1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Lettland und der Euro

Ģederts Ģelzis, Riga / db9. Juli 2013

Die EU-Finanzminister haben die Euro-Einführung 2014 in Lettland besiegelt. Die Regierung versucht, die Bevölkerung zu überzeugen, aber die meisten Letten sind nicht sonderlich begeistert.

Hände mit Lat-Scheinen ILMARS ZNOTINS/AFP/Getty Images)
Bild: ILMARS ZNOTINS/AFP/Getty Images

Nun ist es amtlich: Lettland kann sich auf die Euro-Einführung zum Jahreswechsel einstimmen. Aber noch lehnen viele Letten die gemeinsame Währung ab, die am Dienstag (09.07.2013) von den EU-Finanzministern in Brüssel bestätigt wurde.

Umfragen im Juni zufolge unterstützten nur 38 Prozent der Letten die Einführung des Euro, immerhin acht Prozent mehr als zu Beginn des Jahres. Viele befürchten in Lettland Preissteigerungen wie bei anderen "neuen" Mitgliedern der Eurozone. In der wachsenden, aber noch recht jungen Wirtschaft würden viele lieber bei der bewährten Währung, dem Lats, bleiben.

Ieva Dabolina spricht für viele Letten wenn sie sagt, Lettland habe das schönste Geld auf der ganzen Welt. "Es fühlt sich für mich an, als ob ich mein Land, die Staatsflagge und andere Symbole aufgebe", meinte die 44-jährige Designerin und Dichterin in Riga im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Hält sein Versprechen

Als Lettland am 1. Mai 2004 der Europäischen Union beitrat, habe man bereits beschlossen, auch der Eurozone beizutreten, erklärte Finanzminister Andris Vilks. Seit 2005 ist der Lats an den Euro gebunden. "Nachdem wir der EU und NATO beigetreten sind, blieb nur noch die Einführung des Euro", sagte Vilks der DW.

Lettland wird zum 18. Land der Währungsunion und tauscht nach Estland als zweites baltisches Land die heimische Währung gegen den Euro. Entscheidend dazu beigetragen haben Vilks und Ministerpräsident Valdis Dombrovskis, beide Mitglieder der "Einheits-Partei" in der lettischen Mitte-Rechts Regierungskoalition.

Wehmütig: Ieva Dabolina möchte das "schönste Geld der Welt" nicht aufgebenBild: Ģederts Ģelzis

Der baltische Staat habe alle Hauptkriterien erfüllt: "Lettland ist eines von vier Ländern - dazu gehören Estland, Finnland und Luxemburg -, die momentan alle Maastricht-Kriterien erfüllen", stellte Vilks fest.

Laut Konvergenzbericht der Europäischen Zentralbank beträgt das lettische Haushaltsdefizit 1,2 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt, also deutlich weniger als die erlaubten drei Prozent. Die durchschnittliche Inflationsrate lag im vergangenen Jahr bei 1,3 Prozent, und damit weit unter dem Referenzwert von 2,7 Prozent. Die Staatsverschuldung lag 2012 bei 40,7 Prozent - auch das weit weniger als die erlaubten 60 Prozent.

Lettland geselle sich als Land mit großer Ausgabendisziplin zur Eurozone, so Vilks, und fügt hinzu, es sei wichtig, so weit wie möglich in bestehende europäische Strukturen eingebunden zu sein. Die Integration in eine starke, regionale Währung sei unerlässlich, da sie das Umfeld für Investitionen und die Bonität des Landes verbessere.

"Wir leben im 21. Jahrhundert"

Vor allem die junge Generation und Letten mit einem höheren Einkommen freuen sich auf die Aufnahme in die Eurozone. Inese Klimovica, 32, ist Exportmanagerin für eine Firma, die in Riga Designer-Kerzen herstellt, und kürzlich mit einen Preis für ihr großes Exportpotential ausgezeichnet wurde.

Inese Klimovica verspricht sich viel von der EinheitswährungBild: Ģederts Ģelzis

"Japan ist einer unserer größten Exportmärkte, und die Japaner zahlen unsere Rechnungen in Euro", erklärte Klimovica. Die Firma exportiere auch in die EU, in die Schweiz und nach Korea und versuche in den russischen Markt zu kommen, wo dann auch mit Euro gezahlt werde. Ab 2014, wenn der Euro offiziell eingeführt sei, spare die Firma die Wechselkurs-Kosten, freut sich Klimovica. Momentan erhalten 10 Angestellte ihr Gehalt in Lats und auch die Produktionskosten werden in Lats abgerechnet. "Ich persönlich bin für den Euro", meinte Klimovica. Bei aller Liebe zum Lats stellt die Managerin klar: "Wir leben im 21. Jahrhundert." Auch Reisen werde viel einfacher.

Der Euro ist Kult

Nicht jeder teilt diese positive Einstellung. "Offensichtlich ist die Entscheidung, der Eurozone beizutreten - wie damals beim EU-Beitritt - in Lettland eine Religion", meinte Janis Urbanovics. Logische Argumente ziehen nicht, erklärte der Fraktionsvorsitzende der Oppositionspartei "Zentrum der Harmonie" im Interview mit der DW.

Urbanovics und die andere Oppositionspartei im Parlament, die "Grüne und Bauern-Union", sind der Meinung, Lettland hätte die Einführung des Euro verschieben sollen. Der Fraktionsvorsitzende verweist auf EU-Mitglied Polen, wo man "überlege, wann der Euro eingeführt werden soll, während das Interesse am Euro gleichzeitig bestehen bleibt."

Auch Ieva Daboliņa, die im Frühjahr an einer Anti-Euro-Kampagne teilnahm, hätte sich mehr Zeit gewünscht. Preissteigerungen wird es geben, da ist sie sicher. "Und der kleine Mann ist wieder der, der leidet."

Das neue Griechenland?

Lettland will auf keinen Fall das neue Griechenland werden, also eine Bürde für die Eurozone. Ende 2008 und 2009 litt das Land wegen eines ausufernden Haushaltsdefizits unter der schlimmsten Rezession in der gesamten EU. Die größte lettische Bank, Parex, wurde verstaatlicht.

2008 erhielt Lettland 7,5 Milliarden Euro in internationalen Finanzhilfen, schnürte ein Sparpaket - und berappelte sich. Heute wächst die lettische Wirtschaft schneller als alle anderen in der EU. Deswegen, so Vilks, habe er auch keine Bedenken bezüglich der Nachhaltigkeit seines Landes. "Für die Banken hat Lettland jetzt eine strengere Aufsichtsstruktur. Und das Parlament hat ein Haushaltsstabilitäts-Abkommen verabschiedet."

Die lettische Euro-MünzeBild: Ģederts Ģelzis

"Lettland hat eine Lehre aus der Vergangenheit gezogen", meinte Morten Hansen, Leiter der Wirtschaftsabteilung an der Stockholm School of Economics in Riga. Und obwohl sich seit 2005 viel getan habe, fügte Hansen hinzu, stehen noch Strukturreformen an, sowie Verbesserungen im Bildungs- und Sozialhilfesektor, in den Bereichen Regionalpolitik und auf dem Arbeitsmarkt.

Lija Strasuna, Chefökonomin der Swedbank, versucht die Sorgen um große Preissteigerungen beim Euro-Neuling herunterzuspielen. Einen Anstieg nur wegen des Euro werde es nicht geben, aber "wenn die Wirtschaft weiter so wächst, und die Leute Geld ausgeben, werden die Preise in der Tat steigen", meinte Strasuna.

Die momentane Wirtschaftkrise hat vielleicht die Argumente für den Eurozonen-Beitritt geschwächt - auch die Letten beobachten den Kampf einiger südeuropäischer Euro-Länder, den Kopf über Wasser zu halten. Die Regierung dagegen ist entschlossen, ihre positive Einstellung auf die Gesellschaft zu übertragen: zum Jahreswechsel soll das ganze Land die Eurozone und die Vorteile des Euro bejubeln.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen