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Friedensforscher: Anti-Terror-Kampf bringt keine Demokratie

14. Juni 2005

Die fünf großen deutschen Friedensforschungs-Institute ziehen im Friedensgutachten 2005 eine negative Bilanz des Anti-Terror-Kampfes. Demokratisierung durch militärische Intervention sei keine erfolgreiche Strategie.

US-Truppen im Irak - Demokratie nicht mit Waffen zu erzwingenBild: AP


Friedenssicherung brauche einen langen Atem, betonte Christoph Weller vom Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen (INEF) am Dienstag bei der Vorstellung des Friedensgutachtens 2005 in Berlin. Wenige Jahre nach der Beendigung von Bürgerkriegen breche die Gewalt häufig wieder aus. Seit 1945 gebe es nach einer Studie der Weltbank doppelt so viele gescheiterte wie gelungene Konfliktbeilegungen. Ulrich Ratsch von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) verwies darauf, dass es nach einem Waffenstillstand in 50 Prozent der Fälle wieder zu einem bewaffneten Konflikt komme

Die Wissenschaftler wiesen darauf hin, dass militärische Interventionen von außen nicht nachhaltig zur Demokratisierung von Staaten beitrage. "Die Welt ist unübersichtlicher. Den vielfältigen Ursachen gegenwärtiger Kriege und Gewaltverhältnisse lässt sich nicht mit ein und derselben Strategie beikommen", schreiben die Wissenschaftler.

El-Kaida im Irak ist Folge der US-Politik

Die Wissenschaftler mahnen, dass Konfliktbewältigung nicht erst einsetzen dürfe, wenn schon die Waffen sprechen. Vor dem Ausbruch von Gewalt müsse durch verbesserte Früherkennung und diplomatische Interventionen deeskalierend eingegriffen werden.

Die Bilanz des "Krieges gegen den Terror" sei negativ, urteilen die Friedensforscher. Der Militäreinsatz der USA habe im Irak zwar nicht zum befürchteten Flächenbrand in der Region geführt. "Doch hat die Okkupation eine Besorgnis erregende Eigendynamik von Krieg, Besatzung, Widerstand und Vergeltung heraufbeschworen", heißt es im Gutachten.

Das Pentagon habe den fatalen Fehler gemacht, den Staatsapparat, das Militär und die Polizei radikal zu zerschlagen. Wiederaufbau und demokratische Transformation seien nun praktisch unter Kriegsbedingungen zu bewerkstelligen. Im Irak sei eine Zusammenarbeit des Terrornetzwerks El Kaida mit Anhängern des Saddam-Regimes erst als Folge des Krieges und der Besatzung durch die USA entstanden, sagte Ratsch.

Sofortiger Truppenabzug keine Option

Die Übergangsverfassung im Irak mit ihrem Katalog bürgerlicher Freiheitsrechte und mit der Bestimmung, dass ein Viertel aller Abgeordneten weiblich sein soll, sei zwar eine der demokratischsten in der islamischen Welt, doch die Gewaltspirale aus Besatzung und Terror habe allein im Mai zu 700 Todesopfern geführt, so das Gutachten. Der Irak stehe derzeit "auf der Kippe". Noch sei ungewiss, ob die "sanfte Macht der Wahlzettel" wirklich die brutale Gewalt des Terrors besiegen wird. Die Friedensforscher sprachen sich jedoch gegen einen sofortigen Abzug der US-Truppen aus - zu groß sei das Risiko, dass das Land vollends im Chaos versinke.

Auch in Afghanistan falle die Bilanz sehr gemischt aus, sagte Ratsch. Stabilisierung und Demokratisierung seien zwar vorangekommen, im Süden und Osten werde aber weiterhin gekämpft. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass Demokratisierung durch militärische Gewalt bisher nicht erfolgreich war. Die internationale Staatengemeinschaft müsse sich aber weiter stark beim Wiederaufbau des Landes engagieren.

Deutscher Sitz im Sicherheitsrat zweitrangig

Skeptischen sehen die Wissenschaftler die Pläne der Bundesregierung, einen Sitz im UN-Sicherheitsrat durchzusetzen. Diese Frage sei zweitrangig. "Für weitaus wichtiger halten wir andere Vorschläge zur Reform der UNO, etwa den neuen Menschenrechtsrat oder die Peace-Building-Commission." Die Friedensforscher forderten eine Stärkung der UNO. Sie sei noch immer nicht so ausgestattet, dass sie Ausbrüchen von Gewalt wirksam begegnen kann.

Dazu fehle ihr materielle Sanktionsgewalt und die Bereitschaft der mächtigsten Staaten, der UNO die führende Rolle zuzugestehen, die ihr nach der Charta zukommt. Zu oft werde schreiendes Unrecht mit diplomatischem Schweigen übergangen. Wirtschaftliche und innenpolitische Interessen mächtiger Staaten und die Sorge um die fragilen internationalen Beziehungen führen zu übertriebener Zurückhaltung gegenüber Regierungen, die Menschenrechte massiv verletzen und damit den Frieden gefährden. Tibet, Tschetschenien und Darfur seien Beispiele dafür. (stl)

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