen Vorstellungen hatte", sagt Jacques Tilly, der für seine bissigen Karikaturen im Düsseldorfer Karneval bekannt ist.
Letztendlich war man sich einig: Es sollte nicht um den Beethoven von vor über 200 Jahren gehen, sondern um Beethoven heute. Schließlich sei Beethoven ein politischer, freiheitsliebender Mensch im Sinne der Aufklärung gewesen. "Es geht um den Beethoven, der die Ode an die Freude geschrieben hat, heute die Europahymne", sagt Tilly, "und so wird Beethoven eigentlich als ein großer vorweggenommener Europäer gesehen und dargestellt."
Beethoven-Motto im Bonner und Aachener Karneval
Anlässlich des 250. Geburtstags von Ludwig van Beethoven, der 1770 in Bonn geboren wurde, wird der Komponist im Bonner Karneval entsprechend groß gefeiert. "Neben Beethoven als Europäer zeigen wir auch den rockigen Beethoven", sagt Ralf Birkner, kaufmännischer Geschäftsführer der Beethoven Jubiläums Gesellschaft, die unter anderem bundesweit Beethovenprojekte finanziell unterstützt.
"Wir haben seit vielen Jahren in der Veranstaltungshalle des Festausschusses in Bonn die Figur von Beethoven mit Gitarre in der Hand, 'Roll Over Beethoven', stehen'", erzählt Birkner im Gespräch mit der DW. Diese sei schon mal auf einen Wagen mitgefahren und käme jetzt wieder zum Einsatz. "Die Mitglieder der Beethovengesellschaft haben dann entsprechende Perücken auf und tragen Beethovens rotes Halstuch", sagt Birkner. Auch andere Bonner Karnevalsgesellschaften machen den Spaß mit, verkleiden sich als Beethoven oder als Notenschlüssel.
Maskenball statt Straßenkarneval zu Beethovens Zeit
Auf einem Karnevalszug, wie wir sie heute aus dem "geordneten" Straßenkarneval kennen, mit Motivwagen, Blaskapellen und verkleideten Fußgruppen, die Blumen und Süßigkeiten werfen, ist Ludwig van Beethoven nie gewesen. Als 1823 in Köln der erste organisierte Karnevalsumzug stattfand, lebte der Komponist bereits in Wien.
Als Vorläufer des Karnevals werden die höfischen Maskenbälle gesehen. Für einen solchen Maskenball komponierte Ludwig van Beethoven eine Karnevalsmusik, nämlich seine "Musik zu einem Ritterballett", die 1791 uraufgeführt wurde. Im ehemals kurfürstlichen Schloss in Bonn, heute die Bonner Universität, wird am Karnevalssonntag sein Ritterballett von 100 Kindern und Jugendlichen aufgeführt.
Die Antwort auf alle Lebensfragen bei den Peanuts: Beethoven
"Jötterfunke överall – Ludwig, Bonn un Karneval", so lautet das Motto des Bonner Karnevals 2020 im Dialekt der Stadt. Weil Beethoven seine ersten 22 Jahre in Bonn verbracht hat und somit auch seine Kindheit, wird im Logo zum Motto Beethoven als Kind über das Klavier gebeugt gezeigt. Die Zeichnung ist dabei auch eine Anspielung auf die Figur "Schroeder" in den von Charles M. Schulz – einem großen Beethoven-Verehrer - kreierten Peanuts-Comics.
"Es geht uns darum, den Bonner Beethoven zu zeigen", sagt Ralf Birkner. "Bilder und Statuen zeigen fast immer den älteren, nicht so fröhlichen Beethoven, aber als Kind hat er hier ja auch ganz normal gelebt."
"Alaaf an die Freude!" in Aachen
Um den unbeschwerten Beethoven geht es auch dem Festausschuss Aachener Karneval. Auch hier bezieht sich das Karnevalsmotto auf Schillers "Ode an die Freude". "Gleichzeitig passt das Motto 'Alaaf an die Freude' auch in den europäischen Kontext", sagt Frank Prömpeler, der Präsident des Festausschuss Aachener Karneval.
Das Motiv zeigt Kaiser Karl den Großen am Klavier, und Beethoven als Büste schaut ihm beim Spielen zu. Der Entwurf und der entsprechende Orden stammen von Guido Diefentahl. "Der Aachener Karnevalsausschuss hat immer Motto-bezogene Orden mit Kaiser Karl, und Beethoven hat man ja oft als Büste auf dem Klavier", erzählt Diefentahl. So kam ihm die Idee zu dem Motiv. Beethoven bekam dann noch die Karnevalsmütze des Festausschusses auf den Kopf und die rote Clowns-Nase als Symbol für das Närrische.
Auch Kaiser Karl wird mit Europa verbunden. Vielen Geschichtsschreibern gilt er durch seine Feldzüge als "einer der ersten Europäer". In seinem Namen wird in Aachen seit 1950 der Internationale Karlspreis zu Aachen für Verdienste um die europäische Einigung verliehen.
Aachen selbst ist übrigens gerade zur großen Freude des Festausschusses von der "Närrischen Europäischen Gemeinschaft" zur ersten närrischen Kulturstadt Europas ernannt worden.
Gemeinsam zum UNESCO-Weltkulturerbe
Beethoven verbindet nicht nur die Menschen, er verbindet in diesem Jahr auch die verschiedenen Karnevalsvereine, die sonst jeder für sich agieren. Für Ralf Birkner ein gutes Zeigen für ein anderes Projekt, das die Jubiläumsgesellschaft in diesem Jahr vorantreiben will. "Wir sehen das Beethovenjahr als Möglichkeit, uns als rheinisches Kulturgut zusammenzufinden", sagt Ralf Birkner, "denn wir haben gemeinsam das Anliegen, in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen zu werden."
Auf der Deutschen UNESCO-Liste des immateriellen schützenswerten Kulturgutes steht der Rheinische Karnevals bereits, ebenso wie die Schwäbisch-Alemannische Fastnacht. Beide Karnevalstraditionen sollen auf die Welterbe-Liste. "Zwei Brauchtümer gesondert hätten da keine Chance", meint Birkner. Auch hier will man bei der Bewerbung an einem Strang ziehen.
Gerade wurde beschlossen, Archivmaterial zum Rheinischen Karneval und zur Schwäbisch-Alemannischen Fastnacht dokumentarisch zu bearbeiten und für die Ewigkeit im "Barbarastollen" zu verwahren. Der Stollen im Schwarzwald ist der zentrale Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland, in dem rund eine Milliarde Mikrofilmaufnahmen identitätsstiftender Dokumente aus deutschen Archiven lagern. Auch diese Aktion könnte dazu beitragen, die Jury der UNESCO vom Karneval als Welterbe zu überzeugen.