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Taliban-Friedensgespräche

Waslat Hasrat-Nazimi, Florian Weigand2. Juli 2013

Die USA wollen Verhandlungen mit den Taliban führen, um die Gewalt in Afghanistan zu beenden. Doch "die Taliban" gibt es nicht, sagen Experten, und ein Friede in Afghanistan liege noch in weiter Ferne.

Kämpfer der Taliban in Uruzgan, Afghanistan.
Afghanistan - TalibanBild: picture alliance / Ton Koene

US-Präsident Barack Obama und inzwischen auch der afghanische Staatschef Hamid Karsai unterstützen Gespräche mit den islamistischen Taliban in deren Verbindungsbüro in Doha, der Hauptstadt des Golfemirats Katar. Washington sehnt sich nach einem klar benannten und allseits legitimierten Gesprächspartner. Die Taliban-Vertreter in Doha vermitteln bereitwillig das Bild, diesen Wunsch zu erfüllen.

"Die Taliban sind geeint", versichert Wahid Mozhda, politischer Analyst in Afghanistan und Mitarbeiter im früheren Außenministerium des Taliban-Regimes gegenüber der Deutschen Welle. "Es gibt nur eine Gruppe unter dem Kommando der Zentralen Ratsversammlung (Schura) der Taliban". Eine Aussage, die andere Experten jedoch stark in Zweifel ziehen - sie befürchten, dass nicht alle Taliban eingebunden sind und dass der Friedenprozess daher scheitern könnte.

Wer sind "die Taliban"?

Taliban-Experten in Europa und am Hindukusch glauben, dass sich derzeit eine zwar bestimmende, aber bei weitem nicht alle Taliban repräsentierende Gruppe lautstark positioniert. "Man kann davon ausgehen, dass die Emissäre in Doha wohl der afghanischen "Quetta-Schura" unter der Führung von Mullah Omar am nächsten stehen, die immer wieder den Anspruch erhebt, die Taliban zu führen", meint der deutsche Afghanistan-Experte Conrad Schetter. Diese afghanische Ratsversammlung - nach ihrem pakistanischen Exilsitz auch "Quetta-Schura" genannt - reklamiert offenbar für sich, als Alleinvertreter mit den USA zu verhandeln.

Die Taliban wollen Friedensgespräche und setzen gleichzeitig ihre Angriffe fort - hier auf den Präsidentenpalast in KabulBild: AFP/Getty Images

Es existiert aber noch eine ganze Reihe von anderen Akteuren. Schetter, Professor für Friedens- und Konfliktforschung an der Universität Bonn, zählt sie auf: Neben der Quetta-Schura gebe es in Pakistan noch Taliban-Ableger in der nordwestlichen Stadt Peschawar, nahe der Grenze zu Afghanistan. Hinzu komme das den Taliban nahe stehende Haqqani-Netzwerk und die Hezb-e Islami ("Islam-Partei") sowie noch viele lokale Splitter-Gruppen rund um den Hindukusch, die eigene Ansprüche anmelden. Schetters afghanischer Kollege Abdul Ghafoor Liwal, Direktor des Regional Studies Centers in Kabul, ergänzt die Liste noch um die pakistanischen und usbekischen Taliban sowie internationale Dschihadisten, vor allem aus Tschetschenien und dem arabischen Raum. "All diese Gruppen bilden Allianzen untereinander und brechen diese auch wieder. Es ist unmöglich zu durchschauen, wie diese Verknüpfungen funktionieren."

"Es wäre also ein Wunder, wenn dieses komplizierte Geflecht durch das Büro in Doha repräsentiert würde", lautet das Fazit des Politikwissenschaftlers Jochen Hippler von der Universität Duisburg-Essen. Er mag nicht glauben, dass sich alle Taliban-Gruppen durch das Büro in der Hauptstadt Katars repräsentiert fühlen. "Es gibt viele, die regional und lokal orientiert sind", sagt er. Es existiere keine klare Kommandostruktur.

Doha Büro und neues Image

Die Eröffnungsfeier des Büros in Doha Mitte Juni - live im arabischen TV-Sender Al Jazeera übertragen - sollte daher politische Einheit, Stärke und internationale Legitimität demonstrieren, analysiert Jawed Kohistani, Politiker und Vorsitzender des "Afghan Freedom and Democracy Movement" in Kabul. Die Taliban in Doha "wollen nicht als terroristische Gruppe gesehen werden. Sie wollen mit den internationalen Akteuren als eine ernstzunehmende politische Macht Gespräche führen mit einem neuen Image". Das Endziel sei dabei, die Macht in Kabul zu übernehmen und erneut ein "Islamisches Emirat Afghanistan" zu gründen. Eine Machtteilung mit anderen Gruppen oder der Regierung Karsai komme derzeit erst gar nicht in Frage, ergänzt Jochen Hippler. "Das glauben die Taliban nicht mehr nötig zu haben, weil sie meinen, den Krieg politisch gewonnen zu haben."

Das Gebäude des neuen Taliban Büros in DohaBild: Reuters

Damit müssen neben Karsai vor allem das gewaltbereite Haqqani-Netzwerk und die Hezb-e Islami fürchten, an den Rand gedrängt zu werden. "Diejenigen, die in Doha nicht sprechen können, werden jetzt offen oder hinter verschlossenen Türen deutlich machen, dass sie ihre eigenen Forderungen haben. Es geht um politische Ämter, um Ressourcen, aber vor allem um Anerkennung", meint Afghanistan-Experte Conrad Schetter.

"Gespräche führen nicht zum Frieden"

Für die USA gilt derzeit jedoch vor allem die Devise, dass keine terroristische Bedrohung aus Afghanistan für die USA ausgehen darf. Die USA umwerben daher vor allem die afghanischen Taliban, vertreten durch die Quetta-Schura, auf der Suche nach einer friedlichen Lösung des Konflikts am Hindukusch. "Die Amerikaner haben in den letzten zwei Jahren immer wieder deutlich gemacht, dass sie auf der einen Seite zu Karsai auf Distanz gehen. Auf der anderen Seite haben sie gezeigt, dass sie auch in ihrer eigenen Berichterstattung von einer Darstellung der Taliban als 'bösen Buben' abgewichen sind", beobachtet Konfliktforscher Conrad Schetter.

Die Taliban könnten versuchen, Präsident Karsai aus dem Amt zu drängen"Bild: Shah Marai/AFP/Getty Images

Präsident Karsai habe an Legitimität verloren, meint auch Jochen Hippler von der Universität Duisburg-Essen. Damit sei auch der Krieg in Afghanistan politisch verloren. "Die NATO konnte den Krieg gegen 30.000 mit Kalaschnikow bewaffnete, teilweise Analphabeten nicht gewinnen. Jetzt geht den USA darum, das Gesicht zu wahren. Die Taliban können abwarten, ob die USA ihnen eine Teilung der Macht anbieten und versuchen, Karsai aus dem Amt zu drängen. Oder sie können auf Zeit spielen." In beiden Fällen glauben die Taliban, dass sie sich am Ende durchsetzen können, so Hippler. "Das Taliban-Büro in Doha ist ein Weg, den Abzug der NATO und die politische weitere Diskussion in Afghanistan einzurahmen. Die Gespräche werden weder zu Krieg, noch zu Frieden führen."

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