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Politik

"Es gibt einen tiefsitzenden Konflikt in Kolumbien"

3. Oktober 2016

Die Kolumbianer haben den Friedensvertrag zwischen der Regierung und den FARC-Rebellen abgelehnt. Im DW-Interview erklärt Friedensforscherin Josefina Echavarría warum die Gesellschaft des Landes so gespalten ist.

Kolumbien Trauer und Bestürzung bei Befürwortern des Friedenabkommens - Foto Leonardo Muñoz (dpa)
Bild: picture alliance/dpa/L. Muñoz

Deutsche Welle: Das Friedensabkommen zwischen den FARC-Rebellen und der kolumbianischen Regierung war mühsam ausgehandelt worden. Dennoch gab es diverse Gruppierungen, die dagegen Stimmung gemacht haben. Wie ist das zu erklären?

Josefina Echavarría: Es gibt eine Opposition im Land, angeführt vom ehemaligen Präsidenten Alvaro Uribe, die Stimmung gegen die Regierung macht. Diese Fundamentalopposition hat mit den Friedensverhandlungen erst einmal nichts zu tun. Hinzu kommen eine ganze Reihe von kleineren Gruppierungen, die den Friedensvertrag schlicht als ungerecht empfunden haben.

Dieser Konflikt hat über fünfzig Jahre angedauert, er hat über 220.000 Menschen das Leben gekostet. Nach all dem Leid, das dieser Konflikt über Kolumbien gebracht hat, wie kann man allen Ernstes gegen einen Friedensvertrag sein?

Ich glaube nicht, dass dieses Ergebnis rational zu erklären ist. Um es verstehen zu können, muss man auf die unterschiedliche Gefühlslage der verschiedenen Gruppierungen in Kolumbien blicken. Kolumbien ist eine komplett traumatisierte Gesellschaft. Es gibt soviel Wut, es gibt soviel Trauer im Land. Viele Leute fühlen sich nicht gehört. Und die Regierung und all die Gruppierungen, die den Friedensvertrag unterstützt haben, haben die Größe dieser Gruppe ganz offenbar unterschätzt.

Was bedeutet dieses Votum für den Friedensprozess im Land?

Friedensforscherin Josefina EchavarríaBild: J. Echavarria

Es gibt schon jetzt Versuche, das Abkommen auf anderen Wegen, auf ganz unterschiedliche Art und Weise in Gesetzesform zu gießen. Man muss auch betonen: Dank des Friedensprozesses haben sich in den vergangenen Jahren viele neue Initiativen gegründet, die meist auf lokaler Ebene arbeiten. Sie haben dem gesamten Friedensprozess neuen Aufwind verliehen. Gerade weil diese Bewegungen vor allem in kleinen Dörfern aktiv sind und ganz gezielt mit Familien vor Ort arbeiten, hoffe ich, dass sie von dieser großen, nationalen Ablehnung des Friedensabkommen unberührt bleiben.

Sie sind erst kürzlich wieder aus Kolumbien zurückgekehrt. Wie kann die Zukunft für die nächsten Generationen aussehen?

Ich glaube, dass es ganz darauf ankommt, wie sich die Kolumbianer nach diesem Votum verhalten. Momentan blicken alle nur auf dieses Wahlergebnis. Wir sehen, dass die Bevölkerung an den Wahlurnen total gespalten war. Das heißt, dass es einen tiefsitzenden Konflikt im Land gibt. Die Kolumbianer müssen jetzt auf sich schauen und sich fragen: Was bedeutet dieses Ergebnis jetzt für den Alltag im Land? Vor allem müssen die Kolumbianer noch mehr lernen, all ihre Konflikte auf demokratische Art und Weise zu lösen.

Haben Sie noch Hoffnung für das südamerikanische Land?

Ich glaube, es gibt viele kleine Inseln der Hoffnung. Kolumbien ist ein Land, das sich durch sehr große Unterschiede auszeichnet. Es gibt beispielsweise ein starkes Gefälle zwischen den Lebensbedingungen auf dem Land und in den großen Städten. Und trotz all dieser Unterschiede, dieser Polarisierung der Gesellschaft spüren wir schon jetzt den Frieden in ganz vielen Bereichen des alltäglichen Lebens.

Josefina Echavarría stammt aus Kolumbien und arbeitet in Österreich als Friedensforscherin an der Universität Innsbruck.

Das Gespräch führte Daniel Heinrich.

 

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