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Politik

Friedensgutachten 2018: "Kriege ohne Ende"

Daniel Heinrich
12. Juni 2018

Völkerrecht adé? Die führenden deutschen Friedensforschungsinstitute haben ihr Gutachten 2018 vorgestellt. Die Experten malen ein düsteres Bild und fordern von Berlin die Verteidigung des "Wertemodells Europa".

Syrien Kämpfe in Rakka
Bild: picture-alliance/dpa/M. Umnaber

Die Überschrift gibt die Richtung vor: "Kriege ohne Ende. Mehr Diplomatie, weniger Rüstungsexporte". Unter diesem Titel haben die fünf führenden deutschen Institute für Friedens- und Konfliktforschung heute in Berlin das Friedensgutachten 2018 vorgestellt.

Das Fazit zur aktuellen Weltlage fällt düster aus: Es gebe "mehr Kriege, mehr Krisen, und eine abnehmende Fähigkeit der internationalen Gemeinschaft, Frieden und Sicherheit in der Welt zu gewährleisten", heißt es in dem gemeinsamen Analysepapier, das vom Bonn International Center for Conversion (BICC), der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg (FEST), der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt (HSFK), dem Institut für Entwicklung und Frieden in Duisburg (INEF) sowie dem Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) verfasst wurde.

Demokratie unter Druck

Es sind gleich mehrere Punkte, die die Experten in den Mittelpunkt ihrer Analyse rücken. Die einseitige Aufkündigung des Iran-Abkommens durch den amerikanischen Präsidenten Donald Trump bezeichnen die Experten als "Frontalangriff auf die multilaterale Friedens- und Sicherheitsordnung". Trump habe die USA von einem "Garanten" zu einem "Gefährder" der Internationalen Ordnung gemacht.

Auch andernorts sieht es nach Meinung der Analysten nicht besser aus. Russland kritisieren die Experten aufgrund der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim, in der Türkei würden unter Präsident Erdogan "die Gewaltenteilung ausgehöhlt und die Freiheitsrechte der Bürger eingeschränkt", und auch in Ungarn und Polen gerate die "liberale Demokratie immer mehr unter Druck".

Den Vereinten Nationen bescheinigen die Experten in zentralen Konflikten wie dem Bürgerkrieg in Syrien oder der Vertreibung der muslimischen Rohingya in Myanmar totale "Handlungsunfähigkeit" und die Anzahl der Bürgerkriege befinde sich auf dem "höchsten Niveau seit 1945". 

Terroranschläge gehen zurück

Besonders bedenklich aber sei die Situation im Nahen und Mittleren Osten. Neben hunderttausenden Todesopfern durch die Kriege in Libyen, Syrien, Jemen und im Irak und den mehr als elf Millionen Flüchtlingen durch den Bürgerkrieg in Syrien stünden vor allem die Giftgaseinsätze in Syrien und die Schreckensherrschaft des IS "beispielhaft für die massive Verletzung des humanitären Völkerrechts in der Region".

Einzig im Bereich des internationalen Terrorismus gibt es für die Experten "Grund für gedämpften Optimismus". Von 2015 an sei die Anzahl der weltweiten Terroranschläge rückläufig, nur ein Prozent der weltweiten Opfer von Terrorismus lebe in OECD-Ländern.

Entschieden verwehren sich die Experten der These, ein verstärkter Zuzug von Migranten und eine liberale Flüchtlingspolitik würden die Terrorismusgefahr in Europa erhöhen: "Der überwiegende Anteil derjenigen, die zwischen 2015 und 2018 in Europa Terroranschläge verübt haben, lebt in zweiter oder dritter Generation in Europa".

Um der Radikalisierung von Migranten entgegenzuwirken, fordern die Friedensforscher verbesserte Migrationsmaßnahmen und einen erleichterten Familiennachzug. Dies sei nicht nur humanitär geboten, "sondern auch sicherheitspolitisch sinnvoll".

Forderungen an die Bundesregierung und Appell an Europa

Nicht nur in der Flüchtlingspolitik nehmen die Wissenschaftler gerade auch die deutsche Regierung in die Verantwortung. In Anspielung auf die "Ausfälle" von US-Präsident Trump müsse die Bundesregierung "gemeinsam mit ihren Partnern Strategien ausloten, wie sich der Schaden des US-Vorgehens für die internationalen Beziehungen" begrenzen lassen.

Generell ist den Experten die Außenpolitik Berlins zu passiv. Sie fordern, dass Deutschland sich auf internationaler Ebene mehr einbringen müsse. Berlin hat bereits reagiert. Nach der Wahl als nicht-ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat kündigte Außenminister Heiko Maas an, mehr Verantwortung übernehmen zu wollen.  

Direkt kritisiert werden die Rüstungsexporte Deutschlands an Kriegsparteien im Jemen und der Türkei. Neben einem restriktiveren Rüstungsexportkontrollgesetz müssten "Lieferungen an die Türkei unterbrochen werden" solange das Land "völkerrechtswidrig" handelt.

Auf der Suche nach Lösungen raten die Experten den Politikern in Berlin dringend zum Schulterschluss mit anderen Staaten der Europäischen Union, insbesondere Frankreich. Vor allem zusammen im Hinblick auf die Lage der Menschen- und Bürgerrechte müsse die Bundesregierung "an einer eigenständigeren Sicherheitspolitik" mitwirken: "Nicht weniger ist gefragt", so der Ausblick der Experten in die Zukunft, "als das alte Wertemodell Europas wieder zum Exportschlager werden zu lassen".

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