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Politik

Frieden in Nahost - Vier Lösungsvorschläge

19. Dezember 2017

Seit Jahrzehnten stehen sich Israelis und Palästinenser in einem territorialen Konflikt gegenüber. Die Vorschläge, wie er sich lösen ließe, werden seit Jahren diskutiert. Anspruchsvoll sind sie alle. Ein Überblick.

Jerusalem Proteste nach Freitagsgebet
Bild: Reuters/B. Ratner

Im Februar 2016 kam es in der jordanischen Hafenstadt Aqaba zu einem denkwürdigen Treffen. Die Teilnehmer: der israelische Premier Benjamin Netanjahu, der jordanische König Abdullah und der damalige US-amerikanische Außenminister John Kerry. Der Inhalt des Gesprächs: die mögliche Umsiedlung der in den Autonomiegebieten lebenden Palästinenser auf den nördlichen Sinai. Dieser Plan, berichtete der Nachrichtensender Al-Jazeera, existiere bereits seit Längerem. Schon im Jahr 2004 hätte ein israelischer Vertreter Ägypten vorgeschlagen, zu diesem Zweck 60.000 Quadratkilometer des nördlichen Sinai abzutreten.

Im Sommer dieses Jahres brachten US-Präsident Donald Trump und Benjamin Netanjahu eine weitere Variante des Deals ins Spiel. Demnach würde Ägypten den Gazastreifen regieren, während Jordanien Teil der Westbank beaufsichtigen würde. Die übrige Westbank würde Israel kontrollieren und den dort lebenden Palästinensern die israelische Staatsbürgerschaft anbieten.

Zu dem Plan kommen aus Ägypten widersprüchliche Signale - insbesondere zu dem Ansinnen, Land zur Ansiedlung der Palästinenser bereitzustellen. "Präsident al-Sisi kann nicht einen einzigen Zoll ägyptischen Bodens aufgeben", erklärte der ägyptische Außenminister Sameh Shoukry Anfang Oktober dieses Jahres. Im April allerdings hatte al-Sisi bei einem Besuch in Washington das Gedankenspiel der Umsiedlung als "Plan des Jahrhunderts" bezeichnet.

Der mit den Palästinensern zumindest offiziell noch nicht diskutierte Umsiedlungsvorschlag ist der jüngste einer Reihe von Vorschlägen, die den seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern lösen sollen. Insbesondere die nachfolgend beschriebenen drei Vorschläge werden regelmäßig ins Spiel gebracht.

Wasser gegen Steine: Proteste in Nablus, Dezember 2017 Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Mohammed

Die Zwei-Staatenlösung

Der bekannteste Vorschlag ist die Zwei-Staatenlösung. Zu ihm bekennen sich unter anderem auch die Europäische Union und die Bundesrepublik Deutschland. Der Vorschlag ist fast so alt wie der Nahostkonflikt selbst. Erstmals kam er in der so genannten Peel-Kommission zur Sprache, die die britische Mandatsmacht 1937 eingesetzt hatte. Die Kommission kam zu einem ernüchternden Schluss: Zwischen den beiden auf engem Raum lebenden Gruppen bestehe ein "unüberwindbarer Konflikt." Die Gruppen hätten keinerlei Gemeinsamkeiten. "Ihre nationalen Hoffnungen sind nicht miteinander vereinbar." Darum müsse das Land in zwei Staaten aufgeteilt werden.

Der Plan wurde immer wieder diskutiert. Neuen Schwung erfuhr er zu Beginn des neuen Jahrtausends - sowohl unter Israelis wie auch Palästinensern stieg die Zustimmung. Im Zuge des unausgesetzten Siedlungsbaus nahm die Zustimmung unter Palästinensern dann aber wieder ab. Unter der Regierung Benjamin Netanjahu habe sich die Lage zusätzlich kompliziert, sagt Peter Lintl, Israel-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Teile der Regierung wollten das Westjordanland schon immer als Teil Israels sehen. Dieser Flügel ist innerhalb der letzten zwei Jahre besonders erstarkt. Dies gilt insbesondere für die Partei Jüdisches Heim, die die Interessen der Siedler vertritt. Aber auch in der Partei Netanjahus, dem Likud, gibt es viele Stimmen, die wenigstens Teile des Westjordanlands gerne annektieren würden."

Angesichts dieser Entwicklung sprach sich bereits im Jahr 2015 knapp über die Hälfte der Palästinenser gegen die Zwei-Staaten-Lösung aus - mit weiter steigender Tendenz. Viele Befragte erklären, angesichts der fortgeschrittenen Zersiedelung des Landes sei eine Zwei-Staaten-Lösung ohnehin nicht mehr umsetzbar. Umgekehrt bröckelte angesichts des palästinensischen Terrors auch in Israel die Zustimmung.

Heilig und umkämpft: Blick auf die Altstadt von JerusalemBild: Getty Images/L. Mizrahi

Hinzu kommen weitere Probleme, so der Nahost-Experte Gil Murciano, auch er von der Stiftung Wissenschaft und Politik: "Es braucht generell ein Empfinden für die Dringlichkeit einer Einigung in Israel. Und man muss das Problem der Repräsentation auf Seiten der Palästinenser lösen. Man muss dort eine Instanz schaffen, die die Verhandlungen im Namen aller Palästinenser führen kann." Angesichts dieser Schwierigkeiten sprach sich 2015 nur noch knapp die Hälfte der Israelis für eine Zwei-Staaten-Lösung aus.

Die Ein-Staat-Lösung

Eine Alternative zur Zwei-Staaten-Lösung wäre die Ein-Staat-Lösung: Israelis und Palästinenser würden gemeinsam in einem Staat leben. Die meisten Israelis lehnen diese Idee ab. Das gravierendste Problem: Die demographische Entwicklung würde mittel- bis langfristig die Identität Israels als jüdischer Staat untergraben. Denn nähme Israel die Palästinensergebiete in das eigene Staatsgebiet auf, müsste es den Palästinensern die vollen Bürgerrechte gewähren. Damit aber, schreibt die an der Universität Hamburg lehrende Politikwissenschaftlerin Margret Johannsen in ihrem Buch "Der Nahostkonflikt", würde Israel "de facto ein bi-nationaler Staat werden und folglich seinen Charakter als jüdischer Staat aufgeben." Das will die Mehrheit der Israelis nicht.

Hinzu käme: Ein solcher Einheitsstaat müsste einvernehmlich begründet werden. Auch die territoriale Einigung müsste internationalen Vorgaben entsprechend. Bislang, so der Völkerrechtler Christian Tomuschat, ist dies nicht der Fall. "Nach den geltenden Regeln ist das einfach ein fremdes Gebiet, das sich Israel nicht ohne weiteres einverleiben darf."

Eine Konföderation

Einen weiteren Vorschlag präsentiert der Historiker Michael Wolffsohn. Er wirbt seit Jahren für eine konföderierte Bundesrepublik Jordanien-Palästina mit dem Bundesland »Westjordanien« (Westjordanland) und gegebenenfalls dem Gazastreifen. Die Konföderation wäre grundsätzlich auch erweiterbar, und zwar in Richtung eines Staatenbundes "Palästina-Jordanien-Israel". Diese, so Wolffsohn, würde den demographischen Realitäten entsprechen: Im Westjordanland leben derzeit rund 22 Prozent Juden, während in Israel umgekehrt 23 Prozent der Bürger palästinensische Wurzeln haben.

Einen Bevölkerungsaustausch hält Wolffsohn angesichts dieser Zahlen für nicht mehr möglich. Stattdessen plädiert er für einen erweiterten Staatenbund. "Die Araber Israels, die bekanntermaßen Palästinenser sind, blieben in Israel und bekämen entweder das Wahlrecht fürs palästinensisch-jordanische oder, basierend auf individueller Entscheidung, fürs israelische Parlament", schreibt Wolffsohn. "Sowohl jüdisch-israelische als auch palästinensische und jordanische Selbstbestimmung wären gewährleistet. Ebenso die jeweilige Staatlichkeit."

Keine dieser Lösungen ist einfach. Alle setzen sie viel voraus. Es scheint, als bliebe nur die Wahl zwischen dem Schwierigen und dem sehr Schwierigen. Darunter ist Frieden offenbar nicht zu haben.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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