Frida Kahlo Retrospektive in Berlin
4. Mai 2010
"Wir wollen die Malerin zeigen, nicht die Heilige", so die Kuratorin der Frida Kahlo Retrospektive, Helga Prignitz-Poda, unter Anspielung auf die mystische Aura, die diese mexikanische und universelle Künstlerin umgibt und deren Werke eine große Faszination ausüben, wo immer sie ausgestellt werden. Dieser Faszination kann sich auch Berlin nicht entziehen.
Gereon Sieverich, der Leiter des Martin-Gropius-Baus, ist stolz auf die, wie er betont, größte Kahlo-Ausstellung in Europa, die kurz vor der Eröffnung noch zu einer logistischen Herausforderung der besonderen Art wurde. Auf Grund der Sperrung des europäischen Luftraums nach dem Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull konnten einige der Bilder erst in letzter Minute in den Museumsräumen aufgehängt werden.
Detektivarbeit bei der Suche nach Kahlos Werken
Drei Jahre hat es gedauert, bis die 150 Gemälde, Zeichnungen und Fotografien für die Frida Kahlo Retrospektive zusammengestellt werden konnten. Über hundert der ausgestellten Werke befinden sich im Besitz privater Sammler. "Es war eine echte Detektivarbeit die Werke ausfindig zu machen und ihre Besitzer davon zu überzeugen, sie uns für die Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Schließlich wird jede 'Frida' wie ein Familienmitglied von ihren Besitzern gehütet", erläutert Kuratorin Prignitz-Poda.
Einige Werke wurden in den USA gefunden und werden jetzt zum ersten Mal in der Öffentlichkeit gezeigt. Drei Gemälde allerdings, die sich im Besitz der Popikone Madonna befinden, fehlen in der Ausstellung. Eines davon hatte die Sängerin vor fünf Jahren für 5,6 Millionen Dollar ersteigert. Prignitz-Poda erklärt die Abwesenheit dieser und anderer Kahlo-Gemälde damit, dass manche Bilder auf Grund ihres Zustandes nicht "reisefähig" seien.
Frika Kahlo vor der Kamera
Die Retrospektive im Berliner Martin-Gropius-Bau wird begleitet von einer Fotoausstellung, für deren Zusammenstellung die Großnichte der Malerin, die Fotografin Christina Kahlo, verantwortlich zeichnet. "Die Fotografie war für Frida bedeutend seit sie ein kleines Mädchen war. Sie und ihre Schwestern standen von klein auf vor der Kamera des Vaters, des deutschstämmigen Fotografen Guillermo Kahlo", erläutert sie. "So hat Frida Erfahrung vor der Kamera gesammelt und ihr Talent als Modell entwickeln können. Das ist auf späteren Aufnahmen deutlich zu sehen, die berühmte Fotografen wie Manuel und Lola Alvarez Bravo und Nickolas Murray von ihr gemacht haben."
Unter den bisher unbekannten Werken befindet sich ein kleines Gemälde, das als eine der "Sensationen" der Berliner Ausstellung gilt. "Selbstbildnis in einer Sonnenblume" von 1954 ist das letzte Ölgemälde von Frida Kahlo. "Wir wussten, dass es existiert, aber nicht, wo es sich befand", erzählt die Kuratorin Helga Prignitz-Poda im Gespräch mit DW-WORLD. "Und so sind wir auf unserer Suche nach dem Bild noch auf weitere Gemälde gestoßen." Weitere 20 Kahlo-Gemälde sind aber weiterhin verschollen, sagt Prignitz-Poda, darunter auch das berühmte Bild "Verletzter Tisch", das zusammen mit mehreren Bildern von Diego Rivera bei einer Ausstellung in Moskau in den 50er Jahren verschwunden ist.
Kahlo hat ihre Sexualität thematisiert
Im Mittelpunkt der Berliner Frida Kahlo Retrospektive stehen ihre Selbstporträts "Selbstbildnis mit Kolibri" und das verstörende "Meine Amme und ich", sowie die Werke, die sie zum feministischen Symbol werden ließen. Das kleine Ölgemälde "Einige kleine Stiche" prangert die machistische Gewalt an. "Sie war die erste Künstlerin, die ganz offen eine Entbindung dargestellt hat. Sie hat auch eine ganze Reihe weiterer Frauenthemen behandelt, die sie ohne Scheu und Scham in ihrer Malerei dargestellt hat. In einer von Männern dominierten Welt hat sich Frida Kahlo nicht versteckt, sondern ihre weibliche Sexualität in ihren Bildern klar zum Ausdruck gebracht. Es gibt zum Beispiel auch eindeutig lesbische Zeichnungen", so Prignitz-Poda.
Gezeigt werden auch mehrere Stillleben, auf denen unter anderem "weinende Kokosnüsse" zu sehen sind. In anderen Früchten sind eindeutig weibliche und männliche Sexualorgane zu erkennen. So werden die üppigen Speisekammern zu verschlüsselten Selbstporträts der Künstlerin.
Ein Leben voller Schmerz
Frida Kahlo war 18, als sie 1925 bei einem Unfall in einem Trolleybus in Mexiko schwer verletzt wurde. Eine Eisenstange bohrte sich dabei durch ihren Körper. Sie wurde insgesamt 22 Mal operiert und hat ihr ganzes Leben lang unter starken Schmerzen gelitten. Sie hat mehrere Fehlgeburten erlitten. Linderung ihrer Leiden suchte und fand sie in Alkohol und Morphium. Auf die vielen Seitensprünge ihres 20 Jahre älteren Ehemannes, des berühmten Malers Diego Rivera, reagierte sie ihrerseits mit zahlreichen Affären – sowohl mit Männern als auch mit Frauen.
Ihr turbulentes und von Brüchen gekennzeichnetes Leben hat Frida Kahlo in Bildern voller Intensität und Farbenpracht verarbeitet. Doch bis zu ihrem frühen Tod im Alter von 47 Jahren blieb ihr die Anerkennung verwehrt, die ihr Werk heute genießt. Das Interesse an ihren Gemälden hat sie zu einer volkstümlichen Ikone werden lassen, einem Symbol des lateinamerikanischen Feminismus, das heute ebenso gnadenlos vermarktet wird wie das Image des Che Guevara.
Autorin: Eva Usi
Redaktion: Mirjam Gehrke