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Frieden in Myanmar

Rodion Ebbighausen26. Juli 2016

Die Nationale Liga für Demokratie in Myanmar bereitet eine große Friedenskonferenz vor. Aung San Suu Kyi benötigt großes Verhandlungsgeschick, um die Konfliktparteien einander näher zu bringen.

Myanmar Kachin Independence Army Soldaten Rebellen
Bild: Getty Images/AFP/Stringer

Seit bald 70 Jahren toben in Myanmar Bürgerkriege. Kaum war die Unabhängigkeit von Großbritannien 1948 erreicht, griffen die ersten ethnischen Minderheiten und politische Gruppen zu den Waffen. Seither ist es keiner Regierung jemals gelungen, einen landesweiten Frieden herzustellen.

Die im November 2015 demokratisch gewählte Nationale Liga für Demokratie (NLD) unter der Führung von Aung San Suu Kyi will das nun ändern. Frieden war eines der zentralen Wahlversprechen der NLD, die seit März 2016 die Regierungsgeschäfte führt. In einem ersten Schritt hat die NLD das umstrittene Myanmar Friedenszentrum, dass den Friedensprozess technisch unterstützen soll, umstrukturiert, wie der politische Analyst Khin Zaw Win im Gespräch mit der Deutschen Welle erläutert. "Der vorherigen Friedenszentrum wurde mangelhafte Transparenz und Parteilichkeit vorgeworfen. Trotzdem leitete es unter der Vorgängerregierung die Friedensverhandlungen. Dabei wurde es übrigens von ausländischen Gebern finanziert, insbesondere der Europäischen Kommission. Am Ende konnte es nur ein mageres Ergebnis vorweisen." Khin Zaw Win meint damit das Waffenstillstandsabkommen zwischen Regierung und acht bewaffneten ethnischen Gruppen vom Oktober 2015, das noch unter Präsident Thein Sein unterzeichnet wurde.

Aung San Suu Kyi wird die Friedensverhandlungen führenBild: Getty Images/AFP/N. Sangnak

Das neue Friedenszentrum wird nun von der NLD geleitet. Die Verhandlungsführerin bei den Friedensgesprächen ist Aung San Suu Kyi selbst. Für Mitte August ist eine große Friedenskonferenz geplant. "Wenn die Friedensnobelpreisträgerin es tatsächlich schafft, die Führer der bewaffneten ethnischen Gruppen, das Militär und die Regierung auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, dann hätte sie etwas Historisches erreicht", ist der Politologe und Myanmar-Kenner Marco Bünte von der Monash Universität in Kuala Lumpur überzeugt.

Schwierige Ausgangslage

Die zu überwindenden Hürden sind allerdings enorm. Da wäre zuerst die geographische und demographische Ausgangslage. Im Vielvölkerstaat Myanmar lebt die Bevölkerungsmehrheit der Birmanen im Zentrum und den Küstenregionen. Die ethnischen Minderheiten leben hufeisenförmig in den Grenzregionen des Landes, wo sich zugleich die großen Ressourcenreichtümer wie Jade, Rubine und Holz befinden. Erdgas und Erdöl liegen vor der Küste im Golf von Bengalen, müssen aber per Pipeline durch die Gebiete der ethnischen Minderheiten etwa nach China gebracht werden. Hier einen Interessenausgleich zu finden, der allen Beteiligten gerecht wird, gleicht der Quadratur des Kreises.

Ein zweites, nicht weniger grundsätzliches Problem ist das tiefverwurzelte Misstrauen, das jahrzehtelanger Bürgerkrieg, politische Turbulenzen und Militärherrschaft hinterlassen haben. Die ethnischen Minderheiten misstrauen der birmanischen Mehrheit, die birmanische Mehrheit misstraut den Minderheiten. Die Minderheiten misstrauen sich untereinander, und das Militär gilt vielen als Wurzel allen Übels. Das zeigt besonders deutlich das sensible Thema der Entwaffnung. Das Militär besteht auf dem Grundsatz: ein Staat, eine Armee. "Das Militär fordert, dass die bewaffneten ethnischen Gruppen ihre Waffen abgeben, bevor sie am Verhandlungstisch Platz nehmen", so Khin Zaw Win und fährt fort: "Da es aber keinerlei Vertrauen zwischen den Menschen in Myanmar gibt, ist es für die bewaffneten ethnischen Gruppen unvorstellbar, freiwillig ihre Waffen abzugeben." Wie und ob diese Frage gelöst wird, ist noch offen.

Eine erste Pipeline führt quer durchs Land nach China. Sie kreuzt sowohl Gebiete der Birmanen als auch der ethnischen Minderheiten

Zusätzlich verkompliziert wird die Lage, wenn man beide Probleme in Beziehung setzt, wie Bünte anmerkt: "Es gibt eine ganze Reihe ethnischer Gruppen, die relativ wenig Interesse an einem umfassenden Friedensabkommen haben. Vor allem kämpfende Gruppen, die natürliche Ressourcen in den von ihnen kontrollierten Gebieten haben und die von den momentan bestehenden Kriegsökonomien profitieren, haben natürlich nur wenig Anreize, einen wie auch immer gearteten Neuanfang zu wagen."

Etwas Neues schaffen

Trotzdem, da sind sich beide Experten einig, gibt es auch Aspekte, die einen echten Neuanfang unter Aung San Suu Kyi ermöglichen könnten. Zum einen habe die Führerin der NLD jahrelang selbst unter dem Militär gelitten; zum anderen betonen Bünte und Khin Zaw Win ihr großes Charisma und ihr Verhandlungsgeschick. Nicht zuletzt seien sie und ihre Partei demokratisch legitimiert. "Insofern kann sie die ethnischen Gruppen einladen und sagen: Lasst uns etwas Neues schaffen", sagt Bünte.

Aber auf Seiten der ethnischen Gruppen gebe es natürlich auch Vorbehalte. "Die ethnischen Gruppen wissen genau: Suu Kyi spricht vorne, aber hinter ihr steht das Militär." Das Militär hätte allerdings in den letzten Jahren aktiv am Friedensprozess mitgewirkt. "Früher wollte es einen Einheitsstaat, aber mittlerweile kann es mit dem Föderalismusbegriff leben. Das zeigt, dass auch das Militär bereit ist, zu lernen."

Unklare Haltung

Freilich sei es nicht nur für das Militär, sondern auch für die NLD manchmal schwierig herauszufinden, was die verschiedenen bewaffneten ethnischen Gruppen genau wollen. Jede Gruppe hat eigene Interessen, betont Bünte. Es sei kaum möglich hier eine einfache und schnelle Lösung zu finden. Die Verhandlungsführer müssten erstmal herausfinden, was jede Gruppe unter Föderalismus, Gewaltenteilung und Autonomie konkret versteht. "Die ethnischen Gruppen sind auch unter sich nicht einig. Vielfach gibt es keine konkrete Vision davon, was sie selbst erreichen wollen."

Wenn eine Gruppe sage, sie wolle ihre eigene Sprache sprechen und ihre Kinder auf eigene Schulen schicken, dann könne man darüber reden. Wenn Sie aber sagen, sie wollten einfach nur Autonomie, dann sei das erst mal ein sehr weiter Begriff, so Bünte. Khin Zaw Win hofft in diesem Zusammenhang auf ein Treffen der bewaffneten Gruppen an der Grenze zu China, das am Dienstag (26.7.2016) beginnen soll. "Hoffentlich werden sie eine gemeinsame Position formulieren."

Staatsgründung

Eine gemeinsame Position zu finden ist unter anderem deshalb so schwierig, weil alle ethnischen Gruppen eine eigene Geschichte haben. Einige der im Hochland lebenden Minderheiten hätten weder in der Kolonialzeit noch danach jemals irgendetwas von einem Staat gespürt, so Bünte. "Die waren ihre gesamte Geschichte über autonom. Dort wird Föderalismus mit Unabhängigkeit gleichgesetzt, während Machtteilung als Unterwerfung begriffen wird. Es gibt demnach keinerlei historische Vorbilder, woran sich die ethnischen Gruppen bei den Verhandlungen orientieren könnten."

Im Oktober unterzeichnete der damalige Präsident Thein Sein ein Waffenstillstandsabkommen mit acht bewaffneten GruppenBild: Reuters/Soe Zeya Tun

Es geht bei den jetzigen Verhandlungen demnach nicht nur um den Frieden, sondern zugleich darum, den modernen Staat Myanmar erstmals zu begründen, und zwar so, dass sich alle Volksgruppen damit identifiziren können.

Das erklärt auch, warum die NLD die bereits zweimal verschobene und nun für August geplante Konferenz als Panglong-Konferenz des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Die ursprüngliche Panglong-Konferenz fand 1947 statt. Damals traf der Unabhängigkeitheld Aung San und Vater von Aung San Suu Kyi im Shan-Staat mit Vertretern der ethnischen Minderheiten der Shan, Kachin und Chin zusammen, um das zukünftige Zusammenleben zwischen den verschiedenen Völkern im unabhängigen Birma auszuhandeln. Im Rückblick wird die Panglong-Konferenz heute mythisch zu einer Art Staatsgründungskonferenz überhöht. Tatsächlich waren die meisten ethnischen Minderheiten allenfalls als Beobachter vertreten und das ausgehandelte Agreement war äußerst vage.

Ungeachtet dessen macht sich die NLD die nicht zu unterschätzende Bedeutung der Panglong-Konferenz zu Nutze. Bünte sagt: "Die geplante Konferenz und deren Namen ist natürlich reine Symbolik. Es ist ein starkes Signal von Aung San Suu Kyi: Ich möchte das Land einen." Sollte sie Erfolg haben, würde es zum ersten Mal einen im Frieden vereinten Staat Myanmar geben.

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