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PolitikUkraine

Friedensplan: Donald Trump schweigt, die Ukraine diskutiert

21. November 2024

Der gewählte US-Präsident Donald Trump braucht nach eigenen Aussagen nur "24 Stunden", um Russlands Krieg gegen die Ukraine zu beenden. Viele Ukrainer befürchten dagegen eine "schleichende Besetzung".

Portrait des gewähltes US-Präsidenten Donald Trump vor einer US-Flagge
Der gewählte US-Präsident Donald TrumpBild: Alex Brandon/AP/picture alliance

Donald Trump, Sieger der US-Präsidentschaftswahl, hat noch keinen offiziellen Plan vorgestellt, wie er Russlands Krieg gegen die Ukraine stoppen will. Im Wahlkampf hatte er jedoch versichert, er könne den Krieg "innerhalb von 24 Stunden" beenden. Laut Medienberichten laufen derzeit in seinem Team Diskussionen darüber.

Wie das "Wall Street Journal" (WSJ) neulich unter Berufung auf drei Trump-nahe Quellen berichtete, solle laut einem der Pläne Kyjiw zusagen, dem Verteidigungsbündnis NATO für mindestens 20 Jahre nicht beizutreten. Washington würde im Gegenzug weiterhin an die Ukraine Waffen liefern, um die Russische Föderation von weiteren Angriffen abzuhalten.

Nach Angaben des WSJ geht es bei allen Vorschlägen um ein "Einfrieren" des Krieges, was die Besetzung von etwa 20 Prozent des ukrainischen Territoriums durch Russland bedeuten würde. Unter Berufung auf eigene Quellen schrieb die Zeitung "The Telegraph", dass Trump im Rahmen seiner Pläne möglicherweise europäische und britische Truppen auffordern könnte, eine 1300 Kilometer lange Pufferzone zwischen den Armeen der Ukraine und der Russischen Föderation zu sichern.

"Ukrainer als Kanonenfutter"

In der Ukraine wird unterdessen nicht mehr ausgeschlossen, dass die USA dem Land nach Trumps Amtseinführung inakzeptable Szenarien aufzwingen werde. Nach einem "Einfrieren des Krieges" könnte es zu einer "schleichenden Besetzung" der Ukraine durch Russland kommen.

"Es ist lächerlich, optimistische Wahnvorstellungen darüber zu lesen, wie Trump Russland in die Schranken weisen, Waffen liefern und den Krieg beenden wird", schreibt eine Userin mit dem Nicknamen "Libelle" im sozialen Netzwerk X.  "Ich habe das Gefühl, dass wir mit seinem Wahlsieg schon verloren haben. Seine Methode ist ein Deal mit einem Aggressor, einem Terroristen, einem Völkermörder und Kriegsverbrecher." 

Auch Facebook-Userin Oksana Lysiak äußert Unverständnis. "Das Entscheidende, was man nicht begreifen will - oder man tut so, als würde man es nicht begreifen - ist, dass Putin die Ukrainer nicht aus Bruderliebe oder so etwas haben will, sondern als Kanonenfutter und Arbeiterameisen für einen Angriff auf die europäische Bastion." 

"Trump wird sagen, dass er alles 'geregelt' hat. Er wird die Finanzierung der Ukraine einstellen und dann sagen, dass alle weitere Verantwortung bei Europa liege. Schließlich sei die Ukraine Teil Europas", befürchtet der ukrainische Journalist Andrij Herasym auf Facebook.

Oleksij Kopytko, Militärexperte und ehemaliger Berater beim ukrainischen Verteidigungsministerium meint: "Die optimale Option für uns ist: Europa kommt zur Besinnung und beginnt, seine Verteidigung angemessen zu finanzieren." Dies bedeute, dass Europa die Ukraine für ihren hohen "Blutzoll" und dafür, dass sie Russland stoppe, fair finanziell unterstützen solle. Schließlich würden dies Japan und Südkorea auch tun. Erst vor einigen Tagen hatte Japan ein weiteres Hilfspaket angekündigt. 

Das werde eine Grundlage zur Wahrung der transatlantischen Einheit schaffen, da dies in Trumps Vision passe und die Risiken europäischer Absprachen mit China mindere, so Kopytko.

"Mit einem Taschenrechner in der Hand"

"Für einige im Westen ist es der beste Ausweg, sich auf Kosten der Ukraine den Problemen zu entledigen", sagt der ehemalige Außenminister der Ukraine Wolodymyr Ohrysko dem ukrainischen Sender NV. "Diese Zyniker um Trump werden ihn zu dieser Option ermuntern, weil sie die einfachste ist. Aber wir müssen diese Ideologie in eine andere Richtung drehen und Trump sagen: 'Sehen Sie, wir bieten Ihnen Dinge an, die für Sie von Vorteil sind. Sie werden Dutzende und Hunderte Milliarden Dollar verdienen, indem Sie die Ukraine stärken'."

Treffen von Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj im Trump Tower im September 2024Bild: Shannon Stapleton/REUTERS

Seiner Ansicht nach muss die Ukraine die Initiative ergreifen und Trump bereits vor seiner Amtseinführung klar und deutlich "mit dem Taschenrechner in der Hand" erklären, worum es geht. Dass mehr Hilfe für die Ukraine auch mehr Geld für die USA durch Rüstungsaufträge bedeuten würde, betonte Ohrysko.

Geht die Rechnung mit Trumps Eitelkeit auf?

Ihor Rejterowytsch von der Taras-Schewtschenko-Universität in Kyjiw geht davon aus, dass Trump zur Beendigung des Krieges beitragen und dies zu fairen Bedingungen tun wird. "Zwei Drittel seiner Wähler unterstützen die Ukraine im Krieg gegen Russland. Wenn Trump Zugeständnisse an Russland macht, wird man das äußerst negativ auffassen, auch unter seinen Parteifreunden."

Trump spreche von einem 'Great America', was die Wiederherstellung des geopolitischen Einflusses der USA und ihrer entsprechenden Rolle in der heutigen Welt bedeute, so der Politikwissenschaftler. Seiner Meinung nach könnte Donald Trumps Eitelkeit der Ukraine somit in die Hände spielen. Gleichzeitig schließt Rejterowytsch nicht aus, dass Trumps Team nun bewusst widersprüchliche Aussagen über die Ukraine und verschiedene Szenarien verbreitet, um die Reaktion Europas, Russlands und der Ukraine auf mögliche Vorschläge zur Beendigung des Krieges zu testen.

"Wir haben eine Zukunft mit verschiedenen Optionen, und jedes Szenario kann sich jederzeit ändern. Das Einzige, was sie eint, ist, dass Trump den Krieg definitiv beenden will.  Man weiß, dass es einen Kompromiss geben muss, aber wie weit dieser Kompromiss reichen soll, ist noch unklar", so Rejterowytsch.

Zunehmende Verhandlungsbereitschaft

Unterdessen ändert ein großer Teil der Ukrainer aufgrund der Verschlechterung der Lage an der Front und immer knapperer Ressourcen allmählich seine Meinung in Bezug auf die Verhandlungen mit Russland. Das hat eine Umfrage des Kyjiwer Rasumkow-Forschungszentrums im September bestätigt. Im Herbst 2023 unterstützten 21 Prozent der Befragten Verhandlungen mit Russland. Dieses Jahr sind es bereits 35 Prozent. Allerdings ist, wie die Soziologen betonen, die relative Mehrheit von 48 Prozent weiterhin gegen Verhandlungen.

Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk

Anmerkung der Redaktion: Wir haben die Schreibweise der ukrainischen Hauptstadt umgestellt auf "Kyjiw" (statt, wie bisher, "Kiew"). Damit transkribieren wir den Namen korrekt aus der ukrainischen Sprache - so, wie wir auch bei allen anderen ukrainischen Ortsnamen verfahren.

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